LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8961 15.06.2015 Datum des Originals: 15.06.2015/Ausgegeben: 18.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3453 vom 20. Mai 2015 der Abgeordneten Ina Scharrenbach und Christian Haardt CDU Drucksache 16/8754 Ist es seitens der Landesregierung Nordrhein-Westfalen beabsichtigt, Alternativschulen auf kaltem Wege von Instrumenten des „Neuen Übergangssystems Schule-Beruf NRW/Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA)“ auszuschließen? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage3453 mit Schreiben vom 15. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit , Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Ausbildungskonsens Nordrhein-Westfalen und Landesregierung Nordrhein-Westfalen haben mit dem „Neuen Übergangssystem Schule-Beruf NRW/Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA)“ Standardelemente eingeführt, die verbindlich von allen Schulen unseres Landes sukzessive durchgeführt werden müssen. Diese Standardelemente sind teils an die Jahrgangsstufe gebunden. Diese Jahrgangsstufeneinteilung mag für Regelschulen eine sinnvolle Vorgabe sein, für Alternativschulen führt diese verbindliche Festschreibung von Jahrgangsstufen dazu, dass sie einzelne Standardelemente nicht durchführen können. Das steht der Intention von KAoA diametral entgegen und untergräbt das Engagement von Lehrern/-innen und die Motivation von Schüler/-innen. Gleichzeitig ist die Ministerialbürokratie nicht in der Lage, über Anfragen zu betroffenen Schulen abweichend zu entscheiden und eine pragmatische Lösung zu finden. Eine der bewilligten Schulen nach KAoA ist die Rudolf-Steiner-Schule in Bochum, eine freie Waldorfschule. Die Schule zeigt nach unserer Kenntnis eine sehr engagierte Berufswahlvorbereitung und setzt die Angebote und Elemente verantwortlich ein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8961 2 Die abweichende Schulkonzeption der Waldorfschulen führt zu einer veränderten Vorgehensweise , verteilt auf die Jahrgangsstufen. Die Fachoberschulreife (oder auch andere Abschlüsse der Sekundarstufe I) wird erst in Jahrgangsstufe 11 erreicht, die ersten Schulentlassungen finden jedoch in jedem Fall - unabhängig vom Abschluss - frühestens nach Jahrgangsstufe 12 statt. Die Allgemeine Hochschulreife ist wie an Gesamtschulen nach Jahrgangsstufe 13 zu erreichen. Aus Sicht der Schule und nach meiner Auffassung folgerichtig hat die Schule ihre Jahrgangsstufe 10 in die Potenzialanalysen einbezogen, d.h. die Jahrgangsstufe, die im dritten Jahr vor der Schulentlassung steht. Das Schulentlassjahr ist also identisch mit allgemeinen öffentlichen Schulen, die in ihrer Jahrgangsstufe 8 die Potenzialanalyse durchführen und nach Jahrgangsstufe 10 entlassen. Das Berufswahlvorbereitungskonzept von Alternativschulen und sicherlich auch der RudolfSteiner -Schule ist für die Jahrgangsstufen 10, 11 und 12 dem entsprechend auch vergleichbar mit der Zeitstruktur öffentlicher Schulen für die Jahrgangsstufen 8 bis 10. Die Potenzialanalysen passen fachlich an solchen Schulen somit in die Jahrgangsstufe 10, aber eben nicht in die Jahrgangsstufe 8 – denn die Schülerinnen und Schüler stehen an Alternativschulen in dieser Jahrgangsstufe fünf Jahre vor der Schulentlassung! Es kann nicht sinnvoll sein, hier auf Einbeziehung der Jahrgangsstufe 8 zu bestehen. Auf Rückfrage der Landesgewerbeförderstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH) bei zwei Landesministerien wurde die Fragestellung abschlägig entschieden, ob die Rudolf-Steiner-Schule ihre Jahrgangsstufe 10 in die Potenzialanalysen einbeziehen kann. Vorbemerkung der Landesregierung Das Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss – KAoA“ ist Teil eines präventiven Politikverständnisses und schafft für alle Schulen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen einen verbindlichen Rahmen für die Gestaltung des Übergangs von der Schule in Ausbildung oder Studium. Dieser Rahmen ist auf Landesebene mit den Partnern im Ausbildungskonsens NRW abgestimmt und wird seit 2012 schrittweise in ganz Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Für die Schulen ist das Handlungsfeld „Berufs- und Studienorientierung“ mit „Kein Abschluss ohne Anschluss“ nicht mehr abhängig von Einzelaktivitäten oder kurzfristigen Projektbewilligungen . Das Gesamtsystem der Berufs- und Studienorientierung, beginnend in der 8. Jahrgangsstufe , bildet vielmehr die Basis, auf der alle Schulen aller Schulformen ihre Ansätze auf- und ausbauen können. Für das Gelingen dieses Vorhabens sind das Engagement der Lehrkräfte und ihre Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern und deren Erziehungsberechtigten sowie weiterer Partner im Übergang von zentraler Bedeutung. Im Landesvorhaben werden u. a. 21 Standardelemente mit festgelegten Mindestanforderungen umgesetzt. Der Ausbildungskonsens NRW hat sich 2011 darauf verständigt, dass die Berufs- und Studienorientierung in Klasse 8 mit einer Potenzialanalyse beginnt und die Ergebnisse dieser Potenzialanalyse im weiteren Beratungs- und Orientierungsprozess, z. B. hinsichtlich der Berufsfelderkundungen und Praktika, genutzt werden. Die Potenzialanalyse, Berufsfelderkundung, Portfolioinstrument und Praxiskurse als Standardelemente im Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss“ werden aus Mitteln des Bundes (BOP-Mittel), des Landes (ESF-Mittel) und der Regionaldirektion NRW der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8961 3 Die Förderregelungen für die Potenzialanalyse (100 € pro Schülerin bzw. Schüler) sehen vor, dass die Durchführung in Nordrhein-Westfalen einheitlich in allen Schulformen in Jahrgangsstufe 8 stattfindet. 1. Wie gedenkt die Landesregierung, diese Problematik für Alternativschulen grundsätzlich zu lösen (sowohl für die Potenzialanalyse wie für andere Standardelemente von KAoA)? Das Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss“ wächst seit 2012 in jährlichen Stufen . Erst im Schuljahr 2018/2019 werden alle weiterführenden öffentlichen Schulen an „Kein Abschluss ohne Anschluss“ teilnehmen. Die nicht-öffentlichen Schulen können „Kein Abschluss ohne Abschluss“ freiwillig auf Antrag und in der landesweit verbindlich vorgegebenen Form übernehmen. Dies haben bereits mehrere Waldorfschulen in verschiedenen Regierungsbezirken getan. Eine Anpassung des Landesvorhabens in der jetzigen Phase des Aufwachsens und ohne Vorlage und Auswertung von Evaluationsergebnissen ist nicht vorgesehen. 2. Ist die Landesregierung in der Lage, die Ministerialbürokratie kurzfristig anzu- weisen, dem Anliegen der genannten Schule (ggfls. sind weitere Schulen in NRW betroffen) zu entsprechen? Hinsichtlich der Fördermöglichkeiten besteht kein Ermessensspielraum. Eine Änderung der zeitlichen Durchführung der verschiedenen Standardelemente in unterschiedlichen Schulformen kann frühestens nach dem Vorliegen von Evaluationsergebnissen diskutiert und im Rahmen des Ausbildungskonsenses beschlossen werden.