LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8829 03.06.2015 Datum des Originals: 02.06.2015/Ausgegeben: 09.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3373 des Abgeordneten Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/8540 Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie in NRW Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3373 mit Schreiben vom 2. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Finanzminister und der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bund, Länder und Kommunen sind verpflichtet bis zum 15.07.2015 die „EU-Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen“ umzusetzen . Die Richtlinie legt den Augenmerk vor allem auf die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Personen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Minderjährige, Schwangere, Traumatisierte, Folter- und Vergewaltigungsopfer. Diese Personen müssen frühestmöglich unter den Geflüchteten und Asylsuchenden identifiziert werden und der Berücksichtigung ihrer speziellen Bedürfnisse ist schnellstmöglich Rechnung zu tragen (Artikel 22 der EUAufnahmerichtlinie ). 1. Welche neuen Anforderungen kommen auf das Land und die Kommunen in Nordrhein-Westfalen in Folge der EU-Aufnahmerichtlinie zu? Nach der EU-Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) ist für die dort aufgeführten Personengruppen mit besonderer Schutzbedürftigkeit (Artikel 21 der RiLi) deren spezielle Situation bei der Aufnahme zu berücksichtigen. Um diese Anforderungen wirksam umzusetzen, ist zu beurteilen, ob ein/e (Asyl)-antragsteller/in ein/e Antragsteller/in mit besonderen Bedürfnissen ist und welcher Art diese Bedürfnisse sind (Artikel 22). Die beigefügte Tabelle gibt eine LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8829 2 Übersicht über die einzelnen Personengruppen mit besonderer Schutzbedürftigkeit und eine beispielhafte Übersicht über die Maßnahmen, die sicherstellen können, dass die besondere Schutzbedürftigkeit berücksichtigt wird. Es besteht derzeit noch keine Einigkeit zwischen dem Bund und den Ländern, wer für die Identifizierung als besonders schutzbedürftige Person zuständig ist. Nach Auffassung der Länder ist dies eine Aufgabe des Bundes, die sich für ihn aus der EU-Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU) ergibt. 2. Wie werden diese Anforderungen ab dem 15.07.2015 in Nordrhein-Westfalen um- gesetzt? (Bitte um Auflistung der einzelnen Maßnahmen) Die Qualitätsstandards, die Bestandteil der Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung der Betreuungsverträge in den Regeleinrichtungen des Landes sind, decken die Anforderungen der Richtlinie, wie sie von den Ländern verstanden wird, im Wesentlichen ab. Das betrifft beispielsweise die Berücksichtigung von besonderer Schutzbedürftigkeit bei der Zimmervergabe , Verpflegung, Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene , medizinische Betreuung in der Einrichtung, Psychosoziale Betreuung, Kompetenz des eingesetzten Personals, Asylverfahrensberatung und soziale Beratung, Beschwerdemanagement und Hinweise in verschiedenen Landessprachen, um die wichtigsten Beispiele zu nennen. Nach Auffassung der Landesregierung erfüllt Nordrhein-Westfalen die Anforderungen der Richtlinie. Gleichwohl überprüft derzeit eine Arbeitsgruppe des Ministeriums für Inneres und Kommunales, zusammengesetzt aus Vertretern der Wohlfahrts- und Betreuungsverbände und der Bezirksregierung Arnsberg, die Qualitätsstandards vor dem Hintergrund der EUAufnahmerichtlinie auf Nachbesserungs- und Ergänzungsbedarfe. Die Aufgabe der Unterbringung der den Kommunen zugewiesenen Flüchtlinge erfüllen die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Dabei haben sie aber auch die Anforderungen, die sich aus der EU-Aufnahmerichtlinie ergeben, zu berücksichtigen. Mit welchen konkreten Maßnahmen die Kommunen diese Anforderungen umsetzen werden ist der Landesregierung im Einzelnen nicht bekannt. 3. Welche Abstimmungen zwischen Bund, Land und Kommunen sind bis zum 15.07. noch notwendig? (Bitte um Auflistung der einzelnen Maßnahmen) Die EU-Aufnahmerichtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Berücksichtigung der speziellen Situation von besonders schutzbedürftigen Personen. Die Ziele der EUAufnahmerichtlinie sind bis zum 20. Juli 2015 in nationales Recht umzusetzen. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass der Bund ein entsprechendes Umsetzungsgesetz vorlegt, was derzeit noch nicht der Fall ist. Im Rahmen der Bundesgesetzgebung soll den Ländern möglichst die Wahl der Mittel zur Umsetzung der Richtlinie überlassen bleiben. Die Länder haben in der Länderarbeitsgruppe „Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie“ einen gemeinsamen Rahmen zur Ausführung der Richtlinie für die Länder definiert. Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, obliegt nach Auffassung der Länder dem Bund aus der EU-Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU) eine Identifizierungsverpflichtung hinsichtlich der Feststellung einer Schutzbedürftigkeit von Asylbegehrenden. Mit dem Bund zusammen muss daher eine Verständigung stattfinden, um die Erkenntnisse auf Bundesebene für die Länder und Kommunen nutzbar zu machen. Insbesondere die Voraussetzungen der Weitergabe der bei der Feststellung der Schutzbedürftigkeit erhobenen Daten sind vom Bund zu klären. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8829 3 4. Welche Gesetze bzw. Verordnungen müssen noch bis zum 15.07. angepasst werden? Die Beantwortung der Frage hängt entscheidend von dem noch durch den Bund zu schaffenden Umsetzungsgesetz ab. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Mit welchem finanziellen Aufwand - im Land und in den Kommunen - rechnet die Landesregierung insgesamt? Eine abschließende Aussage kann hier derzeit nicht getroffen werden. Hierzu verweise ich auf die Antworten zu Fragen 2 und 3. Personengruppen, bei denen möglicherweise besondere Bedürfnisse zu berücksichtigen sind Mögliche Maßnahmen zur Berücksichtigung dieser besonderen Bedürfnisse Minderjährige im Familienverbund Familienzusammenführung mit Eltern, Sorgeberechtigten und Geschwistern; Erholungs- und Spielmöglichkeiten, Beschulung, Reha-Maßnahmen, psychologische Betreuung und Beratung Unbegleitete Minderjährige Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtung, dort Unterbringung ggfs. mit Geschwistern, Verwandtensuche Ältere Menschen Ggfs. medizinische Versorgung und soziale Unterstützung Analphabeten Keine rechtl. Vorgabe; Unterstützung im schriftl. Bereich, Lesehilfe Personen, die aufgrund ihres Geschlechtes oder geschlechtlichen Orientierung besondere Berücksichtigung benötigen Keine rechtl. Vorgaben; geschlechtsspezifische Unterbringung bzw. besondere Berücksichtigung bei der Unterbringung Behinderte Berücksichtigung bei der Unterbringung; medizinische Versorgung Schwangere Berücksichtigung bei der Unterbringung, Schwangerenvorsorge Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern Berücksichtigung bei der Unterbringung, Betreuung der Kinder Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen Berücksichtigung bei der Unterbringung, medizinische Versorgung, evtl. stationäre Behandlung Personen mit psychischen Störungen Berücksichtigung je nach Art der psychischen Störung, ggfs. stationärer Aufenthalt Gewaltopfer Berücksichtigung bei der Unterbringung; medizinische und psychologische Versorgung Opfer von Menschenhandel Wie oben