LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9470 12.08.2015 Datum des Originals: 12.08.2015/Ausgegeben: 17.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3660 vom 7. Juli 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/9261 Kosten des Polizei und Rettungskräfteeinsatzes im Tagebau Hambach am 03./04. Juli Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3660 mit Schreiben vom 12. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft , Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation , Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Aachener Zeitung berichtet von einer neuerlichen Protestaktion von Braunkohlegegnern im Tagebau Hambach am vergangenen Wochenende, die zu einem massiven Polizei- und Rettungskräfteeinsatz geführt hat. Die Aktivisten hatten in der Nacht vom 03. auf den 04. Juli 2015 drei Schaufelradbagger besetzt . Der Tagebaubetreiber musste daraufhin aus Sicherheitsgründen den Betreib einstellen . Aufgrund der großen Hitze am 04. Juli, der metallischen Wärmeabstrahlung der Bagger und der aufziehenden Gewitter gestaltete sich der Rettungseinsatz kompliziert. Zwei Personen haben sich beim Abseilen aus 90 Metern Höhe offenbar auch erheblich gewehrt und damit auch die Rettungskräfte in Gefahr gebracht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9470 2 1. Wie war der genaue Einsatzablauf zur Evakuierung der Aktivisten von den Schaufelradbaggern? Am 04.07.2015, um 03:01 Uhr, wurde der Leitstelle der Kreispolizeibehörde (KPB) Düren durch eine unbekannte, männliche Person über Notruf mitgeteilt, dass sie sich auf einem Bagger im Tagebau Hambach befände. Nach Überprüfung durch den Werkschutz der RWE Power AG bestätigte sich eine Baggerbesetzung. Insgesamt wurden im Tagebau drei besetzte Bagger festgestellt, deren Betrieb durch die RWE Power AG unverzüglich eingestellt wurde. Der Versuch einer vierten Baggerbesetzung konnte durch eingesetzte Polizeibeamte verhindert werden. Die zwei dabei festgehaltenen Personen wurden wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs und des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz (Mitführen eines pyrotechnischen Gegenstandes) zum Zwecke der Identitätsfeststellung der Polizeiwache Düren zugeführt. Zur Lagebewältigung wurden durch die KPB Düren unverzüglich Sofortverstärkungskräfte aus den umliegenden Kreispolizeibehörden sowie der Bereitschaftspolizei inklusive eines Höheninterventionsteams angefordert. Im Rahmen der Lagebewertung wurde festgestellt, dass es sich bei den Besetzern teilweise um nicht klettererfahrene Personen handelte, die ungesichert in einer Höhe von 70-90 Metern auf den Baggern kletterten bzw. sich auf den dort befindlichen Plattformen aufhielten. Lageverschärfend erwiesen sich die an diesem Tag herrschenden Außentemperaturen von über 30 Grad Celsius. Es wurde befürchtet, dass die Wärmeabstrahlung des sich erhitzenden Metalls der Schaufelradbagger (gemessene Temperatur über 45 Grad Celsius) sowohl zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Dehydrierung) der Besetzer führen als auch die Einsatzmöglichkeiten der Höheninterventionskräfte hätte beeinträchtigen können. Darüber hinaus lag eine Unwetterwarnung mit Gewitter, Starkregen und Sturmböen für die Nachmittagsstunden vor, durch die sich weitere Gefährdungsmomente für die Besetzer und die eingesetzten Kräfte ergaben. Um die Bergung der Besetzer daher schnellstmöglich durchzuführen wurden zur Unterstützung Höhenrettungsteams der Berufsfeuerwehren Aachen, Köln und Düsseldorf und der Spezialeinheiten Dortmund sowie Beamte einer Verhandlungsgruppe angefordert. Vorsorglich wurden des Weiteren Rettungsdienstkräfte des Kreises Düren angefordert. Insgesamt befanden sich zehn Aktivisten auf den Baggern, die im Verlaufe des Einsatzes sicher zu Boden gebracht werden konnten. Dabei musste ein Teil der Besetzer aus Ankettvorrichtungen , sogenannten Lock-Ons, gelöst werden. Nach aktualisiertem Sachstand leistete ein Besetzer Widerstand gegen die polizeilichen Maßnahmen, in dem er sich aktiv gegen die Maßnahmen in großer Höhe sperrte bzw. die Maßnahmen durch Festhalten zu unterbinden versuchte. Der letzte der zehn Aktivisten wurde gegen 17.50 Uhr geborgen. Sie wurden ärztlich in Augenschein genommen, verweigerten jedoch jede medizinische Behandlung. Die Personen wurden der Polizeiwache Düren zum Zwecke der Identitätsfeststellung zugeführt und von dort entlassen. Entsprechende Strafverfahren wurden eingeleitet. 