LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9047 19.06.2015 Datum des Originals: 19.06.2015/Ausgegeben: 24.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3445 vom 21. Mai 2015 der Abgeordneten Holger Ellerbrock, Yvonne Gebauer und Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/8745 Warum werden Lehrkräfte an Berufskollegs von der sogenannten VOBASOF ausgeschlossen ? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3445 mit Schreiben vom 19. Juni 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Erfolgreiche Inklusion bedarf der besonderen Qualifikation der Lehrkräfte. Diejenigen allgemeinen Lehrerinnen und Lehrer, die inklusiv arbeiten wollen bzw. sollen, müssen vor Beginn der inklusiven Arbeit umfassend sonderpädagogisch fortgebildet werden – auch wenn eine solche Fortbildung sonderpädagogische Fachkräfte nicht ersetzen kann. Gegenwärtig beklagen Pädagoginnen und Pädagogen massiv unzureichende und zu späte Fortbildung. Gleichzeitig kann der benötigte sonderpädagogische Fachkräftebedarf offenkundig auch nicht durch die sogenannte VOBASOF (Verordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung zum Erwerb des Lehramts für sonderpädagogische Förderung) gedeckt werden. Dies verdeutlicht eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP (Drucksache 16/7199). Generell steht die FDP dieser „sonderpädagogischen Zusatzausbildung“ bekanntlich inhaltlich kritisch gegenüber; auch wurde diese berufsbegleitende Ausbildung von Wissenschaftlern deutlich abgelehnt und andere Bundesländer haben auf ein solches Vorgehen verzichtet. Unabhängig davon, wie die VOBASOF qualitativ zu bewerten ist, stellen sich in diesem Zusammenhang jedoch Fragen bezüglich der Inklusion an Berufskollegs. Ab dem Schuljahr 2016/17 greift dort der grundsätzliche Rechtsanspruch zum Besuch einer allgemeinen Schule . In der Vergangenheit haben sich laut Rückmeldungen zahlreiche Berufsschullehrerinnen und -lehrer für diese berufsbegleitende Ausbildung beworben. Sie sind allerdings abgelehnt worden. Als Begründung wurde demnach angeführt, die Lehrkräfte wären bereits im Höheren Dienst und damit von dieser „sonderpädagogischen Ausbildung“ ausgeschlossen. Dies LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9047 2 ist auch insofern überraschend, als dass die VOBASOF auf § 3 des Lehrerausbildungsgesetzes verweist und hierin das Lehramt für Berufskollegs explizit genannt ist. Gleichzeitig hat die Landesregierung in der genannten Antwort jedoch erklärt: „Seit dem 01.02.2013 werden an Förderschulen, Grundschulen, Schulen der Sekundarstufe I und an Ersatzschulen Lehrkräfte weiterqualifiziert.“ Vor dem Hintergrund der an Schuljahr 2016/2017 beabsichtigten inklusiven Beschulung an Berufskollegs verwundern diese Ablehnungen interessierter Lehrkräfte. Dies zumal, da die bereitgestellten Kapazitäten – unabhängig von den angesprochenen qualitativen Aspekten – offensichtlich überhaupt nicht ausgeschöpft werden. 1. Warum werden die Berufskollegs laut genannter Antwort des MSW bzw. laut Rückmeldungen von der VOBASOF ausgeschlossen, wenn das Lehramt an Berufskollegs in der entsprechenden Verordnung indirekt genannt wird? 2. Sind Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für das Berufskolleg an der genannten berufsbegleitenden Ausbildung beteiligt (wenn ja, bitte aufschlüsseln wie viele)? 