LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9415 31.07.2015 Datum des Originals: 30.07.2015/Ausgegeben: 05.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3642 vom 25. Juni 2015 der Abgeordneten Ralph Bombis und Dietmar Brockes FDP Drucksache 16/9144 Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung zur Stärkung des nordrheinwestfälischen Einzelhandels? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 3642 mit Schreiben vom 30. Juli 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der nordrhein-westfälische Einzelhandel ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor des Landes. Mit fast 100 Mrd. Euro Jahresumsatz stellt er die drittstärkste Wirtschaftsbranche in Nordrhein -Westfalen dar. Durch diverse Entwicklungen - etwa den zunehmenden Online-Handel - und schlechte politische Rahmenbedingungen - etwa ausufernde Bürokratie durch die Mindestlohndokumentationspflichten oder zu restriktive Vorgaben bei Ladenöffnungszeiten - werden insbesondere mittelständische Einzelhändler unter Druck gesetzt. Darüber hinaus beklagt der Einzelhandel den Verkauf von Neuwaren auf Trödelmärkten an Sonntagen, welcher den entsprechenden Verkäufern nicht gerechtfertigte Wettbewerbsvorteile bringt. Dadurch befinden sie sich insbesondere mit Blick auf das Ladenöffnungsverbot an Sonn- und Feiertagen dem regulären Einzelhandel gegenüber in einer privilegierten Position . Der Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen hatte vor diesem Hintergrund die Vorlage eines Marktgesetzes angekündigt, welches den Neuwarenverkauf auf Trödelmärkten einschränken sollte. Trotz Warnungen etwa seitens der FDP-Landtagsfraktion NordrheinWestfalen , dass ein solches Landesgesetz nicht dafür geeignet sei, dem beobachteten Phänomen effektiv und ohne die Zunahme von Bürokratie für alle Beteiligten entgegenzuwirken, wurde das Gesetzgebungsvorhaben durch die Landesregierung vorangetrieben. Auch wurde die Gefahr ignoriert, dass ein generelles Verbot des Verkaufs von Neuwaren auf Trödel- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9415 2 bzw. Flohmärkten diesen wichtigen und begrüßenswerten Bestandteil des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in Nordrhein-Westfalen insgesamt schwer beschädigen könnte. Das wäre auch ein Schlag gegen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Vielfalt im Land. Denn Trödel- bzw. Flohmärkte ermöglichen vor allem kleineren Gewerben und privaten Laienhändlern auf der einen und Privatverbrauchern auf der anderen Seite einen strukturierten Handel insbesondere mit gebrauchten Gütern und Antiquitäten, mit Kleinkunst und handwerklichen Erzeugnissen sowie mit geringwertigen oder besonders regionalspezifischen Neuwaren. Dabei entwickeln sie häufig auch Anziehungskraft jenseits des eigentlichen Kaufbzw . Verkaufsinteresses. So sind sie regelmäßiger Bestandteil von Ausflügen an Sonn- und Feiertagen sowie Orte des Begegnens und des gesellschaftlichen und kulturellen Austauschs . Insbesondere in ländlichen Regionen können sie darüber hinaus zur Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung mit verschiedensten Produkten und Dienstleistungen beitragen . Nicht zuletzt wohnt ihnen mit Blick auf die meist niedrigen Eintrittshürden bzw. Kosten für Verkäufer sowie die üblicherweise entgeltpflichtige Nutzung von - zumindest an Markt- bzw. Sonn- und Feiertagen ungenutzten - Freiflächen außerdem auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung inne. Basierend auf Angaben des Verbandes der Marktgestalter (VDM) dürften in Deutschland jährlich zwischen 35.000 und 40.000 Märkte mit im Durchschnitt jeweils über 5.000 Besuchern stattfinden - mit besonderen Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen. Sie generieren einen Umsatz von geschätzten ein bis zwei Mrd. Euro. Diese Trödelmarkt-Wirtschaft und -Kultur sollte erhalten und gepflegt werden. Bestandteil davon ist aber auch, dass