LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9536 20.08.2015 Datum des Originals: 20.08.2015/Ausgegeben: 25.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3712 vom 21. Juli 2015 des Abgeordneten Bernhard Schemmer CDU Drucksache 16/9330 Planungsstillstand bei Straßen in NRW – nur Krümel aus dem Investitionstopf des Bundes Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage 3712 mit Schreiben vom 20. August 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Während Bundesverkehrsminister Dobrindt bei den Verkehrsinvestitionen für den Straßenbau klotzt, bekommt NRW 128 Mio vornehmlich für kleine Ortsumgehungen von den insgesamt 2.679 Mio Euro, d.h. lediglich knapp 5 Prozent. Nach dem Königsteiner Schlüssel würden NRW fast 22 Prozent zustehen. Ursache ist nicht die Vergabe nach Himmelsrichtungen, sondern fehlende Planfeststellungen in NRW. Planfeststellungen sind nicht nur für den Neubau sondern auch für größere Erhaltungsmaßnahmen , einschließlich Brücken, erforderlich. Und da zeigt sich der Planungsstau in NRW. Der Planungsstau in NRW ist nicht auf einen angeblich überproportionalen Stellenabbau in den Jahren 2005 – 2010 durch die schwarz-gelbe Landesregierung zurückzuführen, sondern ausschließlich auf das Planungschaos der Minderheitsregierung von Frau Kraft von 2010- 2012 und dem Durcheinander bis heute im Landesverkehrsministerium. Während 2005 bis 2010 von anderen Ländern zurückgegebene Bundesmittel zusätzlich verbaut wurden, wurden im Jahr 2013 42 Mio Euro an den Bund zurückgegeben. Gründe für die fehlende Planfeststellung seit 2013 sind: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9536 2 a) Abbau von 100 Diplomingenieuren beim Landesbetrieb Straßen von 2010 bis 2014 unter der Regierung Kraft. Die 2014 (ein halbes Jahr nach Verabschiedung des Haushalts) zusätzlich eingestellten Bauingenieure führten trotzdem zu einem Gesamtminus von 80 Bauingenieuren. b) Rücknahme von Planungsaufträgen an Ingenieurbüros. So wurden die Vergabemittel von 2010 bis 2012 auf knapp 18 Mio Euro halbiert. c) Ablehnung des Beitritts zur DEGES bis Ende 2013. Im Januar 2014 die Kehrtwende: Beitritt des Landes NRW zur DEGES. Aus Vorlage 16/1629: „Die Deutsche Einheit Fernstraßenpöanungs- und -bau GmbH (DEGES) soll daher in Ergänzung zum Landesbetrieb helfen, ausreichende Planungsvorräte aufzubauen und ausgewählte Bauprojekte zu realisieren. Dabei wird auch in Zukunft der weit überwiegende Teil der Planungs- und Bauaufgaben vom Landesbetrieb selber abgewickelt werden. Der Beitritt zur DEGES ist kein Eintritt in die Privatisierung, sondern Überbrückung eines Engpasses.“ Nun dauert es mehrere Jahre, bis die Planungsdefizite aufgearbeitet sind und planfestgestellte Projekte vorliegen. In der Presseinformation 520/7/2015 sind die Sachverhalte falsch bzw. unvollständig dargestellt : Beispielsweise ist unter planfestgestellten Projekten die A1 AS Lengerich/TecklenburgAS Lotte/Osnabrück mit aktuellen Kosten von 150 Mio Euro angegeben. Hier verschweigt die Landesregierung, daß im Investitionsrahmenplan 2011-2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP) am 15.12.2011 der frühere Bundesminister Peter Ramsauer für dieses Projekt mit Gesamtinvestitionen von 249 Mio Euro bereits 125 Mio als ÖPP-Projekt bereitgestellt hatte. Die Regierung Kraft weigert sich bisher beharrlich, dieses Projekt als ÖPP-Projekt anzunehmen; deshalb keine Finanzierung im neuen Investitionsprogramm des Bundes. Bei welchen anderen in dieser Pressinformation genannten Straßenbauprojekten es beim Land NRW liegende Gründe gibt – nicht im Investitionsrahmenplan aufgeführt zu werden – wird ebenfalls nicht beschrieben. Für weitere wichtige Bundesfernstraßenprojekte hat die gedrosselte Weiterführung der Planung zu keiner fertigen Planfeststellung geführt. Als Beispiel kann auf die B 67 / B 474 zwischen Reken und AS Dülmen-Nord der A 43 verwiesen werden. Obwohl 2010 die Planfeststellung kurz bevorstand, sind inzwischen fünf Jahre ergebnislos verstrichen. Während Bayern, aber auch Baden-Württemberg, Hessen und sogar Rheinland-Pfalz mit 621 Mio Euro, 537 Mio Euro, 390 Mio Euro und 293 Mio Euro bei den Straßenbau-Milliarden aus dem „Vollen“ schöpfen, geht NRW wegen fehlender Planfeststellungen vergleichsweise leer aus. 1. Bis wann hat das Land NRW genügend Erhaltungs- und Neubaumaßnahmen planfestgestellt, um an künftigen Verkehrsinvestitionsprogrammen auch angemessen beteiligt zu werden? Bevor Straßenbaumaßnahmen umgesetzt werden können, bedarf es eines Vorlaufs von mindestens 6 bis 10 Jahren. In den Jahren 2005 bis 2010 wurde im Bereich des Straßenbaus überproportional Personal (1,8 % statt 1,5 % in der allgemeinen Landesverwaltung) abge- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9536 3 baut. Dies wurde dadurch verstärkt, dass