LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9503 17.08.2015 Datum des Originals: 17.08.2015/Ausgegeben: 20.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3702 vom 17. Juli 2015 des Abgeordneten Oskar Burkert CDU Drucksache 16/9320 Wie weit werden die Leistungselemente des Pflegestärkungsgesetzes I in NordrheinWestfalen umgesetzt? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 3702 mit Schreiben vom 17. August 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 1.Januar 2015 ist das Pflegestärkungsgesetz I (PSG I) in Kraft getreten, das bereits im Mai 2014 im Bundeskabinett beschlossen wurde. Ziel des PSG I ist es, eine Flexibilität beim Abruf der Pflegeleistungen unter Zugrundelegung der Bedürfnisse der einzelnen Menschen zu erreichen. Mehr Zeit und weniger Bürokratie bei der Pflege sollen sichergestellt werden. Dabei haben alle Pflegedürftigen Anspruch auf niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsleistungen in der ambulanten Pflege. Menschen mit Pflegestufen I bis III können diese Leistungen im Umfang von bis zu 104 Euro pro Monat abrechnen. Für Demenzkranke gelten Beträge von 104 und 208 Euro pro Monat. Neu sind auch Entlastungsleistungen, etwa für Hilfe im Haushalt oder Alltagsbegleiter. Bis zu 40 % der ambulanten Pflegesachleistung kann für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote eingesetzt werden. Vorbemerkung der Landesregierung Zum 01.01.2015 sind mit dem 1. Pflegestärkungsgesetz (PSG I) auf Bundesebene Änderungen des SGB XI in Kraft getreten, die u.a. die Vorschriften zu niedrigschwelligen Angeboten der §§ 45b und 45c SGB XI betreffen. Diese Angebote bedürfen der Anerkennung nach LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9503 2 Landesrecht, damit entsprechende Leistungen bei den Pflegekassen geltend gemacht werden können. Grundlage für dieses Verfahren ist in Nordrhein-Westfalen die „Verordnung über niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote für Pflegebedürftige“ (HBPfVO), die derzeit überarbeitet wird. Anzumerken ist, dass es sich hierbei nicht um eine rechtliche Betreuung im Sinne des § 1896 BGB handelt, sondern um persönliche Betreuungen im Sinne des § 45c SGB XI. Änderungen zu niedrigschwelligen Betreuungsangeboten Mit dem PSG I ist der Kreis der Anspruchsberechtigen über Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz hinaus auf rein somatisch Pflegebedürftige mit einer Einstufung in eine Pflegestufe erweitert worden. Gemäß § 45b Absatz 3 SGB XI können jetzt auch bis zu 40 % des ambulanten Pflegesachleistungsumfangs nach den §§ 36 und 123 SGB XI für die niedrigschwelligen Betreuungsangebote eingesetzt werden. Dies bedeutet, dass - ohne eine Erhöhung des Gesamtbudgets - Finanzmittel statt für pflegerische Verrichtungen zugunsten von niedrigqualifizierten Dienstleistungen unterhalb von Pflege umgewidmet werden können. Neben den bisherigen niedrigschwelligen Betreuungsangeboten werden künftig auch sogenannte niedrigschwellige Entlastungsangebote nach Landesrecht anerkennungsfähig sein, die im § 45c Absatz 3a SGB XI beschrieben werden. Hierunter fallen zum Beispiel unterstützende Dienstleistungen im Haushalt, Alltags- oder Pflegebegleitung. Diese Neuerungen des PSG I werfen grundsätzliche Fragen auf, z.B. welche Angebote künftig über Sozialversicherungsleistungen finanziert werden sollen und welche Qualitätsanforderungen an diese zu stellen sind. Hier sind die bundesrechtlichen Regelungen nicht eindeutig. Darüber hinaus ist die Klärung künftiger Zuständigkeiten und Verwaltungsabläufe für die Prüfung und Anerkennung der Angebote erforderlich. Als weitere beachtliche Regelungsebene mit Auswirkungen auf die HBPfVO beschließt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. Empfehlungen zu