LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8846 05.06.2015 Datum des Originals: 05.06.2015/Ausgegeben: 10.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3395 vom 4. Mai 2015 der Abgeordneten Ralf Witzel und Thomas Nückel FDP Drucksache 16/8597 Steuerliche Absetzbarkeit von beruflich bedingten Zeitungsabos bei Journalisten – Warum erschwert der Finanzminister den Erhalt von Qualitätsjournalismus in Zeiten des Umbruchs bei einer zunehmenden Anzahl freier Journalisten? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3395 mit Schreiben vom 5. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Printmedienbereich gibt es aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und eines anderen Nutzerverhaltens seit einigen Jahren einen großen Umbruch. Rückläufige Abonnentenzahlen und damit sinkende Auflagen einerseits und drastisch sinkende Einnahmen durch Anzeigen andererseits setzen sogar viele etablierte Verlage dauerhaft unter Druck. Die Bekanntgabe von Stellenstreichungen und Verkäufen ganzer Zeitungstitel bis hin zur völligen Einstellung von Publikationen sind leider nichts Ungewöhnliches mehr. Auch das Medienland NordrheinWestfalen ist von diesem Umbruch betroffen, in dem viele der wichtigsten Verlagshäuser Deutschlands ansässig sind. Die kontinuierlichen Stellenreduzierungen im Bereich der Printmedien haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich viele Redakteure selbständig gemacht haben und ihre Arbeit als freie Journalisten fortsetzen. Laut des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) ordnete die Arbeitsagentur im Jahr 2011 dem publizistischen und journalistischen Berufsfeld 160.000 Erwerbstätige zu, davon sind 68.300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 68.000 freie Erwerbstätige gewesen. Schon im Jahr 2011 haben die freiberuflich Tätigen also rund die Hälfte aller berufstätigen Journalisten ausgemacht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8846 2 Die Arbeitsumgebungen von angestellten und freien Journalisten unterscheiden sich jedoch beträchtlich, da letztere nicht auf die Infrastruktur zurückgreifen können, die ein Verlag für die Mitglieder seiner Redaktionen bereithält. Die angestellten Journalisten haben innerhalb ihrer Verlagsumgebung nämlich Zugriff auf zahlreiche Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine und Fachzeitschriften sowie E-Paper, um die Berichterstattung über aktuelle politische, rechtliche und wirtschaftliche Entwicklungen in Konkurrenzpublikationen zu verfolgen und zusätzliche Informationen für die eigene journalistische Arbeit zu gewinnen. Davon profitieren letztlich auch die eigenen Leser, die sich durch die umfassende Information eine fundierte Meinung bilden können, ohne selber unterschiedliche Zeitungen zu lesen. Die wachsende Anzahl freier Journalisten verfügt nicht über eine vergleichbare Informationsinfrastruktur wie die angestellten Journalisten in den Redaktionen. Um denselben aktuellen Informationsstand wie letztere zu erreichen, müssen freie Journalisten zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften in Eigenregie im Abonnement beziehen. Diese Abonnements werden aber leider von der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung zunehmend als nicht-abzugsfähige Aufwendungen der privaten Lebensführung im Sinne von §12, Absatz 1 EStG behandelt. Oft wird in diesem Kontext auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30. September 2010 verwiesen, das den Fall eines Redakteurs zum Entscheidungsgegenstand hat, der mehrere Zeitungen und Nachrichtenmagazine bezog (5 K 3976/08 E). Nach Auffassung von Finanzverwaltung und des Bundesfinanzhofs sind allgemeinbildende Zeitungen grundsätzlich vom Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug ausgeschlossen , da keine klare Trennung in eine berufliche und private Nutzung möglich sei (BFH-Urteil vom 7. April 2005, VI B 168/04, BFH/NV 2005 S. 1300). Keine Rubrik oder Seite einer Zeitung enthalte ausschließlich berufliche, sondern stets auch privat nützliche Informationen. Diese Zeitungen befriedigten die Information über das allgemeine Tagesgeschehen als Grundbedürfnis und seien somit durch das steuerliche Existenzminimum abgegolten. Die Anerkennung von Fachzeitschriften als Werbungskosten ist im Vergleich zu Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen grundsätzlich möglich, aber schwierig. Bei Fachzeitschriften müsste in "ausreichend konkreter Form" nachgewiesen werden, dass die Zeitschriften vor allem aus beruflichen Gründen gelesen werden, zum Beispiel müsste der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Fachwissen liegen und die Vermittlung selbst sollte nicht laienhaft sein (FG Münster, Urteil vom 21. Juli 2014, Aktenzeichen 5 K 2767/13 E). Es ist schwer nachvollziehbar, warum bei Journalisten davon ausgegangen wird, dass diese beim Bezug mehrerer Zeitungstitel überwiegend ihr privates Informationsinteresse erfüllen. Für andere Berufsgruppen wie beispielsweise Abgeordnete gilt diese Pauschalvermutung auch nicht. Im Gegenteil: Dort besteht die Möglichkeit, Abonnements über die erste Zeitung hinaus als Werbungskosten abzusetzen. Die ausschließliche berufliche Notwendigkeit der Zeitungslektüre wird pauschal unterstellt. Der Finanzminister sollte daher eine angemessene Neuregelung in Angriff nehmen, die zukünftig die nachvollziehbaren Anliegen freiberuflich tätiger Journalisten umsetzt. 