LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8951 12.06.2015 Datum des Originals: 11.06.2015/Ausgegeben: 17.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3420 vom 8. Mai 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/8634 Land wird nach fehlgeschlagenem Polizeieinsatz am 19. Juni 2011 auf Schadensersatz verklagt. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3420 mit Schreiben vom 11. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den Abendstunden des 19. Juni 2011 fand in Köln ein SEK Einsatz statt, der derzeit sowohl juristisch wie medienöffentlich aufgearbeitet wird: Der Kölner Geschäftsmann K. P. soll seine Ehefrau, mit der er in Trennung lebte und um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter stritt, mit dem Tod bedroht haben. Nachdem er seine Firma am Kölner Großmarkt verlässt und mit seinem Wagen wegfahren will, versuchen SEK Beamte ihn aufzuhalten bzw. zu stellen. Der Zugriff geht schief. Eine Sicherheitskamera hat den Vorfall festgehalten. Ohne erkennbare Schutzkleidung und ohne jegliche Kennzeichnung, die sie als Polizeibeamte erkenntlich machen, stürmen drei SEK-Beamte vor. Das Überwachungsvideo, welches der Kölner Stadt Anzeiger auf seiner Homepage veröffentlicht hat, lässt die Vermutung zu, dass auf das Fahrzeug ein Schuss abgefeuert wird. Daraufhin wehrt sich K. P. ebenfalls mit einem Schuss. Insgesamt 100 Schüsse werden im Anschluss auf das fliehende Fahrzeug abgegeben, ehe es zum Stehen kommt. K. P., der nach eigener Aussage einen Raubüberfall vermutete, wird fünf Mal getroffen und überlebt schwer verletzt. Die nachfolgenden Ermittlungsergebnisse, Aussagen und der Kameramitschnitt stehen nun im Widerspruch zum offiziellen Polizeibericht: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8951 2 - K. P. habe das Feuer eröffnet, behaupten die Beamten. Ein Video legt einen anderen Verdacht nahe. - Obwohl K. P. bereits zwei Stunden observiert wird, findet der Einsatz als „Notzugriff“ statt. - K. P. habe mehrfach zurückgeschossen, behaupten mehrere SEK-Beamte. Doch nur eine einzige Patrone fehlt. Ein Sachverständiger hat keine Schmauchspuren im Wagen von P. feststellen könne. - Ein Polizeibeamter macht eine Aussage, die die offizielle Version unterstützt. Der Beamte ist zum Zeitpunkt des Zugriffs aber nachweislich nicht am Tatort. Die erneute Beweisaufnahme ist kaum möglich, da Beweisstücke wie das Auto oder das Hemd von P. nicht mehr existieren. P. verklagt das Land NRW nun auf Schadensersatz. Dieser wird im Kölner Stadt Anzeiger mit den Worten zitiert: „Der SEK-Einsatz ist aus dem Ruder gelaufen. Das, was bisher zu den Ermittlungsakten gelangt ist, dokumentiere lediglich, dass vieles im Dunkeln bleibt.“ Vorbemerkung der Landesregierung Aus Anlass des mit der Kleinen Anfrage angesprochenen Schusswechsels am 19.06.2011 hat die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags zum Nachteil von Polizeibeamten und Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet und am 20.06.2011 gegen den Fahrer des PKW den Erlass eines Haftbefehls erwirkt. Der Haftbefehl wurde am 26.11.2011 vom Amtsgericht Köln zunächst außer Vollzug gesetzt. Am 15.12.2012 hat die Staatsanwaltschaft Köln wegen der oben genannten Tatvorwürfe die öffentliche Klage zur Großen Strafkammer des Landgerichts in Köln erhoben. Das Landgericht Köln hat am 29.11.2013 den Haftbefehl aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufgehoben. Über die Zulassung der Anklage ist noch nicht entschieden. Der Fahrer des Pkw hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12.11.2014 wegen des Schusswechsels Strafanzeige gegen namentlich nicht benannte Polizeibeamte u.a. wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung im Amt erstattet. Die diesbezüglichen Ermittlungen wurden durch das Landeskriminalamt gemäß § 7 Absatz 5 Polizeiorganisationsgesetz NRW dem Polizeipräsidium Aachen übertragen. Entsprechend hat mit Datum vom 05.12.2014 die Generalstaatsanwältin in Köln gemäß § 145 Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes den Leitenden Oberstaatsanwalt in Aachen mit der Wahrnehmung der Amtsverrichtungen in dieser Ermittlungssache betraut. Weitere Ausführungen zu dem laufenden Ermittlungsverfahren werden nicht gemacht, um den Ermittlungszweck nicht zu gefährden. Dasselbe gilt wegen des unmittelbaren Zusammenhangs beider Verfahren auch für das bereits anhängige Strafverfahren. 1. Warum ist der Einsatz am 19. Juni 2011 dermaßen eskaliert? Eine Bewertung der Einsatzabläufe kann erst unter Berücksichtigung der Ergebnisse der anhängigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und gerichtlichen Verfahren erfolgen. 2. Gab es interne Konsequenzen nach dem Vorfall? siehe Vorbemerkungen und Antwort zu Frage 1. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8951 3 3. Hält die Landesregierung die Zweifel am offiziellen Einsatzbericht für gerechtfertigt ? siehe Vorbemerkungen und Antwort zu Frage 1. 4. Wieso braucht ein SEK 100 Kugeln, um einen Wagen zu stoppen? (Mit welchen Waffen wurde auf den Wagen geschossen?) Die Schussabgaben sind Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen und daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu bewerten. Die Landesregierung veröffentlicht keine Details zur Bewaffnung der Spezialeinsatzeinheiten . 5. Warum durchdringen Polizeiwaffen auf 3m Distanz keine handelsüblichen Auto- scheiben? Die bei der Polizei verwendete 9mm Munition durchschlägt grundsätzlich Fahrzeugscheiben, auch bei häufig im Fahrzeug-Premiumsegment verwendeter Verbundglasausstattung.