LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/928 19.09.2012 Datum des Originals: 19.09.2012/Ausgegeben: 24.09.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 319 vom 3. August 2012 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/497 Acrylamid-Belastung in Reiswaffeln Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 319 mit Schreiben vom 19. September 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Zeitschrift ÖKO-TEST berichtet in ihrer Ausgabe 06/2012 von einer erhöhten Belastung von Reiswaffeln mit Acrylamid. Acrylamid steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Zudem fanden sich in Reiswaffeln Spuren von Arsen. Aufgrund meist „erhöhter“ oder „stark erhöhter“ Mengen von Acrylamid und Arsen wurden mehr als die Hälfte der getesteten Produkte mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bewertet. Reiswaffeln sind vor allem bei Babys und Kleinkindern ein beliebter Snack. In der von ÖKOTEST veröffentlichten Untersuchung liegt bei 18 von 20 Produkten eine Überschreitung der maßgeblichen EU-Richtwerte für Getreidebeikost vor. Vorbemerkung der Landesregierung Ziel der Verbraucherschutzpolitik der Landesregierung ist es, die Gehalte an unerwünschten Kontaminanten in Lebensmitteln soweit wie möglich zu minimieren. Dies gilt insbesondere für Lebensmittel, die für Kinder oder explizit für Babys oder Kleinkinder ausgelobt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/928 2 Da viele Schadstoffe ubiquitär in der Umwelt vorhanden sind, sind Lebensmittel, die völlig frei von unerwünschten Kontaminanten sind, allerdings kaum erzeugbar. Dies betrifft z.B. Arsen, welches maßgeblich über den Boden eingetragen wird. Acrylamid hingegen entsteht hauptsächlich während des Herstellungsprozesses. Generell ist zu begrüßen, dass gesundheitlich bedenkliche Stoffe in Lebensmitteln kritisch unter die Lupe genommen werden. Insgesamt fehlt dem Testbericht in der Zeitschrift „ÖKOTEST “ (Ausgabe 06/12) zu Reiswaffeln aber die nötige Transparenz. Zwar wird zur Bewertung von Acrylamid in Reiswaffeln der Richtwert der Empfehlung 2010/307/EU genannt und für Arsen wurde die „Expertenmeinung“ als Bewertungsmaßstab angesetzt. Allerdings wird weder erläutert, wieso ein Wert von 200 µg/kg Arsen als geeigneter Maßstab erscheint, noch wird dargestellt, worauf die Expertenmeinung beruht. Darüber hinaus wird zu keinem der getesteten Produkte ein konkret ermittelter Gehalt an Arsen oder Acrylamid angegeben. Da zu Arsengehalten insgesamt bisher zu wenig Daten vorliegen, gibt es bislang weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene rechtsverbindliche Grenzwerte für Lebensmittel. Deshalb beteiligt sich Nordrhein-Westfalen regelmäßig an Schwerpunktuntersuchungen, um die Datenlage zu verbessern und damit eine rechtlich verbindliche Regelung schnellstmöglich zu erwirken. Wie oben erläutert, ist bezüglich Arsen davon auszugehen, dass die Belastung durch den Reis eingetragen wird. Hierauf hat Deutschland bzw. die EU keinen direkten Einfluss, da Reis i.d.R. im außereuropäischen Ausland angebaut wird. Die Einschätzung der Zeitschrift ÖKO-TEST, dass es primär Aufgabe der Produzenten ist, Reis auf weniger belasteten Böden anzubauen bzw. solchen für die Herstellung von Reiswaffeln zu verwenden, wird von der Landesregierung geteilt. Für die Acrylamidgehalte in Lebensmitteln gibt es im Rahmen einer Empfehlung der Kommission vom 10.01.2011 ein Minimierungsgebot. Dieses gilt insbesondere für Lebensmittel, die für Kinder oder, wie die Reiswaffeln, explizit für