LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9424 03.08.2015 Datum des Originals: 31.07.2015/Ausgegeben: 06.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3616 vom 25. Juni 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/9112 Schleppender Ausbau der Flüchtlingsunterkünfte des Landes Nordrhein-Westfalen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3616 mit Schreiben vom 31. Juli 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Vorlage des Innenministeriums vom 5. Juni 2015 standen dem Land zum 2. Juni 2015 insgesamt 8.880 Regelunterbringungsplätze sowie zusätzliche 1.300 Plätze in Notunterkünften zur Verfügung. Ziel der Landesregierung ist seit Vorlage des Nachtragshaushalts der Ausbau auf 16.500 Plätze. Der Ausbau der Plätze in Landeseinrichtungen geht derzeit nur sehr langsam voran und das, obwohl viele Gemeinden ihrer Verantwortung dem Land gegenüber nachkommen und Flächen und Gebäude für Landesflüchtlingseinrichtungen anbieten . Am Beispiel der Gemeinde Wegberg zeigt sich aber die Langwierigkeit der Verfahren um die Errichtung von Erstaufnahmeeinrichtungen. Eigentlich sollte die geplante Landeseinrichtung für bis zu 800 Flüchtlinge in einer ehemaligen Militärsiedlung in Wegberg noch in diesem Jahr eröffnet werden. Doch die zuständige Bezirksregierung Köln sagt, dass die Einrichtung erst nächstes Jahr fertig werde. Nach Aussage des stellvertretenden Regierungspräsidenten sind die entsprechenden Verträge noch nicht unterzeichnet. Außerdem müssten Heizungsund Wasserleitungen in der Wohnsiedlung erneuert werden. Auch aus anderen Städten und Gemeinden wird davon berichtet, dass die Prüfverfahren sehr lange dauern und insbesondere die Grenze von 500 Plätzen in den Landeseinrichtungen für viele Kommunen nicht zu leisten sind. Zudem fürchten Kommunen die Größe der Einrichtungen im Vergleich zur Gemeindegröße. Die Platzvorgabe sorgt dafür, dass viele Standorte, die angeboten werden, allein wegen der geringeren Platzkapazitäten nicht weiter für Landeseinrichtungen in Betracht genommen werden. Dennoch ist das Land aber darauf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9424 2 angewiesen, die Anzahl der Landeseinrichtungen erheblich auszubauen. Vor allem die zukünftig anvisierte Differenzierung im Asylverfahren zwischen Asylbewerbern mit und ohne Bleibeperspektive mit der Folge, dass Menschen ohne Perspektive hier bleiben zu dürfen während des gesamten Verfahrens in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben sollen, wird zu einem erheblichen Mehrbedarf an Plätzen in Landeseinrichtungen führen. Vorbemerkung der Landesregierung Am 14.07.2015 standen dem Land insgesamt 14.859 Unterbringungsplätze zur Verfügung, davon 9.335 Regelplätze und 5.524 Notplätze. Hier waren am 14.07.2015 14.679 Menschen untergebracht. Gegenüber September 2012 mit rund 1.800 Plätzen stand somit die fünffache Zahl an Regelunterbringungsplätzen und das Achtfache der damaligen Gesamtkapazität zur Verfügung. Allein gegenüber Oktober 2014 haben sich die Kapazitäten um 6979 Unterbringungsplätze , davon 4560 Regelplätze und 2419 Notplätze, erhöht. Die aktuellen Planungen weiterer Regeleinrichtungen können der Antwort auf die Kleine Anfrage 3469 (LT-Drs. 16/9240) entnommen werden, neue Notunterkünfte werden bereits jetzt laufend in Betrieb genommen. Dabei betreiben alle fünf Bezirksregierungen mit Nachdruck die Akquise weiterer Unterkünfte: Die Akquise von Regelunterkünften wurde mit Erlass vom 13.10.2014 auf die Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf für die beiden rheinischen Regierungsbezirke übertragen. Die Bezirksregierung Arnsberg blieb zunächst weiterhin zuständig für die Akquise in den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster und zentral für den Betrieb der Einrichtungen in allen Regierungsbezirken. Es ist beabsichtigt, nun auch auf die Bezirksregierungen Detmold und Münster die Aufgaben der Akquise und nachfolgend auch die Zuständigkeit für den Betrieb der Einrichtungen auf alle fünf jeweils örtlich zuständige Bezirksregierungen zu übertragen. Mit den Aufgaben der Akquise und auch des Betriebs neu zu schaffender Notunterkünfte sind bereits durch Erlass vom 12.02.2015 alle fünf Bezirksregierungen beauftragt worden. 