Einzelheiten der Förderung. Das Nähere zur Umsetzung dieser Empfehlungen wird in Nordrhein-Westfalen ebenfalls durch die HBPfVO bestimmt. Nachdem der Spitzenverband Bund der Pflegekassen diese Empfehlungen bereits im Frühjahr 2015 mit den Ländern konsentiert hat, erfolgte die Zustimmung seitens des Bundesministeriums für Gesundheit erst mit Schreiben vom 29.06.2015. Grundsätzlich gewährleistet die geltende, noch nicht überarbeitete HBPfVO, dass seit dem 01.01.2015 sowohl die bereits landesrechtlich anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangebote über § 45 b Absatz 1 SGB XI abgerechnet als auch weiterhin neue niedrigschwellige Betreuungsangebote anerkannt werden können. 1. Warum hat die Landesregierung bis heute nicht die Voraussetzung geschaffen, dass reine Betreuungsdienste die sogenannten niederschwelligen Dienstleistungen abrechnen können? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, bestehen für niedrigschwellige Betreuungsangebote entsprechende Grundlagen, die eine Abrechnung ermöglichen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9503 3 2. Sieht die Landesregierung eine Benachteiligung der Pflegebedürftigen in Nordrhein -Westfalen bedingt durch die Tatsache, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme niederschwelliger Leistungen noch nicht geschaffen wurden? Durch die Umwidmungsmöglichkeit des § 45b Abs. 3 SGB XI steht den pflegebedürftigen Menschen aus der Pflegeversicherung kein Euro mehr als vorher für die Versorgung zur Verfügung . Es ist lediglich die Möglichkeit geschaffen worden, die vorhandenen Mittel anders einzusetzen, d.h. ggf. zur bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung notwendige Pflegeleistungen zugunsten von niedrigqualifizierten Angeboten einsparen zu können. Soweit die neuen niedrigschwelligen Entlastungsangebote mangels Anerkennung noch nicht mit den Pflegekassen abgerechnet werden können, ist sich die Landesregierung bewusst, dass es hinsichtlich der Flexibilität der Leistungsinanspruchnahme zu einer Beschränkung einzelner Betroffener kommen kann. Sie hält dies jedoch vor dem Hintergrund der durch die mangelnden Vorgaben des Bundesgesetzes ausgelösten Klärungsbedarfe (siehe Vorbemerkung) im Interesse aller potentiellen Nutzerinnen und Nutzer für gerechtfertigt. 3. Bis wann wird die Landesregierung die Möglichkeit für die Abrechnung der niederschwelligen Angebote in Nordrhein-Westfalen durch reine Betreuungsvereine schaffen? (Bitte Nennung eines Datums) Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter arbeitet intensiv an der gebotenen Überarbeitung der HBPfVO und bezieht hier auch kurzfristig die Praxis mit ein. In den Prozess müssen auch Änderungen einbezogen werden, die die Bundesregierung mit dem 2. Pflegestärkungsgesetz vornehmen will. Ein erster Entwurf dieses Gesetzes wurde am 22.06.2015 übersandt. Der Beschluss des Bundeskabinetts wird für den 12.08.2015 erwartet . Das Gesetz soll zum 01.01.2016 in Kraft treten und ab dem 01.01.2017 umgesetzt werden. Die Verzögerungen durch die mit dem 2. Pflegestärkungsgesetz verbundenen erneuten Änderungen der für die Verordnung maßgeblichen bundesrechtlichen Vorgaben betreffen nicht nur Nordrhein-Westfalen. Eine Länderumfrage hat ergeben, dass in keinem der Länder, die eine Rückmeldung abgegeben haben, eine neue Verordnung bereits in Kraft getreten ist. Ein Land beabsichtigt, seine alte Verordnung nicht zu ändern. Die Spannbreite der Planungen in den anderen Ländern sieht dabei eine Umsetzung innerhalb eines Zeitrahmens zwischen Herbst 2015 und - zeitgleich mit dem Wirksamwerden des PSG II - Anfang 2017 vor. Vorbehaltlich des weiteren Verfahrens zum PSG II strebt die Landesregierung ein Inkrafttreten der überarbeiteten HBPfVO spätestens zum 01.01.2016 an.