Kleinkinder ausgelobt werden. Die Richtwerte berücksichtigen dabei u.a. die Verzehrgewohnheiten. So ist z.B. der Richtwert für den Acylamidgehalt in Getreidebeikost niedriger als beispielsweise in Waffeln für Kleinkinder, da die Getreidebeikost eine vollwertige Mahlzeit ab dem 5. Lebensmonat darstellt, wohingegen die Waffeln als Snack zwischendurch seltener und auch erst mit späterem Alter gereicht werden. Die Lebensmittelindustrie, die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission haben seit 2002 umfassende Anstrengungen unternommen, um den Acrylamidgehalt in Lebensmitteln zu senken. So werden seit 2002 regelmäßige Untersuchungen durchgeführt und die Ergebnisse der Europäischen Kommission mitgeteilt. Diese erstellt darauf basierend Richtwerte für den Acrylamidgehalt in verschiedenen Lebensmitteln (wie z.B. Pommes Frites, Chips, Frühstückscerealien , Waffeln). Wird bei den Untersuchungen festgestellt, dass der Gehalt von Acrylamid höher als der Richtwert ist, werden die Hersteller informiert, damit sie ihre Herstellungsverfahren mit dem Ziel, den Acryl-amidgehalt entsprechend zu senken, ändern. Aus den Ergebnissen ist ein deutlicher Trend hin zu niedrigeren Acrylamidgehalten erkennbar. Ob es sich dabei um einen dauerhaften Trend handelt, muss abgewartet werden. Das Monitoring wird demzufolge auch weiterhin fortgeführt. Die durchgeführten Maßnahmen zur Reduktion des Acrylamidgehaltes werden von Seiten der Landesregierung unterstützt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/928 3 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Zeitschrift ÖKO-TEST? Zu den Aussagen zu Arsen: Arsen kommt natürlich im Boden vor und reichert sich – wie auch Schwermetalle - in Getreide und auch in Reis an. Der Arsengehalt verändert sich grundsätzlich nicht durch die Verarbeitung von Reis zu Reiserzeugnissen . Durch die Verarbeitung, z. B. zu Reiswaffeln, wird dem Reis jedoch die Feuchtigkeit entzogen, so dass die Arsenkonzentration ansteigt. Für Arsen gibt es derzeit keine ausreichende Datenlage auf deren Basis Grenzwerte für Lebensmittel festgelegt werden können. Die von der Zeitschrift ÖKO-TEST zitierte Expertenmeinung für Arsen legt ohne nähere Begründung als Bewertungsmaßstab einen Wert von 200 µg/kg Arsen fest. Vor diesem Hintergrund scheint eine Einstufung von Arsengehalten in die Kategorien „leicht erhöht“, „erhöht“ und „stark erhöht“ als nicht valide. Eigene Untersuchungsergebnisse (siehe Antwort zu Frage 4) zu Reis in Nordrhein-Westfalen haben Arsengehalte (Gesamtarsen) zwischen 0,03 und 0,542 mg/kg (30 bis 542 µg/kg) Reis ergeben. Kritisch bewertet wird auch das Untersuchungsergebnis im Hinblick auf das Verhältnis des organischen zum anorganischen Arsen. Eigene Untersuchungsergebnisse zeigen (siehe Antwort zu Frage 4), dass das Verhältnis des anorganischen Arsens am Gesamtarsen in einer breiten Spanne zwischen 13 und 100 % liegt, so dass sich bei 67 untersuchten Proben ein Mittelwert von 66 % ergibt. Der von ÖKO-TEST für die untersuchten 20 Proben festgestellte Mittelwert von 80 % dürfte sich daher bei einer höheren Anzahl von Untersuchungen sehr schnell verringern (siehe Antwort zu Frage 4). Zu den Aussagen zu Acrylamid: Acrylamid kann, neben vielen anderen Stoffen, beim Frittieren, Braten, Backen oder Rösten von stärkehaltigen Lebensmitteln in Abhängigkeit vom Produktions- und Verarbeitungsprozess entstehen. Seit Jahren ist dieser Stoff Gegenstand verstärkter Überwachung in Bund und Ländern. Die Bewertung verzehrfertiger Lebensmittel erfolgt auf der