LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9063 23.06.2015 Datum des Originals: 19.06.2015/Ausgegeben: 26.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3455 vom 18. Mai 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/8756 Digitale Chancengleichheit der nordrhein-westfälischen Kommunen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3455 mit Schreiben vom 19. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft , Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und der Ministerin für Bundesangelegenheiten , Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Gemeinsam mit dem Geographischen Institut der Universität Bonn untersuchte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), wie fortgeschritten die Digitalisierung in den 25 bevölkerungsreichsten Städten Deutschlands bereits ist. Erfasst wurden 20 Kriterien, wie "Verwaltung und Politik", "Kommunikation", "Infrastruktur" oder "Energie". Insgesamt konnten 20 Punkte erreicht werden. Nach dieser Studie habe die Stadt Köln (16,4 Punkte) die beste digitale Infrastruktur. Die zweite NRW-Stadt Bonn landet dabei mit 15,1 Punkten auf Platz 4, dicht hinter München (15,5 Punkte) und Hamburg (15,6 Punkte) und deutlich vor Städten wie Düsseldorf (13,8 Punkte), Leipzig (13,6 Punkte) oder Berlin (13,5 Punkte). Laut PricewaterhouseCoopers ist eine entwickelte digitale Infrastruktur für die Kommunen schon heute ein zentraler Standortfaktor - ihre Attraktivität für Bewohner, Arbeitnehmer und Unternehmen hänge entscheidend von ihrem Digitalisierungsfortschritt ab. Kennzahlen der 10 Ranking-Gewinner demonstrieren das: So wuchs die Bevölkerung der Städte auf den Plätzen eins bis zehn durchschnittlich um 3,9 Prozent und damit fast doppelt so stark wie in den anderen Städten (2,0 Prozent). Dies gilt auch für die Beschäftigungszahlen oder den Anteil an Hochqualifizierten (20,2 gegenüber 14,7 Prozent). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9063 2 Neben den 25 bevölkerungsreichsten Städten wurden mehr als 200 weitere Orte und Landkreise zum Stand der Digitalisierung befragt. Ein Sprecher von PwC bemängelte, dass die Digitalisierung zwar als wichtige Zukunftsaufgabe erkannt worden sei, oftmals aber nur solche Online-Dienste angeboten würden, die vergleichsweise leicht zu etablieren seien. Seltener seien dagegen komplexere Serviceleistungen. Nur in neun der 25 untersuchten Städte könnten Bürger zum Beispiel einen Anwohnerparkausweis online beantragen. OnlineGewerbeanmeldungen , die etwa in den Vereinigten Staaten seit Jahren zum Standard zählen , biete nur Bremen an. 64 Prozent der befragten Kommunen nennen die angespannte Haushaltslage als wesentliches Hindernis für eine weitere Digitalisierung. Auch der Ausbau des Breitbandnetzes sei ein zentrales Problem. Deutschland liege im internationalen Vergleich in diesem Punkt deutlich zurück. Von den im Detail untersuchten Städten halten lediglich Bonn und Köln für 95 Prozent der Haushalte ein Breitbandnetz von mindestens 50 Mbit/s vor. Das Geographische Institut der Universität Bonn befürchtet, dass die digitale Kluft zwischen den fortschrittlichen Kommunen und denen, die die Digitalisierung nicht systematisch in Angriff nehmen, sich weiter vertiefe. Noch fehle den meisten Kommunen ein klares Konzept, um das Thema Digitalisierung anzugehen . Meist werde Digitalisierung als Querschnittthema, nicht aber als eigenständiger Sachbereich verstanden. 