LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8843 05.06.2015 Datum des Originals: 03.06.2015/Ausgegeben: 10.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3410 vom 7. Mai 2015 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/8619 Personalstruktur, Planstellen und effektive Personalstärke der Essener Polizei – Wie bewertet die Landesregierung die Stellenentwicklung und Personalverfügbarkeit des örtlichen Polizeipräsidiums angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3410 mit Schreiben vom 3. Juni 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Motivation, Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit der nordrhein-westfälischen Polizeibeamten bilden die Grundlage einer erfolgreichen und effektiven Polizeiarbeit, die in Zeiten neuer Herausforderungen bei der Kriminalitätsbekämpfung wie beispielsweise der viel zu hohen Einbruchszahlen dringend notwendig ist, um eine möglichst große Sicherheit im Land zu gewährleisten. Das Aufgabenspektrum polizeilicher Arbeit ist dabei umfangreich und reicht von der Gefahrenabwehr über die präventive Arbeit bis hin zur Aufklärung von Straftaten. Bei ihrer Tätigkeit müssen die Polizeibeamten oftmals auch gefährliche Situationen bestehen, wie zuletzt der breiten Bevölkerung durch die Medienberichterstattung beispielsweise über Ausschreitungen bei Demonstrationen wieder deutlich vor Augen geführt worden ist. Regelmäßig warnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor einer massiven Pensionswelle in den kommenden Jahren, die die derzeitigen Neueinstellungen nicht abfangen könnten. Der GdP-Landesvorsitzende hat sich zu dem drohenden Verlust von netto 3.713 Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2025 beispielsweise am 5. September 2014 in der WAZ geäußert: „Das werden die Bürger sehr deutlich spüren, falls nicht gegengesteuert wird.“ [Name] fordert , dass die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen ein weiteres Mal nach oben korrigiert wird – auf 1.800 im Jahr. Sonst drohe die Schließung kleinerer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8843 2 Wachen, beim Kampf etwa gegen Einbrüche oder Diebstähle werde die Polizei Probleme bekommen: „Und wenn ein Bürger eine halbe oder eine dreiviertel Stunde auf einen Streifenwagen warten muss, kann das ziemlich lang werden.“ Dass der GdP-Landesvorsitzende seine Forderung Anfang September erneut wiederholt hat, hängt mit einer Stichtagsregelung zum 1. September eines jeden Jahres zusammen: „Für die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen ist das ein wichtiges Datum. Es gibt Verstärkung , wenn wegen hoher Unfall- und Kriminalitätszahlen viel zu tun ist. Pensionsabgänge werden ausgeglichen (oder auch nicht), Versetzungen werden wirksam.“ (WAZ, 5. September 2014) Für die Sicherheit vor Ort ist dabei nicht allein entscheidend, wie viele Stellen einer Behörde zugewiesen werden. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Ist-Besetzung, also die in jeder einzelnen Kreispolizeibehörde tatsächlich vorhandene Personalstärke bzw. verfügbare Beschäftigtenzahl nach Kopfzahl sowie Stundenumfang. Im Polizeipräsidium Essen scheint in Personalfragen jedenfalls dringender Handlungsbedarf gegeben zu sein. So hat der Vorsitzende der Essener Kreisgruppe der GdP bereits am 23. Januar 2015 in der NRZ Essen in bemerkenswerter Deutlichkeit angekündigt, dass die Belastungsgrenze für die Essener Polizisten erreicht sei: „Ich weiß nicht, wie lange wir die Sicherheit der Leute noch gewährleisten können.“ (…) Schon jetzt haben sich bei den rund 2.000 Mitarbeitern des Essener Polizeipräsidiums 150.000 Überstunden angesammelt „Und es kommen jedes Jahr 70.000 hinzu“, gibt [Name] zu bedenken. „Kollegen teilen uns mit, dass sie kaum noch zu Hause sind. Man weiß nicht, wie sie frei machen können.“ Angesichts der aktuell vielen Großeinsätze können deutlich weniger Überstunden abgebaut werden als sonst. [Name] appelliert: „Wir brauchen dringend Verstärkung.“ Die GdP kritisiert, dass rund zehn Prozent der Stellen bei der Essener Polizei gar nicht besetzt sind. Und weitere 87 werden bis 2020 wegfallen. Da müsse jetzt endlich gegengesteuert werden, zumal zusätzliche Einstellungen sich erst in ein paar Jahren auswirken . Die jungen Nachwuchskräfte müssen ja erst ausgebildet werden. Die GdP plädiert dafür , alle freien Stellen in Essen zu besetzen und Rückgänge auszugleichen. Unterm Strich müssten dann knapp 300 zusätzliche Polizisten in der Ruhrmetropole zusätzlich eingestellt werden. Und das ist nur eine Minimalforderung.