LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9359 24.07.2015 Datum des Originals: 24.07.2015/Ausgegeben: 29.07.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3619 vom 26. Juni 2015 der Abgeordneten Henning Höne und Karl-Heinz Busen FDP Drucksache 16/9115 Hält die Landesregierung die natürliche Rückkehr von Wölfen weiterhin für erstrebenswert oder findet ein Umdenken statt? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 3619 mit Schreiben vom 24. Juli 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit geraumer Zeit mehren sich Medienhinweise, dass Wölfe bis in die Städte vordringen und damit bis in den menschlichen Lebensraum eindringen. In Niedersachsen hat aktuell ein Wolf nach Medienberichten zwei Rad fahrende Kinder verfolgt und diese bedrängt. Auch in Nordrhein-Westfalen treten Wölfe wieder in Erscheinung (Vgl. Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3058 der Abgeordneten Höne, Busen, Abruszat Drs. 16/7986). Im konkreten Fall in Niedersachsen sollen die vom Land bestellen „Wolfsberater“ verzweifeln und nach Aussagen der Umweltstaatssekretärin Almut Kottwitz (Bündnis 90/Die Grünen) scheint ein Umdenken in der „Willkommenspolitik“ für Wölfe stattzufinden. Wörtlich wird sie zitiert, dass es „keine perfekte Lösung“ gäbe. So arbeite das Land aktuell an einer Studie, die der Frage nachgehen soll, wie viele Wölfe das Bundesland insgesamt vertrage. Diese solle Grundlage für Gespräche auf europäischer Ebene sein. Experten warnen indes davor, dass Wölfe die Scheu vor den Menschen zunehmend verlieren und geben mahnend zu bedenken, dass der Wolf nicht der natürliche Freund von Menschen sein könne. Auch Landesumweltminister Johannes Remmel (Bündnis90/Die Grünen) anerkennt: „Nach mehr als einem Jahrhundert müssen wir wieder lernen mit dem Wolf zu leben“ (Neue Rhein Zeitung, 24. Januar 2015). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9359 2 Vorbemerkung der Landesregierung Zu Beginn des Jahres gab es zwei eindeutige Wolfsnachweise in Nordrhein-Westfalen. Im ersten Fall hat ein Wolf in Stemwede im Kreis Minden-Lübbecke Ende Dezember 2014 ein Schaf gerissen (vgl. Pressemitteilung des MKULNV vom 23.01.2015). Im zweiten Fall konnte Ende Januar anhand eines Fotonachweises im Siegerland ein Wolf nachgewiesen werden (vgl. Pressemitteilung des MKULNV vom 30.01.2015). Darüber hinaus hat die Landesregierung keine Erkenntnisse in Bezug auf die Anwesenheit von weiteren Wölfen bzw. über eine mögliche dauerhafte Rückkehr eines Wolfes. Nordrhein-Westfalen befindet sich damit angesichts der beiden aktuellen Wolfsnachweise vom Jahresanfang noch in der ersten Stufe der Wolfsausbreitung („Stufe 1“). Diese Stufe ist von einzelnen zu- und durchwandernden Wölfen gekennzeichnet. 1. In welchem Umfang informiert sich die Landesregierung über den Umgang anderer Bundesländer mit der steigenden Anzahl von Wölfen? Die Aktivitäten zum Wolfsmanagement in Deutschland werden durch verschiedene Angebote und regelmäßige Bund/Länder-Besprechungen koordinierend unterstützt. Auf Fachebene besteht ein enger Austausch unter den beteiligten Ministerien, Behörden und Institutionen anderer Bundesländer und der Nachbarstaaten. Bei aktuellen Ereignissen wird das Vorgehen zeitnah auch grenzüberschreitend abgestimmt. So erfolgt im Rahmen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) im Ständigen Ausschuss „Arten- und Biotopschutz“ ein regelmäßiger Austausch zum Wolf. Darüber hinaus findet jährlich ein Treffen der Bund/Länder-Arbeitsgruppe der im Monitoring von Luchs und Wolf „erfahrenen Personen“ unter Federführung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) statt. Bei diesen Treffen geht es u.a. um die Ermittlung der Anzahl der Wölfe auf Grundlage der Monitoringprogramme der Länder für das jeweilige Monitoringjahr, die Abstimmung und einheitliche Bewertung von Wolfsnachweisen sowie den fachlichen Austausch zu anderen Fragen des Wolfsmanagements in Deutschland. Außerdem hat das Bundesumweltministerium im November 2014 einen Runden Tisch „Wolf“ eingerichtet, zu dem alle am Thema „Wolf“ Interessierten beitragen. Dieser Runde Tisch soll eine Plattform für einen Meinungsaustausch mit den vom Wolf betroffenen Bevölkerungsgruppen ermöglichen, mit dem Ziel, eventuelle Konflikte rechtzeitig zu erkennen und soweit wie möglich - im Konsens - zu reduzieren. 