20 der 25 im Detail untersuchten Städte verfügten weder über einen Digitalisierungsbeauftragten noch über eine entsprechende Strategie. Digitalisierung müsse als Organisationsaufgabe verstanden und Verwaltungsvorgänge aus Sicht des Bürgers völlig neu gedacht werden. Ziel sollte es dabei sei, den Gang zur Behörde vollständig digital zu ersetzen. Aktuell hat Bayerns Finanzminister im bayerischen Landeskabinett den Entwurf für ein Bayerisches eGovernment-Gesetz als wichtige Säule der Gesamtstrategie BayernDigital vorgestellt . Das neue Gesetz soll die Basis für die digitale Kommunikation mit der Verwaltung werden . Bayern übernehme mit dem Gesetzentwurf eine Vorreiterrolle in Deutschland. Während die bisherigen Initiativen in Bund und Ländern vor allem nach innen, auf die Verwaltung ausgerichtet seien, stünden im bayerischen Gesetz Bürger, Unternehmen und Kommunen im Mittelpunkt . Das Gesetz schaffe die Voraussetzung für eine digitale Rendite von bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Bayern verankere mit dem Gesetzentwurf erstmals digitale Rechte für Bürger und Unternehmen. Behördengänge sollen rund um die Uhr, sieben Tage die Woche ermöglicht werden. Dazu liefert jetzt der Gesetzentwurf die rechtlichen Voraussetzungen. Das eGovernment-Gesetz soll die Rechte auf eine digitale Unterschrift, auf ein digitales Verwaltungsverfahren , auf digitales Bezahlen, digitale Nachweise, digitale Rechnungsstellung und das Recht von Bürgern und Unternehmen auf sichere, verschlüsselte Kommunikation mit der Verwaltung regeln. Bei all diesen Anwendungen solle die Kommunikation mit den Behörden zentral und sicher über das BayernPortal laufen. Dadurch werde digitale Chancengleichheit in ganz Bayern geschaffen. Gleichzeitig soll durch das Gesetz für die digitale Zusammenarbeit von Freistaat und Kommunen ein flexibler Rechtsrahmen geschaffen werden. Der Freistaat könne dann den Kommunen künftig zum Ausbau digitaler Angebote zentrale Basisdienste zur Verfügung stellen (digitale Bezahlmöglichkeiten , ein Bürgerkonto oder einen Postkorb). Zusätzliche Akzente soll das Gesetz mit der Modernisierung des Datenschutzes in Bayern und der Einrichtung eines Frühwarnsystems für IT-Sicherheitsvorfälle in der Verwaltung setzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9063 3 Die zehn neuen Artikel ersetzen oder vereinfachen mehr als 40 bestehende Formvorschriften . So werde ein zusätzlicher Beitrag zum Bürokratieabbau geleistet. Der Gesetzentwurf werde in den nächsten Wochen mit den bayerischen Verbänden diskutiert . Es soll noch vor der Sommerpause dem Landtag zugeleitet werden und noch im laufenden Jahr in Kraft treten. 1. Wie bewertet die Landesregierung angesichts der Ergebnisse der aktuellen PwC- Studie die digitale Zukunftsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Kommunen? Die zitierte Studie vergleicht anhand von 20 Indikatoren den „Digitalisierungsstand“ der 25 bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands. Insofern erlaubt sie - unabhängig von einer Bewertung der zugrunde gelegten Indikatoren - keine eindeutigen Rückschlüsse auf die „digitale Zukunftsfähigkeit“ der Kommunen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland insgesamt . Immerhin belegen aber nordrhein-westfälische Städte in dem „DigitalisierungsRanking “ die Plätze 1, 4, 5 und 8. Die Landesregierung sieht das als ein Zeichen dafür, dass auch auf der kommunalen Ebene in Nordrhein-Westfalen die Herausforderungen einer digitalen Gesellschaft erkannt und in Angriff genommen werden. Neben dem Ranking der 25 bevölkerungsreichsten Städte fasst die Studie aber auch die Ergebnisse aus einer Befragung zusammen, an der sich bundesweit Entscheidungsträger aus über 200 Kommunen beteiligt haben. Diese Ergebnisse sind nicht nach Ländern aufbereitet , sondern nach Regionen (Nord, Ost, Süd, West). In der Region West schätzen 68% der Kommunen ihren „digitalen Entwicklungsstand“ als hoch ein, der Bundesdurchschnitt liegt bei 57 %. Auch hierin sieht die Landesregierung ein positives und ermutigendes Signal. 