LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/907 17.09.2012 Datum des Originals: 14.09.2012/Ausgegeben: 20.09.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 338 vom 15. August 2012 der Abgeordneten Simone Brand PIRATEN Drucksache 16/627 Verbraucherkompetenz frühzeitig fördern Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 338 mit Schreiben vom 14. September 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Junge Menschen haben ein Recht auf Verbraucherbildung, wie es die Vereinten Nationen seit 1999 fordern. Zahlreiche Untersuchungen machen jedoch deutlich, dass das Bildungssystem in Deutschland nicht ausreichend in der Lage ist, solche Kompetenzen zeitgemäß und nachhaltig in den fünf Konsumfeldern  Ernährung und Gesundheit  Finanzen  Verbraucherrecht  Medien  Nachhaltiger Konsum Zu vermitteln. Aktuelle Jugendstudien kommen zu dem Ergebnis, dass in den genannten Konsumfeldern einerseits Kompetenzdefizite vorliegen, andererseits aufgrund der hohen Komplexität der sich weltweit rasant entwickelnden Märkte und der Unternehmensstrategien, Verbraucher benachteiligt werden. Aufgrund der fehlenden bzw. unzureichenden Kompetenzen kommt es zu gesamtgesellschaftlichen Folgekosten: Wenn in den privaten Haushalten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/907 2 jährlich Lebensmittel im Wert von 25 Milliarden Euro in den Müll geworfen werden, ist das nicht nur ein Schaden für den einzelnen Haushalt, sondern eine volkswirtschaftliche Verschwendung ! In ähnlicher Weise führt mangelnde Kompetenz im Finanzbereich dazu, dass zum Beispiel junge Konsumenten überdurchschnittlich von Überschuldung betroffen sind. Erfahrungen aus der täglichen Arbeit der Verbraucherzentralen in den Beratungsgesprächen bestätigen diesen Sachverhalt:  Mangelnde Finanzkompetenzen können zu Ver- und Überschuldung führen besonders dann, wenn undurchsichtige Finanzprodukte angeboten werden.  Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge, wie (internationale) Märkte funktionieren und wie man Fehlfunktionen in Märkten erkennen kann, ist bei den meisten jungen Verbrauchern nur marginal vorhanden.  Das praktische Wissen, sowie Handlungskompetenzen für eine gesunde und ausgewogene Ernährung gehen weiterhin kontinuierlich zurück.  Es mangelt an Kompetenzen im Umgang mit der digitalen Welt, auch weil verlockende Angebote der Anbieter nicht immer durchschaut werden.  Konsumentscheidungen mir ihrem Ressourcen- und Energieverbrauch im globalen Zusammenhang mit den daraus resultierenden Konsequenzen wie Klimawandel und Rohstoffverknappung zu sehen, ist eine Zukunftsaufgabe für alle Generationen. 1. Inwieweit findet aktuell ein Austausch mit den anderen Landesregierungen statt um bundeseinheitliche Bildungsstandards zur Verbraucherbildung zu schaffen, welche alle fünf Konsumfelder/ -bereiche abdecken? Seit einem von Nordrhein-Westfalen und Bayern initiierten Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz 2008 findet zwischen den Bundesländern ein fachlicher Austausch zur Stärkung der Verbraucherbildung in der Schule statt. Auch im Bereich Ernährungsbildung pflegt die Landesregierung bereits seit vier Jahren einen regelmäßigen fachlichen Austausch mit den anderen Bundesländern. Im Rahmen der bundesweiten Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) wurde die AG „Gesunde Ernährung und Ernährungsinformation“ damit beauftragt, der LAV einen Bericht zum Stand der Umsetzung von „REVIS“ (Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schulen) mit dem Schwerpunkt „Ernährungsbildung in den Bundesländern“ vorzulegen . Dieser wird derzeit in Kooperation mit den Kultusministerien erarbeitet. Für die Festlegung bundeseinheitlicher Bildungsstandards ist die Kultusministerkonferenz zuständig. Bisher gibt es zur Verbraucherbildung keine KMK-Bildungsstandards. 