LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8924 09.06.2015 Datum des Originals: 08.06.2015/Ausgegeben: 12.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3403 vom 4. Mai 2015 der Abgeordneten Christof Rasche, Angela Freimuth und Dirk Wedel FDP Drucksache 16/8611 Entscheidungsfähigkeit des Glücksspielkollegiums und Haftungsfragen im Konzessionsverfahren für Sportwetten Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3403 mit Schreiben vom 8. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Maßgabe der seit 1. Juli 2012 geltenden Fassung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) sollen 20 Konzessionen für private und staatliche Anbieter von Sportwetten vergeben werden. Die Entscheidungen im Vergabeverfahren werden im Glücksspielkollegium, das mit je einem Verwaltungsvertreter je Land besetzt ist, mit 2/3-Mehrheit getroffen. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport wurde mit der Durchführung des Verfahrens von den anderen Ländern beauftragt. Fast drei Jahre nach Inkrafttreten des GlüStV am 1. Juli 2012 sind allerdings nach wie vor keine Konzessionen vergeben und laut Medienberichten ist auch nicht absehbar, wann die Vergabe erfolgen kann. Da bereits fast die Hälfte der auf sieben Jahre begrenzten Laufzeit der Sportwettkonzessionen abgelaufen ist, entsteht zunehmend der Eindruck, dass eine Regulierung des Sportwettenmarktes auf Basis des GlüStV nicht möglich ist. In seiner Entscheidung vom 16. April 2015 (Aktenzeichen 5 L 1448/14.WI) hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden kürzlich das Konzessionsverfahren grundsätzlich in Frage gestellt. Es sei von seiner Konzeption, seinen Anforderungen und vom Verfahrensablauf her intransparent und fehlerhaft und erfülle nicht die Anforderungen an eine zulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Das Gericht formuliert erhebliche Zweifel an der Bindungswirkung der Entscheidungen des Glücksspielkollegiums und dessen bestimmender Stellung im Konzessionsverfahren . Die Beschlüsse des Glücksspielkollegiums seien nach § 9a Abs. 8 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8924 2 GlüStV für das Land Hessen bindend, selbst wenn sie gegen die Stimme des hessischen Mitglieds getroffen werden. Behörden – auch wenn sie mit überregionalen Aufgaben betraut sind –, die nach hessischem Landesrecht tätig werden und Landesstaatsgewalt ausüben, könnten ihre Entscheidungsverantwortung nicht einem Gremium überlassen, das aus Vertretern aller Bundesländer bestehe und dessen bindende Beschlüsse nicht einstimmig, sondern nur mit 2/3-Mehrheit, auch ggf. gegen die Stimme des hessischen Mitglieds, getroffen würden . Die Voten des Kollegiums seien deshalb allenfalls als verwaltungsinterne, unselbständige Mitwirkungshandlungen an der Entscheidungsfindung der hessischen Behörden anzusehen . Das Verwaltungsgericht Wiesbaden kritisiert außerdem die Prüfung und Beschlussfassung des Glücksspielkollegiums und kann keine ordnungsgemäße Prüfung der Konzessionsanträge feststellen. So soll das Kollegium am 9. April 2014 im Umlaufverfahren fünf Bewerber im Konzessionsverfahren abgelehnt haben, obwohl die kompletten Unterlagen hierzu den Mitgliedern des Kollegiums erst nachträglich (Mitte Mai 2014) per USB-Stick zugänglich gemacht wurden. Laut Antwort der hessischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2014 (vgl. Drs. 19/446 Hessischer Landtag) hafte im Falle von erfolgreichen Schadensersatzklagen unterlegener Anbieter im Konzessionsverfahren nicht das Land Hessen allein, sondern alle Bundesländer gemeinsam, da das Glücksspielkollegium verbindlich über die wesentlichen Verfahrensfragen sowie die Konzessionserteilung entscheide. Damit ist auch das Land Nordrhein-Westfalen erheblichen Risiken ausgesetzt. Vorbemerkung der Landesregierung Die Auswahlentscheidung unter den Sportwettanbietern im Konzessionsverfahren ist Gegenstand einer Vielzahl verwaltungsgerichtlicher Verfahren in mehreren Ländern und verschiedenen Instanzen mit unterschiedlichen Ergebnissen. Der erwähnte Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. April 2015 im vorläufigen Rechtschutzverfahren ist in diesen Zusammenhang einzuordnen. Als ländereinheitlich zuständige Behörde für das Konzessionsverfahren nach § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Glücksspielstaatsvertrages vom 15. Dezember 2011 - GlüStV - hat das Hessische Ministerium des Innern und für Sport auch die damit im Zusammenhang stehenden Verwaltungsstreitverfahren zu führen. 1. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der Kritik des Verwal- tungsgerichts Wiesbaden (insbesondere zu den Punkten Konzeption des Konzessionsverfahrens , fehlende Legitimation des Glücksspielkollegiums, Ablehnung von Bewerbern ohne vollständige Prüfung der Unterlagen durch das Glücksspielkollegium)? Das Land Hessen, vertreten durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport, hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. April 2015 Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Es kann sich hierbei auch auf anderslautende Entscheidungen stützen: Das Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg setzt sich im Beschluss vom 12. Mai 2015 - OVG 1 S 102.14 - kritisch mit den in der oben genannten Entscheidung aufgegriffenen Einwänden auseinander und sieht im Gegensatz zu ihr die Anforderungen an das Transparenzgebot und die Diskriminierungsfreiheit als erfüllt an. Auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 17. Februar 2015- 19 K 5808/12) und das Verwaltungsgericht München (Beschluss vom 18. März 2015 - M 16 E 14.4518) haben die Konzeption und Durchführung des Konzessionsverfahrens rechtlich nicht beanstandet. Die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8924 3 Gerichte haben auch keine Zweifel an der Legitimation des Glücksspielkollegiums geäußert. Vor diesem Hintergrund bleibt die weitere rechtliche Klärung abzuwarten. 2. Inwieweit existieren seitens der Landesregierung - vor dem Hintergrund der im Verfahren aufgetretenen Probleme - Überlegungen bzw. konkrete Planungen für eine Neuausschreibung der Konzessionen bzw. eine Verlängerung der Experimentierklausel ? Aktuellen Anlass zu konkreten Planungen für Änderungen des noch nicht abgeschlossenen Konzessionsverfahrens vor Klärung durch die Gerichte sieht die Landesregierung zurzeit nicht. Vergleiche auch die Antwort zur Frage 1. 3. Teilt die Landesregierung die Bedenken des Verwaltungsgerichts bezüglich der nicht vorhandenen Bindungswirkung der Entscheidungen des Glücksspielkollegiums , soweit diese mit 2/3-Mehrheit und nicht einstimmig getroffen wurden? (Antwort bitte begründen.) Die rechtliche Bewertung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden im vorläufigen Rechtschutzverfahren wird zurzeit im Beschwerdeverfahren vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof überprüft. Des Weiteren weist etwa das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 3. Juli 2014 - 4 K 1368/13 - ausdrücklich insoweit rechtliche Bedenken zur Bindungswirkung zurück . Vergleiche im Übrigen die Antwort zur Frage 1. 4. In welcher Höhe wird das Land Nordrhein-Westfalen an den im Rahmen des Konzessionsverfahrens beim Hessischen Innenministerium entstandenen Kosten für externe Prozessvertretung und -beratung beteiligt? (Bitte Kosten separat nach Prozess- und Beratungskosten aufschlüsseln). Die Kosten für das Sportwettkonzessionsverfahren einschließlich der Prozess- und Beratungskosten entstehen zunächst beim Land Hessen, das nach § 9a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Glücksspielstaatsvertrag für die Länder zuständig ist. Nach § 20 S. 1 und 2 der Verwaltungsvereinbarung Glücksspielstaatsvertrag vom 23. Mai 2012 - VwVGlüStV - werden die Kosten der ländereinheitlichen Verfahren mit ggf. erzielten Einnahmen aus den Verwaltungsgebühren verrechnet und nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt. Die Angaben zur Höhe der Kosten werden nach den jährlich aufzustellenden Wirtschaftsplänen in vereinfachter Form - hier vom Land Hessen - dargelegt. Die vorgelegten Wirtschaftspläne wiesen für die Jahre 2012 bis 2014 unter dem Titel „Anwaltsgebühren “ Ausgaben in Höhe von insgesamt 92 181 EUR aus, davon 91 181 EUR im Jahr 2012 und 1 000 EUR für das Jahr 2014. Für Nordrhein-Westfalen errechnet sich ein Anteil von 19 560,98 EUR. Eine Unterteilung dieser Kosten in Prozess- und Beratungskosten ist in den Wirtschaftsplänen nicht vorgesehen . Nach den Erläuterungen zum Wirtschaftsplan beinhalten die Anwaltsgebühren für 2012 die Begleitung der Stufe 1 des Konzessionsverfahrens durch die beauftragten Rechtsanwälte und als „Platzhalter“ 1 000 EUR für 2014. In den Erläuterungen werden des Weiteren vom Land Hessen die Kostenrisiken der Beauftragung der Prozessführung im Rahmen der Stufe 2 des Konzessionsverfahrens auf „ca. 900 000 EUR“ geschätzt. Nach Erteilung der Konzessionen können die Verwaltungsgebühren zur Deckung der Kosten erhoben werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8924 4 5. Haftet der Rechtsbeistand, der das Hessische Innenministerium (stellvertretend für das Glücksspielkollegium) in den Verwaltungsverfahren vertritt und im gesamten Vergabeverfahren unterstützt, für fehlerhafte Rechtsberatung im Konzessionsverfahren ? Die Ausgestaltung des in der Frage angesprochenen Vertragsverhältnisses obliegt dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport als der verfahrensführenden Behörde, die allein nach außen handelt. Sofern mit der Frage unterstellt werden soll, dass den Rechtsbeiständen von ihrem hessischen Auftraggeber fehlerhafte Rechtsberatung im Konzessionsverfahren vorgeworfen werden könnte, liegen der Landesregierung hierzu keine Anhaltspunkte vor. Sollten sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, so müsste das Hessische Ministerium des Innern und für Sport jedoch Ansprüche im Rahmen der Anwaltshaftung prüfen und ggf. verfolgen.