2. Wie will die Landesregierung eine digitale Chancengleichheit aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen gewährleisten? Der weltweite Datenverkehr steigt stark an. Prognosen gehen von einer jährlichen Steigerung von 30 % in den nächsten Jahren aus. Neue Anwendungen der digitalen Transformation , wie das Internet der Dinge oder auch Industrie 4.0, Cloud Computing, E-Government, Web-TV oder E-Health, tragen zum Anstieg des Datenvolumens bei. Es werden daher künftig Endkundenzugänge mit Übertragungsraten von mindestens 100 Mbit/s als Standard notwendig sein. Dabei ist der Landesregierung durchaus sehr bewusst, dass der NGN (Next Generation Network) -Ausbau in Kommunen mit nicht wirtschaftlich erschließbaren Ausbaugebieten eine besondere Herausforderung ist. Das in der Breitbandstrategie des Landes verankerte Ziel der flächendeckenden Grundversorgung ist – mit Ausnahme einiger verbliebener weißer Flecken - nahezu erreicht. Priorität hat für die Landesregierung nun der Ausbau der Hochleistungsnetze mit einer Datenübertragungsrate von 50 Mbit/s bis zum Jahre 2018 gemäß den Zielen des Koalitionsvertrages für den flächendeckenden Breitbandausbau. Hier ist die Politik nicht der maßgebende Akteur. Der Ausbau erfolgt grundsätzlich durch die am Markt agierenden Infrastrukturanbieter . Gleichwohl wird die Landesregierung den Ausbau im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen . Denn staatliches Handeln ist nur dort gefordert und sinnvoll, wo der Markt versagt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9063 4 Handlungsfelder der Landesregierung:  Runder Tisch Zukunft Breitband-NGA-Netzausbau in NRW Zur Unterstützung eines forcierten Ausbaus hochleistungsfähiger Breitbandnetze gemäß Koalitionsvereinbarung hat die Landesregierung unter Federführung des MWEIMH und Beteiligung der Staatskanzlei, MBWSV, MIK, MKULNV mit Kabinettsbeschluss vom 12. November 2013 einen „Runden Tisch Breitbandausbau“ eingerichtet. Ziel des Runden Tisches zum Breitbandausbau ist, Maßnahmen und Hilfestellungen für Kommunen zu entwickeln und Hemmnisse beim Breitbandausbau abzubauen und Synergien beim BB-Ausbau zu nutzen.  Information und Beratung durch das BreitbandConsulting NRW: - Beratung und Unterstützung: Kommunen, Landkreise, Gebietskörperschaften, kommunale Versorgungsunternehmen und weitere öffentliche Einrichtungen werden bei der Initiierung und Durchführung von Breitbandprojekten unterstützt. - Vernetzung: Unternehmen der TK-Wirtschaft, Energieversorger und kommunale Versorgungsunternehmen sowie weitere Unternehmen, die sich in den Breitbandausbau einbringen wollen, werden in die Projektaktivitäten einbezogen. - Information: Öffentliche Einrichtungen, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger werden umfassend durch eine Informationskampagne, über ein Internetangebot , Drucksachen, Newsletter und Veranstaltungen informiert.  Förderung über RWP Förderung des Breitbandausbaus in Gewerbegebieten mit Breitbandhochgeschwindigkeitsnetzen  Förderung der Breitband-Grundversorgung in ländlichen Räumen über ELER /GAK  Darlehensprogramm NRW.BANK.Breitband 3. Welchen Beitrag kann das geplante eGovernment-Gesetz NRW zu digitaler Chancengleichheit aller Kommunen leisten? Das geplante E-Government-Gesetz NRW soll den rechtlichen Rahmen für eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung in Nordrhein-Westfalen bilden. Es soll darüber hinaus die Einführung elektronischer Verfahren und die elektronische Abwicklung von Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen nachhaltig fördern. Ziel ist die Beschleunigung und Verbesserung der angebotenen Dienstleistungen durch ein umfassendes OnlineInformationsangebot und eine medienbruchfreie elektronische Kommunikation. So ist z.B. das verpflichtende Angebot des elektronischen Zugangs zur Verwaltung - auf sicheren Übertragungswegen - vorgesehen, ebenso das Angebot eines elektronischen Identitätsnachweises , eines elektronischen Bezahlverfahrens und das Angebot, Nachweise elektronisch einzureichen . Dies sind wichtige Voraussetzungen für den Anspruch der Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen auf eine medienbruchfreie elektronische Abwicklung von Verwaltungsverfahren . Insofern leistet das geplante Gesetz einen wichtigen Beitrag zur digitalen Chancengleichheit in allen nordrhein-westfälischen Kommunen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9063 5 4. Wie will die Landesregierung eine digitale Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen sicherstellen und Kommunen künftig zum Ausbau digitaler Angebote zentrale Basisdienste zur Verfügung stellen (digitale Bezahlmöglichkeiten, ein Bürgerkonto oder einen Postkorb)? Die Landesregierung sieht als zentralen Ankerpunkt für die Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen im Bereich der Informationstechnik ein durch Gesetz eingerichtetes Gremium . Der staatlich-kommunale Kooperationsausschuss nach §9 ADVG NW ist in den datenverarbeitungsorganisatorischen und -technischen Angelegenheiten zu beteiligen, die für die Zusammenarbeit der Landes- und der Kommunalverwaltung wichtig sind. Dies gilt insbesondere bei der Festlegung von Datenübermittlungsregelungen von allgemeiner Bedeutung. Der Entwurf des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen sieht vor, den staatlichkommunalen Kooperationsausschuss durch einen IT-Kooperationsrat Nordrhein-Westfalen mit erweitertem Teilnehmerkreis und größerem Aufgabenspektrum zu ersetzen. Der ITKooperationsrat NRW soll sowohl bundesweite Entwicklungen und Themen der Informationstechnik im Blick haben und mitgestalten als auch die für eine abgestimmte Weiterentwicklung der Informationstechnik in Nordrhein-Westfalen notwendigen Absprachen und Entscheidungen treffen. Über das gesetzliche Gremium hinaus findet zudem zwischen Land und Kommunen ein vielfältiger und intensiver Austausch auf fachlicher Ebene und zwischen den Rechenzentren statt. Ziel ist es, die Informationstechnik in Nordrhein-Westfalen in Richtung deutlich größerer technischer Konsistenz und arbeitsteiliger Kooperation zu entwickeln. Diese Aspekte spielen eine wesentliche Rolle für die Wirtschaftlichkeit und die Nutzung der elektronischen Angebote der Verwaltung. Das gilt insbesondere für das Bürgerkonto mit Postkorb oder die digitalen Bezahlmöglichkeiten. Ob und auf welche Art und Weise zentrale Basisdienste zur Verfügung gestellt werden, muss mit der kommunalen Ebene abgestimmt werden. 5. Welche Rolle spielt, nach Ansicht der Landesregierung, die desolate Finanzlage der Kommunen, bei der digitalen Chancengleichheit der Kommunen? Die Landesregierung ist sich der schwierigen Haushaltssituation in vielen nordrheinwestfälischen Städten und Gemeinden sehr bewusst; sie teilt indes nicht die in der Frage zum Ausdruck kommende pauschale Bewertung der kommunalen Finanzlage in unserem Land. Zudem zeigt das Beispiel der Stadt Wuppertal, die - als Stärkungspaktteilnehmerin - in der erwähnten Studie mit Platz 8 vor Städten wie Augsburg, Dresden, Frankfurt oder Nürnberg rangiert, dass trotz einer schwierigen Finanzlage beachtliche Erfolge bei der Digitalisierung möglich sind.