LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9109 29.06.2015 Datum des Originals: 26.06.2015/Ausgegeben: 02.07.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3464 vom 27. Mai 2015 der Abgeordneten Dirk Wedel und Dr. Björn Kerbein FDP Drucksache 16/8795 Wie steht die Landesregierung zu den zivilrechtlichen Folgen einer Einführung der Strafbarkeit des Selbstdopings und des Besitzes von Dopingsubstanzen? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 3464 mit Schreiben vom 26. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der WAZ vom 07.08.2013 forderte Justizminister Kutschaty die Einführung eines Straftatbestands des Dopingbetrugs. Ein für den Minister offenbar zentraler Punkt war dabei die Folgewirkung eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs der Konkurrenten aus § 823 Absatz 2 BGB: „Deswegen fordere ich die Einführung des Straftatbestandes des Dopingbetrugs, da dadurch auch gewährleistet wäre, dass der Täter dem Opfer Schadensersatz leisten müsste.“ Im für seine Pressestatements gewohnt plakativen Duktus führte der Justizminister aus, es könne schließlich nicht richtig sein, „dass Dopingsünder in ihren Villen auf Mallorca sitzen und wir niemals erfahren, wer das Rennen in Wahrheit gewonnen hat“. In der 933. Sitzung des Bundesrates vom 08.05.2015 wurde unter TOP 34 der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport (BR-Drs. 126/15) beraten. Mit dem Gesetzentwurf soll ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz geschaffen werden, in dem die Rechtsvorschriften zur Dopingbekämpfung gebündelt werden. Dieses beinhaltet insbesondere als neue Straftatbestände ein strafbewehrtes Verbot des Selbstdopings, mit dem erstmalig gezielt dopende Leistungssportlerinnen und Leistungssportler erfasst werden, die beabsichtigen , sich mit dem Doping Vorteile in Wettbewerben des organisierten Sports zu verschaffen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9109 2 sowie die Einführung einer Strafbarkeit von Erwerb und Besitz von Dopingmitteln auch bei geringer Menge, sofern mit diesen Selbstdoping beabsichtigt ist. Zu diesem Gesetzentwurf hat die Landesregierung im Bundesrat eine Protokollerklärung abgegeben (Plenarprotokoll 933, Seite 200 (D)), in der mit folgender Begründung eine Evaluierung der vorgesehenen Gesetzesbestimmungen zum Selbstdoping sowie zur Besitzstrafbarkeit und deren Auswirkungen auf die Sportgerichtsbarkeit spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gefordert wird (Hervorhebung durch die Verfasser): „Gleichwohl wird durch die Schaffung der Strafbarkeit des Selbstdopings und des Besitzes von Dopingsubstanzen zum Zwecke der Leistungssteigerung im Sport eine Veränderung der Strafgesetzgebung bei Dopingdelikten geschaffen, deren Folgen für die Sportschiedsgerichtsbarkeit nicht absehbar sind. Die Parallelität beider Verfahren und die zivilrechtlichen Folgewirkungen sind geeignet, das sportrechtliche System erheblich zu beeinträchtigen .“ 1. Welche zivilrechtlichen Folgewirkungen einer Strafbarkeit des Selbstdopings und des Besitzes von Dopingsubstanzen zum Zwecke der Leistungssteigerung sind nach Auffassung der Landesregierung geeignet, das sportrechtliche System erheblich zu beeinträchtigen? 2. Welche Beeinträchtigungen des sportrechtlichen Systems befürchtet die Lan- desregierung durch die Parallelität beider Verfahren und die zivilrechtlichen Folgewirkungen im Falle einer Strafbarkeit des Selbstdopings und des Besitzes von Dopingsubstanzen zum Zwecke der Leistungssteigerung? 3. Inwieweit ist die Landesregierung der Auffassung, den nach ihrer Ansicht au- genscheinlich drohenden Folgen für Sportschiedsgerichtsbarkeit bzw. das sportrechtliche System mit einer Evaluierung genüge zu tun? Der in der Vorbereitung der Kleinen Anfrage genannte Gesetzentwurf zielt auf die Schaffung eines eigenständigen Anti-Doping-Gesetzes ab. Dieses Gesetz soll dazu dienen, Doping im Sport effektiver zu bekämpfen, um die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler zu schützen , die Fairness und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben zu sichern und damit zur Erhaltung der Integrität des Sports beizutragen. Dieses gesetzgeberische Ziel und insbesondere die zu diesem Zweck vorgesehene Ausweitung der Strafbarkeit auf die sich selbst dopenden Spitzensportlerinnen und Spitzensportler werden von der Landesregierung befürwortet . Ob das beabsichtigte Anti-Doping-Gesetz zu erheblichen Beeinträchtigungen des sportrechtlichen Systems führen wird, kann im Vorhinein nicht mit hinreichender Gewissheit prognostiziert werden, zumal das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Die vorgesehene Strafbarkeit des Selbstdopings hat jedoch unter anderem zur Folge, dass sich die Sportlerinnen