LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/937 20.09.2012 Datum des Originals: 20.09.2012/Ausgegeben: 25.09.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 351 vom 21. August 2012 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/706 Zentralisierung der Informationstechnik der Justiz Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 351 mit Schreiben vom 20. September 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Landesrechnungshof hat wiederholt – zuletzt im Jahresbericht 2011 - festgestellt, dass die derzeitige Organisation der Informationstechnik der Justiz in Nordrhein-Westfalen wirtschaftlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Zur Behebung der derzeitigen Mängel und Schwächen empfiehlt der Landesrechnungshof die konsequente Umsetzung eines vom Justizministerium im Jahr 2009 erarbeiteten Konzepts zur Reorganisation der IT-Organisation im Geschäftsbereich, das die organisatorische Konzentration des gesamten in der Justiz eingesetzten IT-Personals in einer Dienststelle im Geschäftsbereich des Justizministeriums vorsieht . Gegen dieses Konzept hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Veröffentlichungen verfassungsrechtliche Bedenken geäußert (vgl. insbesondere NWVBl. 2010, 209 ff.). Die geplante Neustrukturierung der IT-Organisation der Justiz NRW verletze die verfassungsrechtlich gewährleistete organisatorische Selbständigkeit der Dritten Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Art. 92 GG, Art. 3 Abs. 3 LV NRW). Außerdem sei sie im Hinblick auf die verbürgte Unabhängigkeit der Rechtsprechung (Art. 97 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 3 LV NRW) und die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) äußerst bedenklich. Unter dem 05.06.2012 haben der Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie die Präsidentin und die Präsiden- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/937 2 ten der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte eine Resolution veröffentlicht, in der u.a. folgende Aussage getroffen wird: „Die Unterzeichner dieser Resolution lehnen die im Justizministerium trotz durchgreifender verfassungsrechtlicher Bedenken weiterverfolgte Zentralisierung der IT-Organisation und des IT-Personals aller nordrhein-westfälischen Gerichte bei dem Oberlandesgericht Hamm entschieden ab.“ Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie die Präsidentin und die Präsidenten der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte appellieren „nachdrücklich“ an den Justizminister und die Ministerpräsidentin , die im Justizministerium verfolgten IT-Zentralisierungspläne aufzugeben. Im rot-grünen Koalitionsvertrag vom 18.06.2012 ist vereinbart, dass nach dem Vorbild anderer Ressorts wie auch anderer Landesjustizverwaltungen auch in Nordrhein-Westfalen ein Landesamt für Justiz eingerichtet werden soll, das ausgewählte operative Verwaltungsaufgaben der Justizbehörden übernehmen soll. 1. Durch welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung den Feststellungen und Empfehlungen des Landesrechnungshofes zu einer wirtschaftlicheren Bereitstellung von Informationstechnik in der Justiz Rechnung zu tragen (bitte die einzelnen Maßnahmen jeweils mit dem geplanten Realisierungszeitpunkt spezifizieren )? Die Landesregierung beabsichtigt, entsprechend den Empfehlungen des Landesrechnungshofs die IT in den Bereichen Entwicklung, Betrieb und IT-Service noch weiter zu zentralisieren und so die IT-Bereitstellung effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten. Zur Klärung der damit einhergehenden Fragestellungen organisatorischer und technischer Art hat das Justizministerium einen Aufbaustab eingerichtet, in dem auch die oberen Landesgerichte und die Generalstaatsanwaltschaften vertreten sind. Der Aufbaustab soll einen Aufgaben- und Zeitplan für die Ausgestaltung einer IT-Zentralisierung erarbeiten, diesen mit den Überlegungen zur Schaffung einer serviceorientierten Softwarearchitektur (SOA) zusammenführen und einen Vorschlag für die zur Erreichung dieser Ziele zu schaffenden Projektstruktur unterbreiten. Parallel dazu sollen die insoweit zu berücksichtigenden verfassungsrechtlichen Fragen entschieden werden. 2. Inwieweit beabsichtigt die Landesregierung, die IT-Organisation und das IT- Personal aller nordrhein-westfälischen Gerichte beim Oberlandesgericht Hamm zu zentralisieren? Die Entscheidung über die künftige organisatorische Anbindung von IT-Verantwortlichkeiten wird nach Vorlage des Berichts des Aufbaustabes unter Berücksichtigung der dann auch im Übrigen vorzunehmenden Festlegungen organisatorischer, technischer und rechtlicher Art getroffen werden. Keinesfalls ist beabsichtigt, das gesamte IT-Personal an einem Standort zu konzentrieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/937 3 3. Inwieweit teilt die Landesregierung die durch den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land NordrheinWestfalen sowie die Präsidentin und die Präsidenten der nordrheinwestfälischen Verwaltungsgerichte geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Zentralisierung der IT-Organisation und des IT-Personals der nordrhein-westfälischen Gerichte? 4. Welche konkrete Ausgestaltung einer Zentralisierung der Informationstechnik der Gerichte und Staatsanwaltschaften wäre nach Auffassung der Landesregierung erforderlich und hinreichend, damit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zentralisierung der Informationstechnik der Gerichte und Staatsanwaltschaften erfüllt sind? Die IT-Zentralisierung wird unter voller Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Justiz umgesetzt werden. Die auch durch den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen werden im Rahmen der weiteren Diskussion über die konkrete Ausgestaltung der IT-Zentralisierung verfassungskonform beantwortet werden. 5. Inwieweit handelt es sich bei der Bereitstellung von Informationstechnik für die nordrhein-westfälischen Gerichte, Staatsanwaltschaften und weiteren Justizbehörden um eine operative Verwaltungsaufgabe, die durch ein Landesamt für Justiz übernommen werden kann? Bei der IT handelt es sich um eine operative Aufgabe, die allerdings im Justizbereich besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegt. Über den Zuschnitt eines Landesamts ist noch nicht entschieden.