LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9543 21.08.2015 Datum des Originals: 20.08.2015/Ausgegeben: 26.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3684 vom 13. Juli 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/9293 Flüchtlingsaufnahmequote Nordrhein-Westfalens Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3684 mit Schreiben vom 20. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bei einer Sondersitzung des Innenausschuss am Freitag, 10. Juli 2015, anlässlich der Notsituation der Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund-Hacheney mit einer dreifachen Überbelegung sowie zwei Aufnahmestopps innerhalb einer Woche, erklärte der Innenminister, dass in den inzwischen 44 Landeseinrichtungen (Erstaufnahmeeinrichtungen, Zentrale Unterbringungseinrichtungen und Notunterkünfte) derzeit 13.500 Menschen untergebracht sind, auf 14.000 Plätzen. Die Lage in der EAE Dortmund-Hacheney, die standortbedingt bereits besonders belastet ist, wurde durch acht wegen Windpocken gesperrte Heime erschwert. 6 Zentrale Unterbringungseinrichtungen des Landes (Bad-Berleburg, Bad-Driburg, Burbach, Essen, Neuss, Olpe) und zwei Notunterkünften (Heiligenhaus und Hagen-Hohenlimburg) wurden wegen Krankheitsfällen geschlossen. Dadurch standen 3.100 Plätze nicht zur Verfügung . Insgesamt gibt es in NRW zwei Erstaufnahmeeinrichtungen in Bielefeld und Dortmund, 22 Zentrale Unterbringungsrichtungen, von denen drei zusätzlich die Funktion einer Erstaufnahmeeinrichtung haben (Bad Berleburg, Burbach und Unna-Massen). Demnächst wird auch in Ahlen eine ZUE eingerichtet. Dort sollen bis zu 500 Flüchtlinge unterkommen. Eine Einrichtung am Flughafen Düsseldorf zählt ebenfalls zu den ZUE, dort ist kurzzeitig Platz für 40 Menschen. Außerdem gibt es landesweit 20 Notunterkünfte. Diese sind darauf ausgelegt, Flüchtlingen für einen Zeitraum von mehreren Wochen bis zu wenigen Monaten eine Bleibe zu bieten. Die jüngsten Notunterkünfte befinden sich in Beckum und in Bad Salzuflen. Aber LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9543 2 auch in Marl, Paderborn, Münster, Lengerich, Coesfeld, Marl und Meschede bekommen hunderte Menschen vorübergehend ein Dach über dem Kopf. Die Herausforderungen Dortmunds und Nordrhein-Westfalen resultieren aktuell aus einem für Sommermonate außergewöhnlichen hohen Zugang. Zudem trage Nordrhein-Westfalen, so die Vertreter des Innenministeriums in der Sondersitzung, die Hauptlast unter den Ländern . Laut Verteilungsschlüssel müsse das Land 21,2 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen, es kämen aber viel mehr Asylbewerber in die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes NRW. Sie müssten zumindest kurzzeitig versorgt und dann weitergeleitet werden. Der Innenminister sprach von „real“ rund 30 Prozent der Flüchtlinge, die Nordrhein-Westfalen derzeit aufnehme . Ein sprunghafter Anstieg im Juni habe auch damit zu tun, dass in einigen Heimen in anderen Bundesländern wegen ansteckender Krankheiten ein Aufnahmestopp bestehe. 1. Wie kommt der Innenminister zu der Behauptung, dass Nordrhein-Westfalen aktuell 30 Prozent aller Asylbewerber deutschlandweit aufnehme? Die monatlich veröffentlichte Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weist die Zahl der im jeweiligen Zeitraum beim BAMF gestellten Asylanträge aus, unabhängig vom Zeitpunkt der Ankunft der Asylsuchenden in den Aufnahmeeinrichtungen. Sie ist somit keine Zugangs-, sondern eine Antragsstatistik und trifft keine Aussage über die Zahl der tatsächlich in den EAE eingetroffenen Personen. Nordrhein-Westfalen wurden gemäß der Aufnahmequote in Höhe von 21,24052 Prozent im Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.07.2015 ausweislich der IT-Anwendung zur Erstverteilung der Asylbegehrenden auf die Bundesländer (EASY) 65.978 Erstantragsteller zugewiesen. Dies entspricht ca. 21,35 Prozent von bundesweit 309.075 Asylsuchenden im Zeitraum vom 01.01. bis 31.07.2015. Angekommen sind davon in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Landes 59.210 Personen. Die Weiteren sind im Zuge der Verteilung zwischen den Bundesländern untergetaucht oder ausgereist. Die Zahl der tatsächlich die EAE des Landes aufsuchenden Personen ist jedoch deutlich höher. Über die o.g. Gruppe der Erstantragsteller hinaus, die NRW über das EASY-System zugewiesen werden, sind hier