LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8823 02.06.2015 Datum des Originals: 01.06.2015/Ausgegeben: 08.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3380 vom 15. April 2015 der Abgeordneten Margret Voßeler und André Kuper CDU Drucksache 16/8557 Kein Kita-Recht und keine Schulpflicht für Flüchtlingskinder in Landeseinrichtungen? Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 3380 mit Schreiben vom 1. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einer aktuellen Handreichung des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen zu Aspekten Zentraler Unterbringungseinrichtungen werden unter anderem die finanziellen Vorteile für Städte und Gemeinden mit ZUEs genannt. Neben der im Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW vorgesehenen Anrechnungsregel bei der Verteilung von Flüchtlingen und der Kostenträgerschaft des Landes für Investitionen sowie dem Betrieb von der Einrichtung sei ein weiterer Vorteil, dass mittelbare Kosten für eine Standortkommune wegfallen würden. Die Kosten wegen des Anspruchs auf einen Platz in einer Kindertagesstätte würden bei Kommunen mit dem Standort einer ZUE nicht entstehen. Zwar gelte auch für ausländische Kinder der Rechtsanspruch nach §§26 und 6 Abs. 2 SGB VIII auf einen Kita-Platz, aber die „unklare Regelung“ würde so verstanden, dass sie für Asylbewerber erst dann zum Tragen käme, wenn diese mit einer Gestattung einer Gemeinde zugewiesen worden seien und sie damit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Dasselbe gelte auch für die Schulpflicht nach §34 Abs.6 SchulG NRW, die erst dann gelte, wenn die Familie mit Gestattung einer Kommune zugewiesen wird. Das Innenministerium spricht insoweit davon, dass die Kommunen Kosten für die Schaffung sonst notwendig werdender Plätze in Kitas und Schulen sparen würden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8823 2 1. Aus welchem Grund haben Flüchtlingskinder in Landeseinrichtungen keinen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz? Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz nach § 24 Abs. 2 und 3 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) grundsätzlich auch für die Kinder von Flüchtlingen und Asylantragstellern gilt. Gemäß § 6 Abs. 2 SGB VIII beginnt der Anspruch sobald die Familie die zentrale Aufnahmeeinrichtung verlassen hat und einer Kommune zugewiesen wurde. Da die durchschnittliche Verweildauer in den nordrhein-westfälischen Landeseinrichtungen deutlich unter drei Monaten liegt und der Besuch einer Kindertageseinrichtung mit einer Eingewöhnungsphase beginnt, wäre es aus pädagogischen Gründen nicht sinnvoll, dass Kinder für einen so kurzen Zeitraum in einer Kita am Ort der Landeseinrichtung aufgenommen werden , um dann wieder in ein Angebot am Wohnort zu wechseln. Darüber hinaus fördert die Landesregierung mit zusätzlichen Haushaltsmitteln in einem neuen Programm „Brückenprojekte“ für Kinder aus Flüchtlingsfamilien, also niedrigschwellige Betreuungsangebote, die Kinder und ihre Eltern an institutionalisierte Formen der Kindertagesbetreuung heranführen und in denen die Kinder bereits während dieser Zeit gezielt und ihren spezifischen Bedürfnissen entsprechend gefördert werden. Die Unterstützung von Projekten in Landeseinrichtungen ist dabei in dem Programm nicht prioritär, aber auch nicht ausgeschlossen. 2. Aus welchen Gründen besteht für Flüchtlingskinder in Landeseinrichtungen kei- ne Schulpflicht? Die Schulpflicht richtet sich nach dem Wohnortprinzip. Im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Meldeämter gemäß der Meldedatenübermittlungsverordnung NRW vom 25. November 2013 (SGV. NRW 210), die Daten an die Schulverwaltungsämter weiterzuleiten, kann die Schulpflicht somit erst festgestellt werden, sobald die Kinder einer Gemeinde für die Dauer ihres Asylbewerberverfahrens zugewiesen sind. Im Übrigen wird Kindern auch unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus Zugang zu schulischer Bildung gewährleistet. Der Aufenthaltsstatus von Kindern und Jugendlichen ist bei der Aufnahme in eine Schule und auch beim weiteren Schulbesuch ohne Belang. Nach den schulrechtlichen Datenschutzbestimmungen der VO DV I dürfen Schulleitungen keine Daten zum Aufenthaltsstatus der Schülerinnen und Schüler erheben, Meldepflichten gegenüber den zuständigen Ausländerbehörden bestehen insoweit nicht. 