Grundlage von Richtwerten der Empfehlung 2010/307/EU der Europäischen Kommission. Danach wurde für Cracker, Waffeln u. ä. Produkte ein Richtwert von 500 µg/kg festgelegt. Für Kekse und Zwieback für Säuglinge und Kleinkinder wird ein Richtwert von 250 µg/kg herangezogen, der vor dem Hintergrund einer fehlenden Auslobung mit Bezug auf kleine Kinder der bei ÖKO-TEST untersuchten Reiswaffeln geeigneter erscheint. Für Getreidebeikost für Säuglinge und Kleinkinder (ohne Kekse und Zwieback) gilt ein Richtwert von 100 µg/kg. Nur drei der von ÖKO-TEST untersuchten Reiswaffeln sind erkennbar bzw. nachvollziehbar als Produkte für Babys „ab dem 8. Monat“ ausgelobt. Daher kann im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung auch nur für diese Produkte der Richtwert der Empfehlung 2010/307/EU der Europäischen Kommission von 100 µg/kg herangezogen werden. 2. Welche eigenen Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Acrylamidbelas- tung in Reiswaffeln und anderen Lebensmitteln vor? In Nordrhein-Westfalen gab es in den Jahren 2010 und 2011 keinen Untersuchungsschwerpunkt zu Acrylamid in Reiswaffeln. Aus dem Jahr 2011 liegen zwei Untersuchungsergebnis- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/928 4 se zu Acrylamid in Reiswaffeln für Kleinkinder vor. Diese wiesen Acrylamidgehalte von 280 und 291 µg/kg auf. Zur Bewertung dieser Gehalte wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Aus den Berichtsjahren 2010 und 2011 liegen außerdem vier Untersuchungsergebnisse zu Frühstückscerealien auf Reisbasis vor. Bei drei dieser Proben war Acrylamid nicht nachweisbar , eine Probe wies einen Gehalt von 38 µg/kg auf. Erkenntnisse zu anderen Lebensmitteln insbesondere zu Säuglings- und Kleinkindernahrung werden unter Frage 3 behandelt. 3. Was waren die Ergebnisse der Untersuchungen auf Acrylamid durch die Landesregierung bzw. durch die nachgeordneten Behörden in den letzten Jahren? Seit 2010 wurden in Nordrhein-Westfalen u.a. 366 feine Backwaren, 242 Kartoffelerzeugnisse , 179 Proben Brot und Kleingebäck sowie 149 Säuglings- und Kleinkindernahrungen auf das Vorkommen von Acrylamid untersucht. In 131 (87 %) der untersuchten 149 Proben Säuglings- und Kleinkindernahrungen war Acrylamid nicht bestimmbar. Bei den übrigen 18 Proben (16 Proben Baby-/Kinderkekse, 2 Proben Reiswaffeln) waren Acrylamidgehalte zwischen 40 und 291 µg/kg nachweisbar. Bei 7 Proben Baby-/Kinderkeksen wurde ein Acrylamidgehalt zwischen 100 und 150 µg/kg und bei 4 weiteren Proben ein Gehalt zwischen 150 und 200 µg/kg ermittelt. Bei den zwei Proben Reiswaffeln wurden Acrylamidgehalte von 280 und 291 µg/kg bestimmt (siehe Antwort zu Frage 2). 4. Welche Maßnahmen zur Verminderung von Acrylamid und Arsen in Lebensmit- teln hat die Landesregierung ergriffen? Im Hinblick auf Acrylamid beteiligt sich Nordrhein-Westfalen an dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten Minimierungskonzept, was auch aus der hohen Anzahl der durchgeführten Untersuchungen in den verschiedenen Produktgruppen deutlich wird. Die Daten werden regelmäßig an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) übermittelt. Aus den Untersuchungsergebnissen aller Bundesländer werden derzeit alle zwei Jahre (demnächst im 2. Halbjahr 2012) neue Signalwerte ermittelt. Dieses Minimierungskonzept wurde seitens der Europäischen Union aufgegriffen und in die Empfehlung 2010/307/EU sowie die Empfehlung zur Untersuchung des Acrylamidgehalts von Lebensmitteln der Europäischen Kommission aufgenommen. Hier sind Richtwerte für verschiedene