LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9468 12.08.2015 Datum des Originals: 12.08.2015/Ausgegeben: 18.08.2015 (17.08.2015) Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3652 vom 3. Juli 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/9247 Kriminellen Gruppierungen nicht die Straße überlassen – GdP befürchtet rechtsfreie Räume Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3652 mit Schreiben vom 12. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Duisburg kam es in den vergangen 14 Tagen zu mindestens zwei Großeinsätzen der Polizei . Einmal wegen einer Massenschlägerei und ein anderes Mal eskalierte die Kontrolle von zwei jungen Männern, die stark nach Cannabis rochen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet, dass in den „Problemstadtteilen des Ruhrgebietes mit einem hohen Zuwandererpotenzial rechtsfreie Räume entstehen, in denen kriminelle Gruppierungen durch gezielte Einschüchterungen polizeiliche Maßnahmen verhindern wollen". Die GdP fordert deshalb, dass in solchen Viertel Mindeststärken für die Polizeiwachen festlegt werden, die nicht unterschritten werden dürfen. "Wir dürfen kriminellen Gruppierungen nicht die Straße überlassen, sonst werden ganze Stadtteile weiter abrutschen und mit ihnen die dort lebenden Menschen“, so GdP-Landesvorsitzender Arnold Plickert am 30.06.2015 auf http://www.derwesten.de („Polizisten angegriffen - Zehn Streifenwagen rücken nach Marxloh aus“). Laut GdP bestehe die Problematik auch in anderen Großstädten. Nahezu jede Woche entstünden Situationen, in denen Polizisten von einer größeren Menschenmenge bedroht und angegriffen werden: „Für die kriminellen Banden ist es ein Spiel. Sie wissen, dass die Polizei in ihrem Stadtviertel keine Maßnahmen mehr durchsetzen kann, wenn sie nach Angriffen auf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9468 2 einzelne Polizisten nicht sofort fünf bis zehn Streifenwagen zur Verstärkung heranziehen kann.“ Sorge bereitet der GdP vor allem das Vordringen von Großfamilien in den Problemvierteln. In Duisburg kämpften zudem mehrere rivalisierende Rocker- sowie andere Gruppen um die Vorherrschaft auf der Straße. Vorbemerkungen der Landesregierung Bei den vom Fragesteller in seiner Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage genannten zwei Großeinsätzen handelt es sich um zwei polizeiliche Einsätze am 24.06. und 29.06.2015 in Duisburg-Marxloh. 1. Wie waren die genauen Tathergänge in beiden oben beschriebenen Fällen? Im Zusammenhang mit zwei Polizeieinsätzen am 24.06. und 29.06.2015 in Duisburg führt die Staatsanwaltschaft Duisburg ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte u. a. Der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Einsatz am 24.06.2015 Am 24.06.2015 interviewten zwei Mitarbeiter eines Fernsehsenders auf einer Straße in Duisburg einen der späteren Beschuldigten, dem Kontakte zu den „Hells Angels“ nachgesagt werden. Eine namentlich nicht bekannte Person forderte den Mann auf, eine nahe gelegene Teestube aufzusuchen. Nach kurzem Aufenthalt dort betrat der Mann verletzt die Straße und verließ die Örtlichkeit. Mit ca. 25 Männern kehrte er zurück. Zu ihnen stieß eine von einer „örtlichen Größe“ der „Hells Angels“ angeführte Gruppe von etwa zehn Personen. Inzwischen waren zahlreiche Polizeibeamte (16 Einsatzkräfte) vor Ort, um die Gruppe um den Verletzten von den etwa 25 Personen aus der Teestube getrennt zu halten, da beide Lager ersichtlich eine körperliche Auseinandersetzung anstrebten. Aus der sich auf die Polizeikette zubewegenden Gruppierung um den Verletzten wurden die Polizeibeamten bedroht. Einzelne Polizisten wurden geschlagen. Nach mehrfacher Androhung wurde Pfefferspray gegen die Angreifer eingesetzt. Erst nach Eintreffen weiterer Polizeikräfte wurde den ausgesprochenen Platzverweisen Folge geleistet. Anhand durch Polizeikräfte gefertigter Lichtbilder konnten 10 Beschuldigte identifiziert werden . Wie und warum es zu der Verletzung des Mannes in der Teestube kam, ist Gegenstand der Ermittlungen. Ihr Abschluss bleibt abzuwarten. An dem Einsatz waren insgesamt 54 Beamte beteiligt. Einsatz vom 29.06.2015 Am 29.06.2015 erregten zwei Schaulustige wegen ihres starken Cannabisgeruchs die Aufmerksamkeit zweier mit der Aufnahme eines Verkehrsunfalls in Duisburg (Hagedornstraße 17) befasster Polizeibeamter. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9468 3 Wegen des Verdachts einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz forderten die Beamten eine der beiden Personen auf, ihre Bauchtasche zu öffnen. Die beiden Beschuldigten reagierten sofort aggressiv und wollten sich entfernen. Dabei schlug der Beschuldigte, dessen Bauchtasche kontrolliert werden sollte, die Beamtin, die ihn ergreifen wollte, zu Boden. Dem zweiten Polizisten gelang es, den Beschuldigten zu ergreifen. Als daraufhin den beiden Beamten eine Gruppe von zehn bis 15 Personen gegenüber trat und sie aus deren Mitte tätlich angegriffen, beleidigt und bedroht wurden, ließen sie von dem Beschuldigten ab. Einer der Beamten zog zu seiner Verteidigung die Dienstwaffe. Als Unterstützungskräfte der Polizei vor Ort erschienen, entfernten sich die Personen. Da den Beamten die beiden Beschuldigten bekannt waren, konnten diese zu einem späteren Zeitpunkt angetroffen und durchsucht werden. Betäubungsmittel wurden bei beiden Beschuldigten nicht gefunden. Beide Polizeibeamte wurden verletzt. 2. Wie oft kam es in den letzten fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen zu ähnlichen Situationen, in denen nur durch Großaufgebote die Lage unter Kontrolle gebracht wurde oder sich die Polizei sogar zurückziehen musste? (Bitte jeden Fall nach Datum, Ort, Tathergang, Anzahl der Verdächtigen und spätere Strafen auflisten ) Die erbetenen Zahlen liegen auf Landesebene nicht automatisiert vor. Eine Erhebung dieser Daten ist nur händisch und mit erheblichem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit können mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen die erbetenen Daten nicht erhoben werden. 3. Welche effektiven und wirksamen Maßnahmen gedenkt die Landesregierung gegen solche Vorfälle zu ergreifen? Straftaten werden durch die Polizei NRW konsequent verfolgt. Die zur Verfügung stehenden rechtlichen Befugnisse werden hierbei umfassend ausgeschöpft. Soweit im Einzelfall erforderlich , werden durch die Polizeibehörden Ermittlungsgruppen eingerichtet. Zur Verbesserung der Erkenntnislage und Aufhellung von Kriminalitätsstrukturen führen die Polizeibehörden strategische und operative Auswertungen durch. Das LKA NRW unterstützt hierbei und gewährleistet darüber hinausgehend einen überregionalen, länder- und staatenübergreifenden Informationsaustausch. Personal wird allen Kreispolizeibehörden in Nordrhein-Westfalen nach einem einheitlichen Maßstab und belastungsorientiert zugewiesen, wobei das Kriminalitäts- und Unfallgeschehen der zurückliegenden Jahre Berücksichtigung findet. Über die spezifische Verwendung des zugewiesenen Personals entscheiden die Kreispolizeibehörden eigenverantwortlich unter Berücksichtigung behördenstrategischer Schwerpunktsetzung und aktueller sicherheitsrelevanter Aspekte. Die Kreispolizeibehörden führen diesbezüglich fortlaufend eine Analyse und Prüfung der Örtlichkeiten auf die Erforderlichkeit hoheitlichen Handels durch. Dem einsatztaktischen Grundsatz folgend, dass Schwerpunkte gesetzt werden müssen, wurden für einige Kriminalitätsbrennpunkte besondere Lagebilder erstellt und u. a. umfangreichere Präsenzkonzeptionen entwickelt bzw. auch ständig fortgeschrieben. Soweit Kreispolizeibehörden zur Aufgabenwahrnehmung im Einzelfall zusätzliche Personalressourcen benötigen , wird hierüber gesondert entschieden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9468 4 Das Polizeipräsidium Duisburg wurde im Jahr 2014 im Rahmen der bestehenden brennpunktbezogenen Präsenzkonzeptionen mit 31.000 Personalstunden und im ersten Halbjahr 2015 mit ca. 9.000 Personalstunden durch die Bereitschaftspolizei unterstützt. Aufgrund der Entwicklung erfolgt im Rahmen der Präsenzkonzeption „Duisburg-Nordstadt“ seit Juni 2015 zunächst bis zum 31.12.2015 grundsätzlich eine tägliche personelle Unterstützung durch einen Einsatzzug (38 Beamte) Bereitschaftspolizei. Dabei handelt es sich um ein Maßnahmenkonzept basierend auf einer ganzheitlichen Polizeiarbeit im Zusammenwirken mit städtischen Sicherheitspartnern. 4. Ist die Integration bestimmter Milieus und Clans in unserem Land gescheitert? Auf der Grundlage von rechtswidrigem Verhalten einzelner Gruppen- oder Familienmitglieder kann kein Rückschluss auf die Integration der gesamten Familienverbände oder Gruppen gezogen werden. Dies relativiert keineswegs den Grundsatz, dass die Anerkennung der deutschen Rechtsordnung Kernbestandteil der Integration ist. 5. Wie viele kriminelle Clans und Großfamilien sind der Landesregierung in Nordrhein -Westfalen bekannt? (Bitte einzeln auflisten und beschreiben.) Daten zu verwandtschaftlichen Beziehungen von Tatverdächtigen oder zu Gruppenstrukturen werden in Rahmen von Ermittlungen immer dann erhoben, wenn dies im Einzelfall zu Zwecken der Strafverfolgung oder zur sonstigen polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Ziel hierbei ist es, Erkenntnisse möglichst umfassend für die Zwecke der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr nutzen zu können. Darüber hinausgehende Datenerhebungen sind rechtlich nicht zulässig.