3. Wie bewertet es die Landesregierung, dass Flüchtlingskinder in den ersten Ta- gen in Landeseinrichtungen - bei einer gesetzlich möglichen Verweildauer von bis zu 3 Monaten – keinerlei Bildungsangebote in Kita oder Schule erhalten? Zurzeit liegt die durchschnittliche Verweildauer in den Landeseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen deutlich unter der im Asylverfahrensgesetz vorgesehenen Höchstgrenze von 3 Monaten. Für die Unterbringung hat das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein -Westfalen Qualitätsstandards in der „Fortschreibung der Leistungsbeschreibung über Standards in Unterbringungseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen“ vom 12. Oktober 2014 festgeschrieben. Diese sind unter anderem auch im Internet unter LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8823 3 www.mik.nrw.de/themen-aufgaben/auslaenderfragen/asylbewerber.html veröffentlicht. Darin sind u.a. die Standards für die Ausstattung und den Betrieb einer Kinderspielstube unter Einsatz von geeignetem Personal (Ziffer 2 j) vorgesehen. Zudem ist vorgesehen, dass den Flüchtlingen u.a. Grundkenntnissen der deutschen Sprache und des Zusammenlebens in Deutschland vermittelt werden (Ziffer 2 l). Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund der oftmals traumatischen Erfahrungen der betroffenen Familien nicht alle Flüchtlingskinder getrennt von ihrer Familie sofort ein Regelangebot besuchen wollen. Vielmehr besteht nach Ansicht vieler Beteiligter für die erste Zeit ein Sonderbedarf. Die Landesregierung fördert deshalb mit zusätzlichen Haushaltsmitteln in einem neuen Programm „Brückenprojekte“ für diesen Personenkreis, also niedrigschwellige Betreuungsangebote, die Kinder und ihre Eltern an institutionalisierte Formen der Kindertagesbetreuung heranführen und in denen die Kinder bereits während dieser Zeit gezielt und ihren spezifischen Bedürfnissen entsprechend gefördert werden. Die Unterstützung von Projekten in Landeseinrichtungen ist dabei in dem Programm nicht prioritär, aber auch nicht ausgeschlossen. Das Bildungsangebot der Schule beginnt mit der Schulpflicht. Insofern wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Was unternimmt die Landesregierung, damit Flüchtlingskinder in den ersten Ta- gen in Landeseinrichtungen nicht zurückgelassen sondern angemessen gefördert werden? Zur Beantwortung verweise ich auf die Ausführungen zu Frage 3. 5. Unter welchen Voraussetzungen haben Eltern von Flüchtlingskindern Anspruch auf Betreuungsgeld? Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Betreuungsgeld für Kinder vom 15. bis zum 36. Lebensmonat , für die keine öffentlich geförderte Kinderbetreuung gem. § 24 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 22 bis 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch genommen wird (§§ 4a, 4d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG). Als nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin bzw. nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer müssen Eltern von Flüchtlingskindern jedoch zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllen . Nach § 1 Absatz 7 BEEG muss der betreffende Elternteil entweder 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzen oder 2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde a) nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt, b) nach § 18 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden, c) nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt, d) nach § 104a des Aufenthaltsgesetzes erteilt oder LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8823 4 3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzen und sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der betreffende Elternteil im Falle von Nr. 3 zusätzlich im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sein, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Diese Anspruchsvoraussetzung wurde vom Bundesverfassungsgericht jedoch in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2012 (BGBl. I S. 1898) für nichtig erklärt und wird seitdem nicht mehr angewendet.