und Sportler gegebenenfalls mehreren Sanktionsregimen ausgesetzt sehen, für die unterschiedliche Verfahrensgrundsätze gelten. Dies kann sich in unterschiedlicher Weise auswirken. Beispielsweise kann es nach dem bisherigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens dazu kommen, dass eine Sportlerin oder ein Sportler im Sportgerichtsverfahren aufgrund der dort geltenden Beweislastumkehr nach einer positiven Dopingprobe sanktioniert wird, während eine straf- oder zivilrechtliche Verurteilung daran scheitert, dass der (vorsätzliche ) Dopingverstoß nicht hinreichend aufgeklärt werden kann. Andererseits können an die Strafbarkeit des Dopings anknüpfende strafprozessuale Maßnahmen aber auch zu einer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9109 3 besseren Aufklärung des begangenen Unrechts beitragen, als dies allein mit verbandsrechtlichen Mitteln möglich wäre. Gleiches gilt mit Blick darauf, dass Aussagen der Sportlerin bzw. des Sportlers oder Entscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen verfahrensübergreifend verwertet werden können. Das sportrechtliche System ist auf die Mitarbeit und hierbei insbesondere auf das selbständige Entlastungsvorbringen der Sportlerin oder des Sportlers ausgerichtet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die verfahrensübergreifende Verwertbarkeit von Aussagen und Entscheidungen zu Lasten des sportrechtlichen Systems dazu führt, dass sich eine Sportlerin oder ein Sportler in einem sportgerichtlichen Verfahren mit Blick auf ein drohendes Strafverfahren oder wegen zivilrechtlicher Schadensersatzforderungen nicht mehr an der Aufklärung des Sachverhalts beteiligt. Gleichermaßen können begünstigende Entscheidungen in Straf- oder Zivilverfahren die Sportlerinnen und Sportler ermutigen, vermehrt auch gegen zu Recht ergangene sportgerichtliche Entscheidungen vorzugehen. Andererseits werden die betroffenen Sportlerinnen und Sportler die weitergehenden Sanktions- und Ermittlungsmöglichkeiten möglicherweise aber auch zum Anlass nehmen, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im sportgerichtlichen Verfahren zu einer umfassenden Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. Auch wenn die tatsächlichen Folgen des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport für die Sportgerichtsbarkeitsbarkeit bzw. das sportrechtliche System noch nicht feststehen, sind mögliche Beeinträchtigungen schon wegen der besonderen Bedeutung der Sportgerichtsbarkeit für den organisierten Sport im Blick zu behalten und die Wechselwirkungen der verschiedenen Verfahrensarten zu gegebener Zeit auf den Prüfstand zu stellen. Die Landesregierung erachtet es daher für geboten, aber nach dem gegenwärtigen Stand auch als ausreichend, zeitnah eine Evaluierung des Gesetzes vorzunehmen, um in begründeten Fällen weiteren Handlungsbedarf identifizieren zu können. 4. In welchem Verhältnis sieht die Landesregierung Sanktionsmechanismen der Sportgerichtsbarkeit und zivilrechtliche Ansprüche gegen Dopingsünder? 5. Inwieweit kommt es der Landesregierung sowie Minister Kutschaty vor allem auf einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch der Konkurrenten gegen Dopingsünder an? Bei den Maßnahmen des Dopingkontrollsystems des organisierten Sports mit seinen verbandsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten und bei der Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche handelt es sich - ebenso wie bei der strafrechtlichen Verfolgung von Doping - um eigenständige Sanktionsregime, die jeweils einen wichtigen Beitrag zur effektiven Dopingbekämpfung leisten. Sportlerinnen und Sportler verschaffen sich durch Doping vor allem im Bereich des organisierten Sports mit seinen diversen Einnahmemöglichkeiten - etwa Gehälter, öffentliche Fördermittel , Start- und Preisgelder sowie Sponsorengelder - ungerechtfertigte wirtschaftliche Vorteile. Geschädigt werden neben den Sportveranstaltern, den Sportvereinen, den Sponsoren , den berichtenden Medien und den Zuschauern vor allem die ehrlichen Konkurrenten, die im sportlichen Wettbewerb gegenüber den dopenden Sportlerinnen und Sportlern das Nachsehen haben. Es ist nicht gerechtfertigt, dass die Konkurrenten den ihnen hierdurch entstandenen Vermögensschaden klaglos hinnehmen müssen, während den dopenden Sportlerin- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9109 4 nen und Sportlern die durch das Doping erlangten wirtschaftlichen Vorteile verbleiben. Die Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche der Konkurrenten gegen sogenannte „Dopingsünder“ stellt daher aus Sicht der Landesregierung im Bereich des organisierten Sports ein wichtiges Element im Umgang mit den negativen Folgen des Dopings und damit auch im Kampf gegen Doping dar.