2. Inwieweit ist die Verbraucherbildung in NRW bereits in den schulischen Lehrplänen verankert? Der Landesregierung ist die Förderung nachhaltiger Verbraucherkompetenz ein wichtiges Anliegen. Verbraucherbildung ist ein Querschnittsthema, das vernetztes Denken voraussetzt und interdisziplinäres über Fächergrenzen hinausgehendes Lernen im Unterricht und bei außerunterrichtlichen Angeboten einfordert. Fächerübergreifende Lerninhalte wie beispielsweise Fairer Handel, Essgewohnheiten, Nahrungskette, Globalisierung, Gentechnologie las- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/907 3 sen sich an die bestehenden Kernlehrpläne verschiedener Fächer anbinden und auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten vor Ort zuschneiden. Bereits jetzt ist die Verbraucherkompetenz in zahlreichen Kernlehrplänen aller Schulformen verankert. Berücksichtigt werden dabei in breiter Form die Grundsätze der Verbraucherbildung , die insbesondere im Nachhaltigkeitskontext zu sehen sind. Für die fünf Konsumfelder Ernährung und Gesundheit, Finanzen, Verbraucherrecht, Medien und Nachhaltiger Konsum/ Bildung für nachhaltige Entwicklung sind federführend verschiedene Fächer zuständig. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Politik/Wirtschaft, Arbeitslehre, Gesellschaftslehre und Naturwissenschaften zu nennen. Die Nennung einschlägiger Kernlehrplanstellen würde aufgrund ihrer Vielzahl den Rahmen der kleinen Anfrage sprengen. Konkrete Beispiele finden sich im Lehrplannavigator für die entsprechenden Fächer (www.lehrplannavigator.nrw.de). 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bereits ergriffen, um die Verbraucherbildung in der Lehreraus- und Lehrerfortbildung zu fördern? Die Ausgestaltung der Lehrerausbildung unterliegt in Nordrhein-Westfalen dem Lehrerausbildungsgesetz (LABG). Sie orientiert sich an den bildungswissenschaftlichen und fachwissenschaftlichen Standards der KMK. Die Lehramtszugangsverordnung vom 18. Juni 2009 beinhaltet die Unterrichtsfächer Hauswirtschaft (Konsum, Ernährung, Gesundheit) und Ernährungs - und Hauswirtschaftswissenschaft. Die Verbraucherbildung ist als Querschnittsaufgabe nicht nur über die Kernlehrpläne, sondern auch im Hinblick auf die Vermittlung der erforderlichen Kompetenzen und die sich am Erziehungs- und Bildungsauftrag von Schule orientierenden Handlungsfelder Bestandteil der zweiten Lehrerausbildungsphase. Die Angebote zur Fachfortbildung von Lehrkräften richten sich nach den Lehrplänen der Schulen. Somit können die Bereiche der Verbraucherbildung auch Thema der Lehrerfortbildung sein. Im Rahmen der Landeskampagne „Schule der Zukunft – Bildung für Nachhaltigkeit“ bietet die Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA) allen beteiligten Schulen Fortbildungen im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an. BNE ist auch Bestandteil der Fortbildungen der Kompetenzteams, zum Beispiel in den sogenannten „MINT-Fächern“. In Kürze wird das von der Serviceagentur “Ganztägig lernen in NRW” in Kooperation mit der NUA und der Vernetzungsstelle Schulverpflegung NRW entwickelte Fortbildungsmodul „BNE im Ganztag“ unter der Internetseite des ehemaligen Verbundprojektes „Lernen für den GanzTag!