“ Personalengpässe gibt es offenbar auch im Tarifbereich, bei dem zwar keine hoheitlichen Aufgaben verrichtet werden, aber dennoch diese Entlastung wegfällt und auf diese Weise zu einer Mehrbelastung der Polizeibeamten führen kann. Jedenfalls sind im Polizeipräsidium Essen in den Jahren 2013 und 2014 Tarifstellen in einer zweistelligen Größenordnung nicht nachbesetzt worden. Vor diesem Hintergrund ist es dringend angeraten, die tatsächliche Personalverfügbarkeit und -struktur im Polizeipräsidium Essen und dort in den einzelnen Direktionen darzustellen. Nur so kann das Parlament eine ausreichende eigene politische Bewertung vornehmen. Dies gilt sowohl etwa für die Frage der Sicherstellung der Qualität polizeilicher Arbeit vor Ort und eines bedarfsgerechten Nachersatzes als auch der Beurteilung der Einsatzreaktionszeiten einer Behörde, für die auch die Anzahl der jeweils zur Einsatzwahrnehmung verfügbaren Kräfte entscheidend ist. Dass eine genaue Angabe der Ist-Besetzung und damit Personalstärke in den einzelnen Kreispolizeibehörden des Landes und den dortigen einzelnen Direktionen bzw. sogar den vorhandenen einzelnen Dienststellen und Wachen möglich ist, zeigen nicht nur die exakt für LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8843 3 jede Polizeibehörde aufgeschlüsselten Pensionierungszahlen und Krankenzahlen, sondern auch die auf Kommastellen ausgewiesenen Durchschnittsalter in den einzelnen Kreispolizeibehörden , wie anderen Landtagsdrucksachen zu entnehmen ist. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von der Landesregierung mit nachfolgenden Fragen die Benennung der tatsächlichen Ist-Besetzung in Gegenüberstellung zu den jeweiligen Soll-Stellenzahlen im Rahmen einer sinnvollen und aktuellen Stichtagsbetrachtung für das Polizeipräsidium Essen und den dortigen einzelnen Direktionen und Dienststellen / Polizeiwachen gewünscht wird. Der Stichtag für landesweite Auswertungen zur Personalsituation in Kreispolizeibehörden mit den sogenannten Funktions- und Verwendungsübersichten (Strukturdaten) ist der 1. Oktober eines Jahres. Die Ergebnisse für das Jahr 2014 liegen demnach bereits seit längerem vor. 1. Wie viele Bedienstete sind jeweils jährlich seit 2010 zum Stichtag 1. Oktober ei- nes Jahres beim Polizeipräsidium Essen beschäftigt gewesen? (bitte sowohl Angabe der zugewiesenen Stellen nach BKV als auch der zum Stichtag tatsächlich beschäftigten Personen mit Kopfzahl sowie Stellenvolumina, jeweils differenziert nach Polizeivollzugsbeamten und Regierungsbeschäftigten) 2. Wie viele Bedienstete sind jeweils jährlich seit 2010 zum Stichtag 1. Oktober ei- nes Jahres beim Polizeipräsidium Essen in den Direktionen Gefahrenabwehr / Einsatz, Kriminalität, Verkehr und zentrale Dienste intern zugewiesen gewesen? (bitte sowohl Stellen nach BKV als auch tatsächlich beschäftigte Personen mit Kopfzahl und Stellenanteilen, differenziert nach Polizeivollzugsbeamten und Regierungsbeschäftigten ) Zur Beantwortung der Fragen 1 bis 2 sind als Anlagen in Tabellenform die Auswertungen der Funktions- und Verwendungsübersichten (Strukturdaten) für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014, jeweils zum Stichtag 01.10, beigefügt. In den Funktions- und Verwendungsübersichten werden Planstellen zusammen mit Kopfzahlen für Polizeivollzugsbeamtinnen/-beamte und Verwaltungsbeamtinnen/-beamte sowie Stellen für Tarifbeschäftigte ausgewiesen. Zur Erläuterung sei weiterhin darauf hingewiesen, dass es sich bei der Zahl der Planstellen nach BKV um eine Planungsgröße handelt, die jährlich für jede Kreispolizeibehörde auf Basis einer angenommenen Gesamtplanstellenzahl von derzeit 37.500 errechnet wird. Der Umfang dieser Berechnungsgröße orientiert sich an der Zahl der tatsächlich vorhandenen Planstellen, ist mit dieser jedoch nicht identisch. Die Anzahl der Planstellen nach BKV stellt somit keinen haushälterischen Wert dar, vielmehr handelt es sich bei ihr um den Maßstab zur Verteilung des real zur Verfügung stehenden jährlichen Nachersatzes. Bei der Betrachtung von Kopfzahlen wird darauf hingewiesen, dass