2. Wie viele bzw. welche Einsatzkräfte von Polizei und Rettungskräften waren notwendig ? (Bitte detailliert auflisten.) Einsatz Polizei Insgesamt wurden -103- Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte und fünf Regierungsbeschäftigte eingesetzt. Im Einzelnen befanden sich hierunter -27- Einsatzkräfte der KPB Düren, - 26- Sofortverstärkungskräfte der umliegenden Kreispolizeibehörden, -42- Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei, -12- Einsatzkräfte der Spezialeinheiten sowie -1- Kriminalbeamter. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9470 3 Einsatz Feuerwehr und Rettungsdienst Insgesamt waren -36- Einsatzkräfte im Rettungseinsatz. Durch die Berufsfeuerwehren Aachen, Köln und Düsseldorf wurden drei Höhenrettungsgruppen (-19- Kräfte) eingesetzt. Darüber hinaus wurden -1- Leitender Notarzt, -1- Notarzt, -1- Organisatorischer Leiter Rettungsdienst , -3- Rettungswagen, -1- Krankentransportwagen, -1- Kommandowagen und -1- Einsatzleitwagen (jeweils Rettungsdienst/Feuerwehr Kreis Düren) mit einer Gesamtstärke von -17- Einsatzkräften zum Einsatzort entsandt. 3. Welche Kosten hat der Einsatz verursacht? Einsatz Polizei Durch die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden werden Kosten, die im Zusammenhang mit Einsätzen in Nordrhein-Westfalen entstehen, grundsätzlich nicht erhoben. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass für die Verpflegung der Einsatzkräfte ca. 2.000 Euro aufgewandt wurden. Darüber hinaus entstanden Materialkosten durch nicht mehr verwendungsfähige Einsatzmittel (u. a. Sicherungsseile der Höheninterventionsteams) Kosten in Höhe von ca. 4.600 Euro. Einsatz Feuerwehr und Rettungsdienst Die Kosten für den Einsatz der Feuerwehr bzw. des Rettungsdienstes belaufen sich nach derzeitigem Stand auf ca. 6.700 Euro. 4. Werden den Aktivisten die Kosten in Rechnung gestellt? (Wenn Nein, warum nicht?) Einsatz Polizei Wie dargestellt werden durch die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden Kosten, die im Zusammenhang mit Einsätzen in Nordrhein-Westfalen entstehen, grundsätzlich nicht erhoben , zumal auch keine Rechtsgrundlage besteht, um diese Kosten gegenüber Dritten geltend zu machen. Einsatz Feuerwehr und Rettungsdienst Die Erhebung der Kosten bzw. die Prüfung der rechtlichen Grundlagen zum Kostenersatz sind noch nicht abgeschlossen. 5. Wie sieht die künftige Strategie zur Verhinderung bzw. bei weiteren bereits angekündigten Aktionen aus? Wie bereits in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3183 (Landtagsdrucksache 16/8278) dargestellt, werden die vornehmlich betroffenen Polizeibehörden Rhein-Erft-Kreis und Düren regelmäßig zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten im Rahmen ihrer originären Zuständigkeit tätig. In seit Sommer 2013 eingerichteten Besonderen Aufbauorganisationen in beiden Kreispolizeibehörden werden Aufklärungs- und Raumschutzmaßnahmen durch Kräfte des Wachdienstes und durch Diensthundführer durchgeführt . Die Maßnahmen werden anlassbezogen durch Kräfte der Bereitschaftspolizei, Landesreiterstaffel und die Polizeifliegerstaffel unterstützt. Die Kriminalpolizei führt - unbeschadet notwendiger Ermittlungsmaßahmen - eigene Aufklärungsmaßnahmen durch. Des Weiteren unterstützt die Polizei die Ordnungs-, Bergbau-, Landschaftsschutzbehörden und Gerichtsvollzieher regelmäßig durch die Gewährung von Vollzugshilfe bei deren Aufga- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9470 4 ben. So wurden beispielsweise Ortsbegehungen der zuständigen Behörden durch polizeilichen Schutz gewährleistet und Räumungstitel vollstreckt. Im Vorfeld angekündigter demonstrativer oder sonstiger Aktionen entwickeln die einsatzführenden Polizeibehörden Einsatzkonzeptionen basierend auf der jeweiligen Lagebeurteilung, in denen auch der erforderliche Kräfterahmen festgelegt wird. Die für den Hambacher Forst örtlich zuständigen Kreispolizeibehörden werden dabei auch durch andere Polizeibehörden, insbesondere durch Kräfte der Bereitschaftspolizei, im erforderlichen Umfang unterstützt. Für aus polizeilicher Sicht unvorhergesehene Aktionen oder Ereignisse treffen die Polizeibehörden darüber hinaus vorbereitende Planentscheidungen. Generell ist festzustellen, dass die große räumliche Ausdehnung des Gebietes Hambacher Forst die Sicherheitsbehörden immer wieder vor große Herausforderung stellt und nicht jede mögliche Aktion von Aktivisten antizipiert werden kann.