LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9102 25.06.2015 Datum des Originals: 25.06.2015/Ausgegeben: 30.06.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3487 vom 3. Juni 2015 des Abgeordneten Torsten Sommer PIRATEN Drucksache 16/3487 Persönliches Budget versus Bundesteilhabegeld Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 3487 mit Schreiben vom 25. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Herbst 2007 beschloss der Bund, Menschen mit Behinderung einen Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget einzuräumen. Dieses Budget wurde seinerzeit als eine neue Leistungsform angesehen, welche ein zukunftsweisendes Instrument sei, um den individuell verschiedenen Möglichkeiten, Wünschen und Bedürfnissen behinderter Menschen stärker als bei der reinen Sach- und Dienstleistung Rechnung zu tragen. Dank des Persönlichen Budgets sollte ein Behinderter nicht mehr eine Leistung zugewiesen bekommen, vielmehr sollte ihm Geld zur Verfügung gestellt werden, damit er die benötigten Hilfeleistungen selbst beim Anbieter seiner Wahl bestellen und bezahlen kann. Folgen dieser Regelung seien Selbstbestimmung und Teilhabe. Einer Übersicht des Statistischen Bundesamtes nach machten jedoch in ganz Deutschland im Jahre 2013 von diesem Rechtsanspruch gerade einmal 8500 Behinderte Gebrauch. Das ist ein Prozent der Betroffenen. Mehr als die Hälfte der Personen, die das Budget abrufen, kommen aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Ursachen können neben der mangelnden Kenntnis dieses Budgets sowohl die einschränkenden Voraussetzungen für die Gewährung, als auch der Umstand sein, dass die Höhe des Geldes im Rahmen der entsprechenden Gespräche stark heruntergehandelt wird, sodass eine Antragstellung für die Betroffenen zu einem Spießrutenlauf wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9102 2 1. Wie viele behinderte Menschen sind in Nordrhein-Westfalen berechtigt, das Persönliche Budget in Anspruch zu nehmen? Grundsätzlich können alle Rehabilitationsträger die Leistungen zur Teilhabe als Persönliches Budget ausführen. Das sind neben den Landschaftsverbänden insbesondere auch alle örtlichen Träger der Sozialhilfe, die Träger der Jugendhilfe, die Bundesagentur für Arbeit, die gesetzlichen Krankenkassen und die gesetzlichen Rentenversicherungen. Die Rechtsgrundlage für das Persönliche Budget bildet der § 17 SGB IX. Entscheidend für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets ist, dass die leistungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dies muss von den Rehabilitationsträgern in jedem einzelnen Fall geprüft werden. Daher lässt sich nicht pauschal quantifizieren, wie viele Menschen in NRW budgetberechtigt sind. 2. Wie viele Anträge wurden in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2010 bis heute bearbeitet (bitte aufgelistet nach erfolgten Antragstellungen, genehmigten Anträgen , Antragsablehnungen, Umsetzungen der in den Anträgen getätigten Zusagen )? Die Antragszahlen zum Persönlichen Budget aller Rehabilitationsträger in NordrheinWestfalen werden mangels fehlender Rechtsgrundlage nicht erfasst. Insoweit verfügt die Landesregierung über keine entsprechenden Daten. Im Bereich der Landschaftsverbände wird die Zahl der bewilligten Anträge auf ein Persönliches Budget erfasst. In den Jahren 2010 bis 2014 wurden bewilligt: Jahr Zahl der bewilligten PB1 2010 625 2011 713 2012 795 2013 800 2014 807 3. Wird den berechtigten Menschen das Persönliche Budget aktiv angeboten, sei es durch Information oder durch Werbung dafür? Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales hat eine Broschüre „Persönliches Budget in Nordrhein-Westfalen. Antworten auf häufig gestellte Fragen.“ herausgegeben. Diese Broschüre kann im Internet unter www.mais.nrw.de abgerufen werden. Um Menschen mit Behinderung den Zugang zum Persönlichen Budget zu erleichtern, bieten gemeinsame örtliche Servicestellen der verschiedenen Rehabilitationsträger Informationen und Beratung an. Darüber hinaus steht den Budgetberechtigten das Unterstützungsangebot von Verbänden, Vereinen und Selbsthilfegruppen zur Verfügung. Im Übrigen erfolgt bei den Landschaftsverbänden die Feststellung des Unterstützungsbedarfs in einem Hilfeplanverfahren. In diesem Verfahren wird über die Möglichkeit der Leistung als Persönliches Budget beraten und der Antragsteller/die Antragstellerin explizit ge- 1 Bewilligte Anträge zum Stichtag 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9102 3 fragt, ob die Leistung ganz oder teilweise als Persönliches Budget gewünscht bzw. beantragt wird. Darüber hinaus wird im Internet, speziell auch bei Angeboten für Menschen mit Behinderung (Inklusionsportal, Leichte-Sprache-Portal), auf das Persönliche Budget hingewiesen sowie mittels Broschüren und Flyer informiert. Auch die im Aufbau befindlichen „Kompetenzzentren selbstbestimmtes Leben“ können und werden gezielte Beiträge in diesem Kontext leisten. 4. Welche Pläne und Initiativen gibt es seitens des Landes, das Persönliche Budget allen zur Inanspruchnahme Berechtigten gleichermaßen zugänglich zu machen? Die Länder haben bereits im Rahmen der 90. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) im Jahr 2013 einen Beschluss zur Weiterentwicklung des SGB IX gefasst. In diesem Zusammenhang haben die Länder die Erwartung an den Bund geäußert, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern - in Abstimmung mit den Überlegungen zu einem Bundesteilhabegesetz - die grundsätzliche Novellierung des SGB IX voranbringt. Dabei wurden auch die derzeitigen Regelungen zum Persönlichen Budget als solche hervorgehoben, die einer Weiterentwicklung bedürfen, um die Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets zu stärken. Darüber hinaus setzt sich die Landesregierung auf der Grundlage eines Beschlusses der 88. ASMK gegenüber der Bundesregierung für eine Abschaffung/Überarbeitung des § 35 a SGB XI ein, der die Sachleistungen der Pflegeversicherung de facto für nicht-budgetfähig im Sinne eines trägerübergreifenden Budgets erklärt. Diese Regelung ist fachpolitisch unbefriedigend, da sie den Leistungsabruf auf der Grundlage des SGV XI auf ein Gutscheinsystem und eine Erbringung der Leistungen auf nach dem SGB XI zugelassene Pflegeeinrichtungen beschränkt . 5. Wie bewertet die Landesregierung das Thema „Trägerübergreifendes Gesund- heitsbudget“ auch mit Blick auf das zu erlassende Bundesteilhabegesetz grundsätzlich ? Der Begriff „Trägerübergreifendes Gesundheitsbudget“ ist der Landesregierung auch im Hinblick auf die Ausarbeitung eines Bundesteilhabegesetzes so nicht bekannt.