diese im Zusammenhang mit Fragen zur Personalstärke in der Aussagekraft beschränkt sind. Zielführender ist die Betrachtung von Planstellen und Stellen, da nur hierüber das Arbeitszeitvolumen auch von Teilzeitbeschäftigten realistisch abgebildet wird. Häufig stellt die Kopfzahl daher den größeren von beiden Werten dar. Dies beruht auf dem Umstand, dass sich Planstellenanteile , z.B. aufgrund genehmigter Teilzeit, auf mehrere Personen („Köpfe“) verteilen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8843 4 3. Wie viele Bedienstete sind zum Stichtag 1. Oktober 2014 im Polizeipräsidium Essen nicht bzw. nur eingeschränkt einsatzfähig gewesen, beispielsweise aufgrund von Freistellungen nach LPVG, Beurlaubung über 30 Tage, Erkrankung über 30 Tage, Mutter-schutz- und Elternzeit etc.? (Anzahl bitte nach Gründen differenziert ausweisen) In den Funktions- und Verwendungsübersichten (Strukturdaten) sind zum Stichtag 01.10.2014 für Beamtinnen und Beamte (Planstellen) die in der Anlage dargestellten Kriterien erfasst. 4. Wie viele Polizeibeamte dürfen im Gebiet des Polizeipräsidiums Essen aufgrund eines entsprechenden ärztlichen Attestes im Wach- und Wechseldienst bis auf weiteres keinen Nachtdienst verrichten? Mit Stand zum 01.01.2015 besteht beim Polizeipräsidium Essen für 20 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten die Verwendungseinschränkung, nicht im Nachtdienst verwendet werden zu können. 5. Wie haben sich jeweils jährlich seit 2010 zum Stichtag 1. Oktober eines Jahres beim Polizeipräsidium Essen die Überstunden der Polizeivollzugsbeamten und Angestellten entwickelt? (bitte differenzierte Ausweisung der Überstundenzahlen für die Essener Einsatzhundertschaft) Auf Landesebene liegen die erbetenen Daten für den genannten Zeitraum nicht automatisiert abrufbar vor. Eine Erhebung dieser Daten wäre nur mit hohem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich. Die angefallenen Mehrarbeitsstunden des Polizeipräsidiums Essen seit 2010 sowie der Bereitschaftspolizei , Polizeisonderdienste und Spezialeinheiten für das Jahr 2014 können der Vorlage 16/2872 entnommen werden. Anlage zur Beantwortung der Fragen 1-2 der Kleinen Anfrage 3410 (LT-Drs. 16/8619) Jahr Beamte Kopfzahl* Beamte Planstellen* Beamte Planstellen BKV RB Stellen** RB Stellen BKV 2010 1825 1751,53 1811,64 213,90 219,47 2011 1823 1753,94 1803,63 208,45 208,96 2012 1801 1765,48 1797,61 201,68 207,40 2013 1808 1773,75 1804,38 197,60 206,79 2014 1815 1775,88 1787,34 193,89 206,32 Jahr Beamte Kopfzahl* Beamte Planstellen* Beamte Planstellen BKV RB Stellen* RB Stellen BKV 2010 1123 1072,18 1140,01 9,80 2,00 2011 1115 1068,78 1133,84 7,80 2,00 2012 1110 1089,27 1132,40 6,50 2,00 2013 1126 1106,48 1142,26 8,70 2,00 2014 1148 1124,47 1127,48 8,70 2,00 Jahr Beamte Kopfzahl* Beamte Planstellen* Beamte Planstellen BKV RB Stellen* RB Stellen BKV 2010 432 420,79 388,76 44,45 14,00 2011 432 419,96 386,86 48,47 14,00 2012 414 408,82 383,49 42,53 14,80 2013 409 402,70 380,47 41,78 14,80 2014 413 409,17 379,75 43,60 14,80 Jahr Beamte Kopfzahl* Beamte Planstellen* Beamte Planstellen BKV RB Stellen* RB Stellen BKV 2010 126 123,65 154,14 12,31 0,00 2011 131 128,20 154,65 11,81 0,00 2012 130 126,87 154,68 13,08 0,00 2013 126 123,16 154,44 11,84 0,00 2014 121 119,08 153,57 11,89 0,00 Jahr Beamte Kopfzahl* Beamte Planstellen* Beamte Planstellen BKV RB Stellen* RB Stellen BKV 2010 122 112,97 79,73 139,08 194,47 2011 125 117,04 79,27 141,59 183,96 2012 126 119,57 79,04 147,16 181,60 2013 126 120,41 79,21 147,01 180,99 2014 113 109,66 78,54 133,58 180,52 Quellen: * Funktions- und Verwendungsübersichten, jeweils zum 01. Oktober ** Stellenplan Teil III jeweils zum 30. September Polizeipräsidium Essen - Gesamt Polizeipräsidium Essen - Direktion Gefahrenabwehr / Einsatz Polizeipräsidium Essen - Direktion Kriminalität Polizeipräsidium Essen - Direktion Verkehr Polizeipräsidium Essen - Direktion Zentrale Aufgaben Anlage zur Beantwortung der Frage 3 der Kleinen Anfrage 3410 (LT-Drs. 16/8619) Grund der Abwesenheit Anzahl Beamte* Freigestellte Personalratsmitglieder: 3,00 Abordnung größer 2 Monate: 11,00 Krank größer 30 Tage: 23,50 Mutterschutz: 4,63 Ohne Dienstbezüge oder Suspendiert: 9,31 Sonstige Abwesenheit: 4,50 Quellen: * Funktions- und Verwendungsübersichten zum 01. Oktober 2014