“ www.ganztag-blk.de veröffentlicht. Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung bietet im Bereich der Ernährungs- und Verbraucherbildung ebenfalls Fachtagungen an. Das Netzwerk „Finanzkompetenz NRW“ entwickelte in den letzten Jahren verstärkt Aktivitäten zu „Lehrerschulungen“ und bietet regionale Informationsangebote für Lehrerinnen und Lehrer an. Diese Aktivitäten zielen im Kern darauf ab, Lehrerinnen und Lehrern entsprechende Unterrichtsinhalte und Unterrichtsmethoden zum Thema „Finanzkompetenz“ zu vermitteln . Die regionalen Aktivitäten wurden durch Schulungsmaßnahmen wie z. B. „Train-theTrainer -Veranstaltungen für Lehrerfortbildungen“ begleitet. Zu diesem Zweck wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Schuldner- und Verbraucherberatungen mehrtägig weitergebildet . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/907 4 4. Wie werden Schulen und Lehrkräfte aktuell von der Landesregierung bzw. dem Bildungsministerium unterstützt um Verbraucherbildung im Schulalltag zu integrieren ? Der in der Antwort zu Frage 2 erwähnte Lehrplannavigator unterstützt Schulen bei der Umsetzung der neuen Kernlehrpläne, indem er Beispiele für schulinterne Lehrpläne gibt und künftig Vorgaben aus den Lehrplänen mit konkreten Unterrichtsmaterialien auch im Bereich der Verbraucherbildung verknüpft. Darüber hinaus stellt die Landesregierung den Schulen für einige verbraucherrelevante Themengebiete geeignete Unterrichtsmaterialien zur Verfügung. Auch die Vernetzungsstelle Schulverpflegung, die neben ihrer praktisch orientierten Arbeit und der Beratung der Schulen vor Ort weitere elementare Unterstützungsarbeit im Bereich Ernährungsbildung leistet, bietet Unterrichtsmaterial an. Aktuell wurde ein Modellmodul für nachhaltige Ernährungsbildung entwickelt, welches den Schulen in Kürze zur Verfügung stehen wird. Schwerpunkt des Moduls ist das Thema „Wertschätzung und Verschwendung von Lebensmitteln“. Ergänzend hierzu wird ein Fortbildungsangebot für Lehrkräfte zu selbigem Thema entwickelt. Mit verschiedenen Projekten und Materialien (wie beispielsweise „MoKi - Money & Kids“, „Fit fürs eigene Geld - mit dem Einkommen auskommen“, „Alles im Griff“), die von der Landesregierung finanziell gefördert werden, sollen Schülerinnen und Schüler für das Thema „Geld“ sensibilisiert werden. Die Materialien geben Lehrerinnen und Lehrern auch methodische Hinweise für den Unterricht. Für 2013 plant das Netzwerk „Finanzkompetenz“ eine landesweite „Aktionswoche Finanzkompetenz“ in allen fünf Regierungsbezirken NordrheinWestfalens mit unterschiedlichen Akteuren (Schuldnerberatungsstellen, Wohlfahrtverbände, Verbraucherzentrale NRW e.V. usw.), die sich mit vielfältigen Verbraucherbildungsangeboten wie z.B. Unterrichtseinheiten und Theaterstücken an schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen richten. 5. Inwieweit wird in NRW Verbraucherbildungsforschung betrieben und/oder gestärkt ? Die Landesregierung hat gemeinsam mit der Verbraucherzentrale NRW am 09.11.2011 eine Vereinbarung über ein „Kompetenzzentrum Verbraucherforschung NRW“ unterzeichnet. Die Vereinbarung gilt zunächst bis 2014. Für diesen Zeitraum stellt die Landesregierung insgesamt bis zu 700.000 Euro zur Finanzierung der Geschäftsstelle sowie für die Anschubfinanzierung von Projekten zur Verfügung. Mit dem Kompetenzzentrum schafft die Landesregierung die notwendige theoretische Wissensbasis als Grundlage für evidenzbasiertes und nachhaltiges verbraucher- und wirtschaftspolitisches Handeln.