Lebensmittelgruppen festgeschrieben. So wurde für Getreidebeikost für Säuglinge und Kleinkinder ein Richtwert von 100 µg/kg und für Kekse und Zwieback von 250 µg/kg festgelegt. Allerdings haben weder die Richtwerte der Empfehlungen der Europäischen Kommission noch die bisher ermittelten Signalwerte des BVL rechtsverbindlichen Charakter. Das bedeutet, selbst wenn ein Richtwert für eine Lebensmittelgruppe der EUEmpfehlung oder ein beschriebener Signalwert des BVL überschritten wird, führt das nicht zu einer lebensmittelrechtlichen Beanstandung oder Sanktion. Eine Überschreitung der Richtoder Signalwerte führt aber zu einem Hinweis an den Hersteller und der Aufforderung, den Herstellungsprozess nach dem europaweit empfohlenen Minimierungskonzept zu optimieren . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/928 5 Auf der Grundlage der Empfehlung 2010/307/EU sind aus Deutschland jährlich pro Produktkategorie Untersuchungsergebnisse von mindestens 24 Proben vorzulegen. Allein in Nordrhein-Westfalen wird diese Vorgabe durch eine deutlich höhere Probenzahl abgedeckt (siehe Antwort zu Frage 3). Hinsichtlich Arsen in Reis, Reiswaffeln oder allgemein für Säuglings- und Kleinkindernahrung liegen insgesamt zu wenige Daten vor, so dass bisher kein Höchstgehalt für Kontaminanten im Rahmen der deutschen oder europäischen Gesetzgebung festgelegt wurde. Deshalb beteiligt sich Nordrhein-Westfalen regelmäßig an Schwerpunktuntersuchungen wie im Jahr 2010 am Bundesweiten Überwachungsprogramm (BÜp) zu Arsen in Algen, Reis und Nahrungsergänzungsmitteln sowie im Jahr 2011 am BÜp zu anorganischem Arsen in Reis. Im Jahr 2010 wurden allein in Nordrhein-Westfalen 127 Proben Reis im Rahmen des o. g. BÜps untersucht, was 19,8 % aller untersuchten Proben in diesem Programm entspricht. Hierbei wurden Arsengehalte (Gesamtarsen) zwischen 0,03 und 0,542 mg/kg (30 bis 542 µg/kg) nachgewiesen. Weitere 50 Proben, die im Rahmen dieses Programmes in NordrheinWestfalen untersucht wurden, deckten die anderen genannten Produktgruppen ab. Im Jahr 2011 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 149 Proben Reis auf Arsen untersucht . Bei 79 Proben (43 % im Rahmen des BÜp untersuchte Proben) wurde neben dem Gesamtarsen auch der Anteil des anorganischen Arsens untersucht. Dabei lag der Gehalt an Gesamtarsen zwischen 0,036 und 0,475 mg/kg (36 bis 475 µg/kg), und die Gehalte des anorganischen Arsens lagen zwischen 0,027 und 0,139 mg/kg (27 bis 139 µg/kg). Das Verhältnis von anorganischem Arsen zu Gesamtarsen lag in den untersuchten Proben in einem sehr weiten Bereich; so machte der Anteil des anorganischen Arsens am Gesamtarsen zwischen 13 und 100 % aus. Im Durchschnitt ergab sich der Anteil des anorganischen Arsens am Gesamtarsen bezogen auf 67 in Nordrhein-Westfalen untersuchte Proben mit bestimmbaren Gehalten von 66 % (siehe Antwort zu Frage 1). Dieses bestätigt das Gesamtergebnis des BÜps 2011 und zeigt deutlich, dass die Zahl der untersuchten Proben nicht ausreicht, um statistisch gesicherte Aussagen zum Anteil anorganischen Arsens am Gesamtarsen treffen zu können. So sollen auf der Grundlage der Ergebnisse der Schwerpunkte der Jahre 2010 und 2011 weitere angepasste Programme zu diesem Thema aufgegriffen werden. 5. Welche Forschungsvorhaben zur Minimierung von Acrylamid und Arsen fördert die Landesregierung? Die Landesregierung fördert zurzeit keine Forschungsvorhaben, beteiligt sich aber durchgängig an den bundesweiten regelmäßig neu aufgelegten Untersuchungsprogrammen wie Monitoring und BÜp.