2. In welchem Umfang wird bei Schulungen der Wolfsberater in NRW Bezug genommen auf aktuelle Geschehnisse in anderen Bundesländern? Bei den regelmäßig stattfindenden Schulungen der Luchs- und Wolfsberater und -beraterinnen fließen die Erfahrungen aus anderen Bundesländern ein. Zu den Schulungen werden regelmäßig Referenten aus anderen Bundesländern eingeladen, die ihre Erfahrungen einbringen. Dabei wird auch auf aktuelle Geschehnisse in anderen Bundesländern eingegangen . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9359 3 3. Inwieweit teilt die Landesregierung die Bedenken von Experten, dass es keine friedliebende Koexistenz von Mensch und Wolf geben könne? Namhafte Experten sind der Ansicht, dass eine Koexistenz von großen Raubtieren und Menschen in einer von Menschen dominierten Kulturlandschaft möglich ist, dies aber mit den verschiedenen Interessen- und Nutzergruppen abgestimmte Konzepte erfordere (hierzu vgl. z.B. den Artikel zur Rückkehr der großen Beutegreifer in Europas vom Menschen dominierte Landschaften im Fachmagazin „SCIENCE“ (Ausgabe Dezember 2014)). 4. Inwieweit beabsichtigt die Landesregierung ein Umdenken in der nordrheinwestfälischen Wolfspolitik, die bisher Maßnahmen zur Akzeptanz der natürlichen Rückkehr von Wölfen fördert? Das Land hat sich bereits im Vorfeld des Wolfsbesuchs im Jahr 2009 auf die natürliche Rückkehr des Wolfes vorbereitet und ein Konzept zum Umgang mit dem Wolf erarbeitet, um mit vorbereitenden Maßnahmen die Akzeptanz für die natürliche Rückkehr des Wolfes zu verbessern. Dazu zählen u.a. • die Einrichtung einer AG „Wolf in NRW“. • der Aufbau und die Schulung eines regionalen Luchs- und Wolfsberaternetzes. • die Regelung zur finanziellen Entschädigung von Tierverlusten. • die finanzielle Förderung von Herdenschutzmaßnahmen (Anschaffung von zwei Herdenschutz -Sets) sowie • Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) und den Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen (LBWuH) (u.a. Fachtagung, Internetauftritt mit Steckbrief zum Wolf, Veröffentlichung der Liste der Wolfsberater, Faltblatt und Poster). Die Landesregierung sieht keinerlei Veranlassung, diese Maßnahmen zur Akzeptanzförderung einzustellen. Das Land sieht weiterhin das Erfordernis, insbesondere bei den betroffenen Nutztierhalter für eine Akzeptanz für die natürliche Rückkehr des Wolfes zu werben. 5. Warum sieht die Landesregierung vor diesem Hintergrund keine Notwendigkeit dafür, den Wolf wieder in die Liste der jagdbaren Arten aufzunehmen, um Gefahren abzuwehren und den Bestand wenn nötig zu regulieren? Der Wolf unterliegt dem Naturschutzrecht und genießt den höchstmöglichen artenschutzrechtlichen Schutz. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) führt den Wolf in den Anhängen II und IV. Damit ist der Wolf vor allem durch das strenge Artenschutzregime der europäischen FFH-RL und deren nationaler Umsetzung im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) überall dort geschützt, wo er in der Natur vorkommt. Als streng geschützte Art im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 14 BNatSchG unterliegt der Wolf dem umfassenden Schutz der Stör- und Zugriffsverbote des § 44 BNatSchG. Sollte sich zukünftig ein Wolf in Nordrhein-Westfalen aufhalten, der nach den verbindlichen Kriterien der BfN-Studie „Leben mit Wölfen“ als „auffällig“ einzustufen wäre, bietet bereits das vorhandene Artenschutzrecht ausreichende rechtliche Handlungsmöglichkeiten. So könnte bei Bedarf im Einzelfall eine artenschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Absatz 7 BNatSchG erteilt werden, um erforderliche Maßnahmen gegen einen „auffälligen“ Wolf zu ergreifen. Eine Unterstellung des Wolfs unter das Jagdrecht ist nicht geeignet, hier einen weiteren Beitrag zu leisten.