im Bereich der Straßenplanung besonders viele Stellen altersbedingt frei wurden. Bereits im Jahr 2010/2011 hat die letzte Landesregierung diesen Abbau auf 1,5 % zurückgeführt. Die aktuelle Landesregierung hat dann 2013 den Stellenabbau ausgesetzt und ab 2014 neue Stellen für Ingenieure ausgewiesen. Auch sind die Mittel, die der Landesbetrieb zur Beauftragung von externen Ingenieurbüros erhält, auf 34 Mio. € erhöht worden. Im Übrigen wird der Landesbetrieb Straßenbau organisatorisch und personell so aufgestellt, dass die bereitgestellten Investitionsmittel abgerufen werden können. Dabei geht die Landesregierung von einem mittelfristigen jährlichen Investitionsvolumen von 1,25 Mrd. € aus (vgl. Landtags-Vorlage 16/2598 vom 16.01.15). In Ergänzung zu den Kapazitäten des Landesbetriebs wird die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) mit Planung und Bau von Projekten beauftragt. Im Jahr 2014 konnten so rd. 95,8 Mio. € mehr verausgabt werden als ursprünglich vom Bund zur Verfügung gestellt wurden. Auch in diesem Jahr werden die Bundesfernstraßenmittel in vollem Umfang ausgeschöpft werden können. 2. Bis wann wird die seit 40 Jahren laufende Planung für die B67 / B474 planfestgestellt ? Das Planfeststellungsverfahren zum Neubau der „B 67n Reken – Dülmen und der B 474n Ortsumgehung Dülmen“ wurde in 2010 durch den Landesbetrieb Straßenbau NRW beantragt und durch die Planfeststellungsbehörde der Bezirksregierung Münster im August 2010 eingeleitet . Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurden 212 Stellungnahmen und Einwendungen eingereicht. In der Zeit vom 24.06. bis 03.07.2014 wurde der Erörterungstermin durch die Bezirksregierung Münster durchgeführt. Hieraus resultierende Deckblätter werden noch in 2015 der Bezirksregierung Münster zur Offenlage vorgelegt. Aufgrund der ausstehenden offenen Verfahrensschritte ist eine belastbare Aussage zum Zeitpunkt der Planfeststellung nicht möglich. Bereits jetzt sind die Vorbereitungen für die bauliche Umsetzung angelaufen. Beispielsweise sind die maßgeblichen Kompensationsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen, rd. 60 ha), für die aus artenschutzrechtlichen Gründen eine Funktion als Alternativlebensraum bereits vor Baubeginn zwingend ist, fast in Gänze hergerichtet. 3. Aus welchen Gründen (z.B. zu späte Anmeldung) fehlt – neben der A1 – für die abgeschlossenen Planungen bei der B 66 und der B 481 die Finanzierungszusage des Bundes? Der Bund hat für diese Vorhaben keine Finanzierungszusagen erteilt, weil kein vollziehbares Baurecht vorliegt. Dies hat Bundesverkehrsminister Dobrindt in anderen Ländern in vergleichbaren Fällen anders entschieden und NRW damit benachteiligt. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 31.03.2011, 9 VR 2/11) fehlt es abweichend von diesem gesetzlichen Regelfall an einem aktuellen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung eines fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses , wenn bei Erlass des Beschlusses absehbar war, dass mit einem baulichen Vollzug des festgestellten Plans erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt zu rechnen ist. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 10.08.2011, 11 B 189/11.AK) fordert, dass das Vollzugsinteresse über einen Nachweis der für die bauliche Realisierung zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel belegt sein muss. Für alle vier angesprochenen Bundesfernstraßenprojekte liegen Zusagen des Bundes für einen Baube- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9536 4 ginn – und damit die Einstellung in den Straßenbauplan des Bundes – nicht vor. Vor diesem Hintergrund haben die Planfeststellungsbehörden hier und in allen Fällen, in denen Planfeststellungsbeschlüsse für Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs beklagt worden sind, von Amts wegen die sofortige Vollziehbarkeit aussetzen müssen. Sobald die Finanzierungszusage des Bundes vorliegt, können die Planfeststellungsbehörden dies rückgängig machen und die sofortige Vollziehbarkeit läge wieder vor. 4. Werden neben dem Landesbetrieb Straßen NRW und der DEGES weitere – externe – Planungskapazitäten in Anspruch genommen, um den NRW-Rückstand bei der Planfeststellung aufzuarbeiten? Sowohl der Landesbetrieb Straßenbau als auch die DEGES greifen bei den Planungen in erheblichem Maße auf Kapazitäten externer Ingenieurbüros zu. 5. Wann will NRW das vom Bund ausschließlich als ÖPP angebotene Projekt „6- spuriger Ausbau der A1 zwischen Münster und Osnabrück“ annehmen? Vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird derzeit eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung als Entscheidungsgrundlage über die Beschaffungsvariante – ob konventionell oder ÖPP – erstellt. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.