1. Wie bewertet die Landesregierung den Mehrbedarf an Plätzen in Zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes, wenn zukünftig die Flüchtlinge, die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben, bis zur Entscheidung über das Asylbegehren in den Landeseinrichtungen verbringen sollen und nicht an die Kommunen zugewiesen werden? Bund und Länder beabsichtigen in einem befristeten Zeitraum eine weitere Beschleunigung der Asylverfahren sowie eine weitere Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer in Deutschland von Asylbewerbern aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote. Dies ist Ergebnis der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 18. Juni 2015. Ein optimaler Einsatz der begrenzten Ressourcen und eine maximale Verfahrenseffizienz sollen durch Clustern von Verfahren unter Federführung des Bundes und enge Zusammenarbeit der beteiligten Akteure erreicht werden. Zeitpunkt und Umfang der konkreten Umsetzung in den einzelnen Bundesländern werden bilateral zwischen Bund und Ländern festgelegt, unter Berücksichtigung der länderspezifischen Voraussetzungen, insbesondere in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Aufnahmekapazitäten in den Landeseinrichtungen. Erst nach Abschluss der Gespräche lässt sich eine Aussage über den Mehrbedarf vornehmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9424 3 2. Aus welchen Gründen will die Landesregierung nur Landeseinrichtungen mit mehr als 500 Plätzen zulassen? Grundsätzlich sollten Landeseinrichtungen eine Mindestgröße aufweisen, die es ermöglicht, die hier erforderlichen administrativen Tätigkeiten und Betreuungsleistungen mit effizientem Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu erbringen. Vor dem Hintergrund der weiter steigenden Anzahl von Landeseinrichtungen müssen insbesondere aus personalwirtschaftlicher Sicht sowohl für die Verwaltung als auch und insbesondere für die Betreiberorganisationen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, den Anforderungen weiterhin gerecht werden zu können. Bereits jetzt stellt die Gewinnung qualifizierten Personals für die Betreiberorganisationen eine große Herausforderung dar. Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt ist, dass gemäß § 5 Abs. 3 AsylVfG das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge i.d.R. erst ab einer Kapazität von mindestens 500 Unterbringungsplätzen in den Aufnahmeeinrichtungen eine Außenstelle einrichtet. Die Unterschreitung der sinnvollen Zielgröße von mindestens 500 Plätzen kann in Einzelfällen auch weiterhin möglich bleiben, insbesondere regelmäßig bei nur zur temporären Nutzung bestimmten Notunterkünften. Bei Regeleinrichtungen sollte es sich dabei jedoch um Ausnahmefälle handeln, in denen die Zielgröße nur geringfügig unterschritten wird. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit, das Erfordernis die Kapazitätsuntergrenze von 500 Plätzen in zukünftigen Landesaufnahmeeinrichtungen abzusenken, angesichts der Notwendigkeit von mehr Platzkapazitäten sowie der Möglichkeit, dass dann mehr Gebäude in Betracht kommen könnten? Siehe Antwort zu Frage 2. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit die Prozesse um die Einrichtung von Landesaufnahmeeinrichtungen schneller, mit einer verbesserten Koordinierung , einer zielgerichteten Vernetzung umzusetzen? Über die bereits erfolgte Aufgabenübertragung auf die Bezirksregierungen hinaus wird beabsichtigt , zukünftig die Aufgaben der Akquise und des Betriebs auch der Regeleinrichtungen auf alle jeweils örtlich zuständigen Bezirksregierungen zu übertragen (siehe Vorbemerkung der Landesregierung). Neben der Entlastung der Bezirksregierung Arnsberg vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Anzahl von Landeseinrichtungen und der Etablierung eines verantwortlichen Ansprechpartners im jeweiligen Bezirk liegt ein weiterer Vorteil in der Funktion der Bezirksregierungen als Bündelungsbehörden mit örtlicher Zuständigkeit beispielsweise in den Bereichen Umwelt, Kommunal- und Bauaufsicht. 5. Viele Kommunen müssen sich derzeit bei der Unterbringung von Flüchtlingen vor Ort auch mit provisorischen Lösungen begnügen. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeiten in solchen Sondersituationen für die Kommunen, Abweichungen von zu hohen Anforderungen an umweltrechtliche und energiewirtschaftlichen Vorgaben zuzulassen? Der Landesregierung ist bislang nicht bekannt, dass umweltrechtliche und energiewirtschaftliche Vorgaben die Schaffung von kommunalen Unterbringungseinrichtungen behindern würden.