1. Wie ist die unterschiedliche Behandlung von Journalisten im Vergleich zu ande- ren Berufsgruppen bei der Geltendmachung von Zeitungsabonnements als Werbungskosten sachlich zu erklären und zu rechtfertigen? Die bundeseinheitliche Verwaltungsanweisung im BMF-Schreiben vom 06.07.2010 (Bundessteuerblatt 2010 I S. 614, Rz. 3 bis 5, 17) macht eine klare Aussage. Bei einem selbständig tätigen Journalisten gehören Aufwendungen für den Bezug von regionalen wie überregionalen Tageszeitungen, von Wochenzeitschriften nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten i. S. des § 12 des Einkommensteu- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8846 3 ergesetzes (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 07.09.1989 IV R 128/88, Bundessteuerblatt 1990 II S. 19). Diese Grundsätze gelten auch für die anderen Berufsgruppen. 2. Warum sollen die persönlichen Ausgaben eines Journalisten, die dieser zur In- formation und Qualitätssicherung seiner Publikationen tätigt und daher beruflich bedingt sind, aus Sicht des Finanzministers auch weiterhin nicht als persönliche Werbungskosten abzugsfähig sein? Da der Bezug mehrerer Zeitungen bzw. Wochenmagazine nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der persönlichen Lebensführung zuzuordnen ist, sind die Ausgaben hierfür nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, auch wenn die Medien gleichzeitig der Information und Qualitätssicherung der Publikationen des Journalisten dienen. Rein beruflich bedingte Aufwendungen (z.B. für Fachpublikationen) sind steuerlich abzugsfähig . 3. Aus welchen einzelnen Gründen werden die offensichtlichen und teils gravieren- den Veränderungen in der Medienbranche, die objektiv seit der letzten Rechtsprechung auf Bundesebene stattgefunden haben, nicht bei der aktuellen Anwendung des Steuerrechts sachgerecht berücksichtigt? Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen wendet die geltenden bundesgesetzlichen Regelungen unter Beachtung der Rechtsprechung und der Verwaltungsanweisungen sachgerecht an. Inwieweit gravierende Änderungen in der Medienbranche sich auf die steuerrechtliche Abgrenzung zwischen Lebensführungskosten und abzugsfähigen Betriebsausgaben auswirken sollen, wird vom Fragesteller nicht konkretisiert. 4. Aus welchen einzelnen Gründen negiert der Finanzminister bislang bei der Be- handlung von Steuersachverhalten die besondere berufliche Situation der freien Journalisten, die anders als bei Festanstellungen gerade auf die Errichtung einer umfassenden eigenen Informationsinfrastruktur existenziell angewiesen sind? Die vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebene Verwaltungsanweisung hat mit Negierung durch den Finanzminister nichts zu tun. Die steuerrechtliche Abgrenzung abzugsfähiger Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben von den nichtabzugsfähigen Aufwendungen der persönlichen Lebensführung wird im Übrigen nicht anhand eines Vergleichs zwischen den selbständig und nichtselbständig Tätigen einer Berufsgruppe vorgenommen. Bei der Beurteilung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen sind vielmehr die allgemeinen Grundsätze anzuwenden, die für Selbständige und Nichtselbständige gleichermaßen gelten. Diese Grundsätze sind bundesgesetzlich und durch eine bundeseinheitliche Verwaltungsanweisung (siehe oben, Antwort zu Frage 1) festgelegt. 5. Mit welchem nachprüfbaren Erfolg ergreift die Landesregierung jeweils außer- halb des Steuerrechts andere Maßnahmen zur Vielfaltssicherung im Medienbereich ? Die Landesregierung hält eine flächendeckende Versorgung mit einer vielfältigen, pluralen lokalen und regionalen Berichterstattung für unverzichtbar. Mit der Stiftung Vielfalt und Parti- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8846 4 zipation unterstützt sie den Wandel im lokalen und regionalen Journalismus. Die Stiftung wird mit ergänzenden Angeboten dabei helfen, Qualität, Unabhängigkeit und Vielfalt bei der Produktion von Medieninhalten in Nordrhein-Westfalen sicherzustellen. Zu ihren möglichen Aufgabengebieten gehören Forschung über den Transformationsprozess, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und Werbung für guten Lokal- und Regionaljournalismus. Die Stiftung ist bei der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) angesiedelt. Durch die plurale Zusammensetzung der Medienkommission der LfM wird gewährleistet, dass die Stiftung unabhängig arbeitet. Für die Aufgaben der Stiftung stellt die LfM jährlich 1,6 Millionen Euro aus ihrem Anteil am Rundfunkbeitrag bereit, zugleich steht die Stiftung offen für andere Geldgeber.