zwei weitere Gruppen zu nennen: Zum einen die Zahl der Erstantragsteller , die NRW über die Aufnahmequote des Königsteiner Schlüssels hinaus unmittelbar anlaufen und von hier aus in andere Bundesländer weitergeleitet werden (siehe auch Antwort zu Frage 4), und zum anderen Folgeantragsteller, die in ihre Zuweisungskommune aus dem Erstverfahren weitergeleitet werden. Beide Gruppen müssen in den EAE zumindest vorläufig untergebracht und versorgt werden. Im Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.07.2015 waren dies rund 28.200 Personen. Tatsächlich wurden die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes in diesem Zeitraum also von insgesamt rund 87.400 Asylbewerbern aufgesucht . 2. Wie hoch ist aktuell die Ist-Aufnahme-Quote von Asylbewerbern in NordrheinWestfalen im Ländervergleich? Die Aufnahmequote aller Bundesländer richtet sich nach dem Königsteiner Schlüssel für das vorangegangene Kalenderjahr, § 45 S. 2 AsylVfG. Ein Ländervergleich der tatsächlich insgesamt in den EAE ankommenden Personenzahl liegt der Landesregierung nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9543 3 3. Die aktuelle Übersicht des BAMF vom 09. Juli 2015 zu den Ist-Differenzen bei der Aufnahmequote der Länder weist für Nordrhein-Westfalen entgegen der Aussage des Ministers nicht aus, dass NRW bei der Aufnahme von Asylbewerbern über der EASY-Quote nach dem Königsteiner Schlüssel liege. Zum 09. Juli 2015 weisen lediglich Thüringen und Sachsen, aufgrund der Schließung von Einrichtungen wegen Windpocken, eine verringerte Ist-Aufnahme von Asylbewerbern aus, die durch Bremen (+396), Hessen (+340) und Bayern (+1.102) kompensiert werden , deren reale Aufnahme von Asylbewerbern weit über der sog. Easy-Quote liegen. Nordrhein-Westfalen nehme, nach dieser Aufstellung, in etwa die Zahl an Asylbewerbern auf (-22), die nach dem Königsteiner Schlüssel vorgesehen sei. Wie erklärt sich das Innenministerium die Differenz zwischen der Aussage des Ministers im Rahmen der Sondersitzung und den Angaben des BAMF zur Aufnahmequote ? Die Zahl der tatsächlich in den EAE des Landes ankommenden Asylbewerber entspricht nicht der Zuweisungsquote, siehe auch Antwort zu Frage 1. Durch Schließungen von EAE in anderen Bundesländern musste NRW innerhalb der Verteilung nach Königsteiner Schlüssel zwischenzeitlich rund 600 Personen zusätzlich aufnehmen, die in den EAE des Landes in einer Phase bereits sehr hoher Zugänge zusätzlich ankamen. Derartige Zuweisungen über Quote werden anschließend wieder ausgeglichen, stellen also eine Momentaufnahme dar. 4. Laut Verteilungsschlüssel (Königsteiner Schlüssel) muss das Land NordrheinWestfalen rund 21,2 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Falls die Aussage des Innenministeriums korrekt ist, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Hauptlast bei der Erstunterbringung von Flüchtlingen trage und real 30 Prozent aller Asylbewerber aufnehme, warum drängt das Land Nordrhein-Westfalen nicht darauf, dies künftig bei der Aufnahmequote zu berücksichtigen, indem eine nach §45 AsylVfG zulässige, vom Königsteiner Schlüssel abweichende, Ländervereinbarung über die Aufnahmequote der einzelnen Länden getroffen wird? Die Bundesländer werden von den Asylsuchenden unterschiedlich stark angelaufen. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die Lage an Außengrenzen der Bundesrepublik , internationale Verkehrsverbindungen oder bereits in der Region lebende größere Gruppen aus bestimmten Herkunftsländern. Der Umfang, in dem einzelne Länder von Asylsuchenden unmittelbar angesteuert werden, ist nicht durch eine Neuregelung des Verteilungsschlüssels zu beeinflussen. Um eine gerechte Verteilung unter den Bundesländern zu erreichen, ist die Quote nach dem Königsteiner Schlüssel ein bewährtes Instrument. Die Verteilung muss durch die Länder gewährleistet werden, unter Nutzung der dort vorhandenen Kapazitäten. Im Übrigen würde eine gemäß § 45 Asylverfahrensgesetz mögliche, vom Königsteiner Schlüssel abweichende Quotenregelung eine Einigung unter allen Bundesländern voraussetzen . 5. Für welchen Zeitraum stehen Platzkapazitäten aktuell in den jeweiligen Notunterkünften in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung? Es ist zu beachten, dass sich nachträglich häufig Änderungen von Laufzeitvereinbarungen ergeben. Deshalb macht eine Auflistung keinen Sinn.