3. Warum werden Lehrerinnen und -lehrer laut Rückmeldungen mit der Begrün- dung des Höheren Dienstes bei der VOBASOF nicht berücksichtigt? Die Teilnahmevoraussetzungen sind in § 2 der Verordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung zum Erwerb des Lehramts für sonderpädagogische Förderung (VOBASOF) vom 20. Dezember 2012 (GV.NRW, S. 4) geregelt. Hier werden Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber definiert sowie Anforderungen an Schulen. Zu den personenbezogenen Voraussetzungen zur Teilnahme an der Ausbildung für das sonderpädagogische Lehramt gehört es, dass die Bewerberin oder der Bewerber bereits über eine Lehramtsbefähigung für ein anderes Lehramt nach nordrhein-westfälischem Recht verfügt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1). Insofern differenziert die Verordnung zur Ausbildung nicht zwischen verschiedenen Lehrämtern und erfasst grundsätzlich auch Inhaberinnen und Inhaber der Befähigung für das Lehramt an Berufskollegs. § 2 der VOBASOF definiert jedoch weitere Zugangsvoraussetzungen, die in jedem Fall kumulativ zu erfüllen sind. Dazu gehört insbesondere die Übertragung eines bestimmten Aufgabenprofils und einer entsprechenden Stelle für Lehrkräfte mit sonderpädagogischem Lehramt , die nicht durch grundständig ausgebildete Lehrkräfte mit sonderpädagogischem Lehramt besetzt werden konnte. Ausschreibungen solcher Stellen für Neu-Einstellungen erfolgen in aller Regel an allgemeinbildenden Schulen, insbesondere an Grund- und Förderschulen. Bewerberinnen und Bewerber mit einer Lehramtsbefähigung für das Berufskolleg werden hier nicht eingestellt werden können, da sie die übrigen schulform- bzw. schulstufenbezogenen Voraussetzungen für einen Einsatz in diesen Schulformen nicht erfüllen. Davon zu trennen ist die Frage, ob Lehrkräfte, die bereits an einem Berufskolleg tätig sind, an der Ausbildung nach der VOBASOF teilnehmen können. Dies hängt nicht entscheidend davon ab, ob diese Lehrkräfte verbeamtet sind, und ob sie einer Laufbahn des „höheren Dienstes“ angehören. Diese Lehrkräfte werden aber in aller Regel nicht auf einer Stelle für Lehrkräfte mit sonderpädagogischem Lehramt beschäftigt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 VOBASOF). Insofern ist die – an entsprechende Stellen gebundene - Ausbildung für das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9047 3 sonderpädagogische Lehramt nach der VOBASOF zu unterscheiden von reinen Fortbildungsmaßnahmen . 4. Welche spezifisch inklusionsvorbereitenden Fortbildungsangebote für Berufs- kolleglehrerinnen und -lehrer werden gegenwärtig angeboten? 5. Wie ist sichergestellt, dass der grundsätzliche Rechtsanspruch für Berufskollegs in Kraft tritt und Lehrkräfte nicht wie in der Primar- und Sekundarstufe I für diese wichtige Aufgabe unzureichend fortgebildet sind? Die fünf Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster bieten in eigener Verantwortung mit lokalen Ausprägungen die Fortbildung „Berufliche Bildung bei besonderem Förderbedarf“ an. Auf dieser Basis und auf Basis der Gutachten von Prof. Dr. Klaus Klemm und Prof. Dr. H. Kremer wird das Schulministerium so zeitnah wie möglich Eckpunkte vorstellen, welche Konsequenzen aus den Gutachten gezogen werden sollen. In diesem Rahmen soll ein zukünftiges Konzept entwickelt werden. Für die bereits ausgebildeten Lehrkräfte, die sich auf die veränderten Aufgaben in einem inklusiven Schulsystem vorbereiten möchten, hat das Land Nordrhein-Westfalen zudem eine besondere Fortbildungsmaßnahme unter dem Titel „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ installiert. Diese konzentriert sich auf den Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen – Förderschwerpunkt Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache. Hierfür wurden bisher landesweit 300 Moderatorinnen und Moderatoren ausgebildet, weitere werden folgen. Die Fortbildungen zum Thema Inklusion wurden im Schuljahr 2013/14 von insgesamt 28.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht.