LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9100 25.06.2015 Datum des Originals: 25.06.2015/Ausgegeben: 30.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3443 vom 19. Mai 2015 des Abgeordneten Matthias Kerkhoff CDU Drucksache 16/8734 Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 3442 mit Schreiben vom 25. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Blick auf die wachsende Problematik des Fachkräftemangels wurde in der Öffentlichkeit vermehrt die Forderung aufgestellt, Flüchtlingen, die nach Deutschland einreisen und bestimmte , gesuchte Kriterien erfüllen, eine Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu geben. In den Medien wurde bereits über gute Beispiele berichtet, in denen Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen konnten oder eine feste Anstellung erhielten, da sich keine anderen geeigneten Bewerber finden ließen. Dies sind jedoch scheinbar nur Einzelfälle, da der Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge reglementiert ist. Es besteht zudem für potentielle Arbeitgeber eine gewisse Unsicherheit, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Flüchtling beziehungsweise Asylbewerber in Deutschland arbeiten darf. Auch ist unklar, ob ein Flüchtling seine Ausbildung auch beenden darf, wenn er beispielsweise eine Ausbildung über drei Jahren beginnen will. 1. Welche Zugänge zum Arbeitsmarkt existieren für in Deutschland lebende Flücht- linge bzw. Asylbewerber (inklusive Ausbildungsmarkt)? Die Voraussetzungen für den Arbeitsmarktzugang von Asylbewerbern, Geduldeten und anerkannten Flüchtlingen sind bundesgesetzlich geregelt. Diese Vorschriften sind in den vergangenen Jahren mehrfach verändert worden – letztmalig im November 2014. Für Flüchtlin- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9100 2 ge mit einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung gelten aktuell folgende abgestufte Regelungen:  In den ersten drei Monaten des Aufenthalts darf grundsätzlich keine Beschäftigung aufgenommen werden (§ 32 Abs. 1 Beschäftigungsverordnung).  Ab dem 4. Monat des Aufenthalts kann eine Erlaubnis für eine konkrete Beschäftigung durch die Ausländerbehörde erteilt werden. Meist muss jedoch zusätzlich die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) ihre Zustimmung erteilen . Diese prüft hierfür, ob für den angestrebten Arbeitsplatz bevorrechtigte Deutsche, EU-Angehörige oder andere ausländische Staatsangehörige zur Verfügung stehen (sog. „Vorrangprüfung“, § 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz) und ob vergleichbare Beschäftigungsbedingungen – etwa Tariflohn oder ortsüblicher Lohn – eingehalten werden (sog. „Lohnprüfung“, § 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz). Nur wenn beide Prüfschritte positiv ausgehen, stimmt die ZAV der Beschäftigungsaufnahme zu, und die Ausländerbehörde darf eine Beschäftigungserlaubnis erteilen.  Ab dem 16. Monat des Aufenthalts entfällt die „Vorrangprüfung“. Die Beschäftigungsbedingungen werden jedoch weiterhin geprüft.  Ab dem 49. Monat des Aufenthalts entfällt die gesamte Zustimmung durch die ZAV. Es kann eine allgemeine Beschäftigungserlaubnis für jede Tätigkeit ausgestellt werden. Auch Leiharbeit ist nun möglich.  Für betriebliche Berufsausbildung, Freiwilligendienste, Praktika im Rahmen einer schulischen Ausbildung oder eines EU-geförderten Programms gilt eine Sonderregelung: Diese können bereits ab dem 4. Monat (für Personen mit Aufenthaltsgestattung, § 32 Abs. 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Beschäftigungsverordnung und § 61 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz) bzw. ab dem 1. Tag des Aufenthalts (für Personen mit einer Duldung, § 32 Abs. 2 Beschäftigungsverordnung ) ohne Prüfung durch die ZAV erlaubt werden.  Zusätzliche Erleichterungen gibt es unter bestimmten Bedingungen für Personen mit Hochschulabschluss oder für nicht-akademische Fachkräfte in einer Reihe von Mangelberufen . 2. Welche Zugangsvoraussetzungen müssen von den Personen individuell erfüllt werden (inklusive Ausbildungsmarkt)? Über die in der Antwort zu Frage 1 erwähnten allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen hinaus, gibt es keine besonderen Zugangsvoraussetzungen für Asylbewerber, Geduldete oder anerkannte Flüchtlinge. In der Praxis erweisen sich jedoch die Sprachkenntnisse als das entscheidende Kriterium für eine tatsächliche Vermittlung in Ausbildung und Arbeit. 3. Gibt es eine Beratung für Unternehmen hinsichtlich der Beschäftigungsmöglich- keit von in Deutschland lebenden Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern (inklusive Ausbildungsmarkt)? Eine solche Beratung wird in der Regel von der Bundesagentur für Arbeit sowie den Kammern und Verbänden durchgeführt. Die Schaffung zusätzlicher Informationsangebote seitens der Landesregierung, z.B. im Rahmen der Fachkräfte-Initiative, wird derzeit auch im Zusammenhang mit dem aktuellen Antrag der Fraktionen von SPD/DIE GRÜNEN „Arbeit und Ausbildung sind der Schlüssel zur Integration – Neue Möglichkeiten des Arbeitsmarktzugangs für Flüchtlinge effektiv nutzen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9100 3 Förderungslücken schließen“ (Drucksache 16/8656) beraten. Aktuell wird im Landtag zu diesem Antrag eine Anhörung vorbereitet. 4. Liegen der Landesregierung Kenntnisse über unterschiedliche Vorgehensweisen der Ausländerbehörden der Kommunen vor, wenn Flüchtlinge bzw. Asylbewerber eine Anstellung oder Ausbildung annehmen wollen? Nein. 5. Wie werden die Kommunen bei der Gewährung zum Zugang zum Arbeitsmarkt seitens der Landesregierung unterstützt (bitte einzelne Maßnahmen, Förderungen , Handreichungen oder ähnliches aufführen)? Beim Flüchtlingsgipfel NRW Ende 2014 wurde von der Landesregierung NRW der Anspruch formuliert, Flüchtlinge auch in Arbeit und Ausbildung zu integrieren, um ihnen eine Chance auf ein selbstbestimmtes und selbstfinanziertes Leben zu ermöglichen. Die Erkenntnisse aus den bisherigen beiden Sitzungen des Flüchtlingsgipfels in NordrheinWestfalen hat das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) dadurch operationalisiert , dass auf Landesebene das Modellprojekt „Early Intervention – Jeder Mensch hat Potenziale“ der Bundesagentur für Arbeit ausgeweitet wurde. Bundesweit sind 9 Modellagenturen in diesem Projekt, das die frühzeitige Arbeitsmarktintegration zum Ziel hat, involviert. In Nordrhein-Westfalen sind durch die Zusammenarbeit mit der hiesigen Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit 16 weitere Modellagenturen hinzugekommen. Die Landesregierung fördert in Kürze in diesen Bezirken basale Sprachkurse mit ESF-Landesmitteln. Weitere Pilotprojekte sollen dazu beitragen, Wege zu ebnen und die Kooperation der Beteiligten zu verbessern. Da hier viele Institutionen zusammenwirken müssen, können exemplarisch Standardformate zur beruflichen Entwicklung von Flüchtlingen entwickelt und verankert werden. Aktuell stehen zwei solcher Pilotprojekte in der Arbeitsmarktregion Siegen-Wittgenstein/Olpe (Berufsbildungszentrum bbz der IHK Siegen) sowie der Arbeitsmarktregion Niederrhein (Qualifizierungs- und Vermittlungs-GmbH der Kreishandwerkerschaft Duisburg) kurz vor dem Projektstart. Insgesamt werden rund 70 Flüchtlinge erreicht. Die Förderung beträgt ca. 250.000 Euro. Darüber hinaus wird bei der Förderung der Arbeitsmarktintegration durch Feststellung der mitgebrachten Qualifikationen das Programm „Beratung für berufliche Entwicklung“ zur Beratung der Flüchtlinge zu Anerkennungsverfahren miteinbezogen. Damit die Möglichkeiten der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen ausgeschöpft werden können , hat das MAIS ein flächendeckendes Beratungsangebot geschaffen. 125 Beratungsstellen in ganz Nordrhein-Westfalen stehen hier zur Verfügung. Das sog. Ehrenamtsprogramm des MAIS umfasst insgesamt ca. 1 Mio. Euro. Nach diesem Programm können Kreise und kreisfreie Städte einen festen Betrag von 18.000 Euro beantragen , der - je nach örtlichen Gegebenheiten - zweckgebunden auch für die Weitergabe an Dritte (z.B. Integrationsagenturen, Kirchengemeinden, Moscheevereine) genutzt werden kann. Diese Fördermöglichkeit des Landes wird über die Kommunalen Integrationszentren abgewickelt. Hiervon profitieren die ehrenamtlich Tätigen und Institutionen, die sich aktiv in LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9100 4 der Flüchtlingsarbeit einsetzen und derzeit in vielen Kommunen wichtige ehrenamtliche Sprachangebote betreuen. Eine weitere Landesinitiative hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung gestartet. Dieses fördert zusätzliche Sprachkurse für Flüchtlinge mit 500.000 Euro pro Jahr. Es handelt sich um das Niveau einfacher Sprachförderung mit lebensnaher Alltagsorientierung und zwar zugunsten der Trägerlandschaft der Volkshochschulen (landesweit ca. 130 Volkshochschulen mit 240.000 Euro) und zugunsten anderer Träger der allgemeinen Weiterbildung (ca. 320 Träger landesweit mit 260.000 Euro). Generell sind für die Zielgruppe der Flüchtlinge die Landesvorhaben und ESF-Programme wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“ , „Beratung zu beruflichen Entwicklung“, „Erwerbslosenberatungsstellen “, „Jugend in Arbeit“ ,„Produktionsschule.NRW“ und „Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ geöffnet. Im Rahmen des Förderprogramms „Beratung zur beruflichen Entwicklung“ wird z.B. aktuell eine Fachberatung zu Anerkennungsfragen installiert, die eine vertiefte Unterstützung umfasst und auch die Zeit während des Anerkennungsverfahrens abdeckt. Ausgewählte Beratungsstellen werden ab dem 1. Juli 2015 über das ganze Land verteilt eine Fachberatung zu Anerkennungsfragen anbieten.