missbräuchlichen Entwicklungen entgegengewirkt wird. Das schützt nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie durch Missbrauch beeinträchtigte Unternehmen, sondern auch die rechtschaffenden und engagierten Marktgestalter und Verkäufer selbst. Am 24. Juni 2015 haben die Koalitionsfraktionen SPD und Bündnis90/Die Grünen entgegen der Ankündigung des Wirtschaftsministers erklärt, dass ein neues Marktgesetz in der laufenden Legislaturperiode nicht vorgesehen ist. Damit haben sie den Plänen des Wirtschaftsministers eine Absage erteilt. Nichtsdestotrotz muss der Wirtschaftsminister einen Missstand identifiziert haben, der die Grundlage für seine geplante Gesetzesinitiative gewesen ist. Es stellt sich daher die Frage, wie dieser Missstand nun abgestellt werden soll, nachdem seine ursprüngliche Idee durch die Koalitionsfraktionen einkassiert worden ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Alternativen Vorschläge der Wirtschaftsminister zur Stärkung des nordrhein-westfälischen Einzelhandels entwickelt hat oder entwickeln wird. 1. Welche Probleme sieht die Landesregierung im Zusammenhang mit dem Verkauf von Neuwaren auf Trödel- bzw. Flohmärkten? Die Problemlage ist in der Vorlage 16/985 vom 28.06.2013 für den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und den Ausschuss für Kommunalpolitik dargelegt worden. Neue Erkenntnisse liegen nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9415 3 2. Mit welchen Maßnahmen wird sie diesen Problemen begegnen? Bei bestehender Rechtslage sind die Möglichkeiten eingeschränkt. Dem Vollzug verbleibt dabei die Aufgabe, für einen ordnungsgemäßen Ablauf von Marktveranstaltungen Sorge zu tragen. 3. Auf welche Weise kann die Landesregierung Kommunen bei ihren Kontroll- und sonstigen Aufgaben im Zusammenhang mit Floh- und Trödelmärkten unterstützen ? Sofern auf Seiten der Kommunen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Auslegung anzuwendender Rechtsvorschriften auftreten, kann die Landesregierung durch Auskünfte im Einzelfall oder – bei grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzuges – durch Anwendungshinweise und Erlasse unterstützen. 4. Welche Erkenntnisse über die absatzwirtschaftlichen Auswirkungen von Neuwarenverkauf auf Trödelmärkten liegen der Landesregierung vor? Mangels einer belastbaren statistischen Datengrundlage liegt keine umfängliche Auswirkungsanalyse vor. Die Aussagen betroffener stationärer Einzelhändler über Umsatzrückgange nach einer sonntäglichen Marktveranstaltung mit starkem Neuwarenangebot erscheinen plausibel und wurden auch im Bericht der Clearingstellte Mittelstand NRW vom 24.10.2013 aufgegriffen. 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen? Die Landesregierung hat bereits mit verschiedenen Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Einzelhandel beigetragen. So bietet das 2013 novellierte Ladenöffnungsgesetz NRW dem Handel größtmögliche Freiheiten unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich notwendigen Sonn- und Feiertagsschutzes. Auch der bereits 2013 in Kraft getretene Sachliche Teilplan Großflächiger Einzelhandel des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen dient dem Schutz des mittelständischen Einzelhandels in den Städten. Der Einzelhandel steht vor den Herausforderungen der Digitalisierung. Es ist grundsätzlich Sache der Wirtschaft und der Unternehmen selbst, sich auf solche Marktentwicklungen einzustellen . Die Landesregierung unterstützt den nordrhein-westfälischen stationären Einzelhandel bei der digitalen Transformation und der Erhaltung seiner Attraktivität. Dies reicht von wissenschaftlichen Untersuchungen der Auswirkungen des Online-Handels auf den Innenstadthandel mit entsprechenden Handlungsempfehlungen über einen ständigen Dialog mit den Akteuren des Handels zu den Entwicklungen bis hin zu Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität von Innenstädten.