LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9556 21.08.2015 Datum des Originals: 20.08.2015/Ausgegeben: 26.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3715 vom 23. Juli 2015 der Abgeordneten Serap Güler CDU Drucksache 16/9343 Wird die Einstellungspraxis der Landesregierung der Vielfalt der Bevölkerung gerecht ? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 3715 mit Schreiben vom 20. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Sicherung qualifizierten Nachwuchses ist angesichts des demografischen Wandels und der Konkurrenz mit der freien Wirtschaft eine Daueraufgabe für die Landesregierung in Nordrhein -Westfalen. Das Land stellt jährlich etwa 14.000 Auszubildende, Beamtenanwärter und Referendare ein. Vor allem im Bereich der Polizei sowie bei der Finanzverwaltung zeichnet sich seit Jahren ein Rückgang qualifizierter Bewerber ab. Eine große Reserve für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst stellen die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte dar. Sie sind – gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung und bei aller Unsicherheit über die Datengrundlage – bislang deutlich unterrepräsentiert. 1. Wie hoch ist der Anteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte (absolute Zahlen und Anteil, aufgeschlüsselt für die Jahre 2010 bis 2015) unter den neueingestellten Männern und Frauen bei der Polizei und in der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfallen? In den Antworten auf die Kleinen Anfragen 594 (Drucksache 16/1537) und 1924 (Drucksache 16/5129) der Abgeordneten Serap Güler wurde bereits darauf hingewiesen, dass in nordrhein -westfälischen Landesbehörden einschließlich der Landesministerien keine Angaben über den ethnischen Hintergrund der Beschäftigten erhoben werden. Dementsprechend liegen auch keine Daten über einen möglichen Migrationshintergrund für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzverwaltung vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9556 2 Lediglich für den Bereich der Polizei Nordrhein-Westfalen liegen Informationen über einen Migrationshintergrund der Bewerberinnen und Bewerber vor, da hier seit Jahren Kampagnen zur gezielten Personalwerbung dieses Personenkreises durchgeführt werden. Jahr Anzahl Einstellung gesamt Anzahl Prozent 2010 1.101 davon 124 Migranten /innen 11,26 2011 1.400 davon 143 Migranten /innen 10,21 2012 1.400 davon 161 Migranten /innen 11,50 2013 1.477 davon 131 Migranten /innen 8,87 2014 1.500 davon 176 Migranten /innen 11,73 Da der Einstellungstermin für das Jahr 2015 auf den 1. September 2015 fällt, können derzeit noch keine Angaben zu absoluten Zahlen bzw. zum Anteil von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund gemacht werden. 2. Mit welchen Maßnahmen versucht die Landesregierung, den Bewerberanteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu erhöhen? Ende 2010 startete die Landesinitiative „Mehr Migrantinnen und Migranten in den Öffentlichen Dienst – Interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung“. Seitdem arbeiten die Ressorts der Landesregierung an der Umsetzung der drei strategischen Ziele der Landesinitiative: Der Anteil der Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst des Landes soll erhöht, die interkulturelle Kompetenz der Landesbediensteten gesteigert und die interkulturelle Öffnung landesweit angestoßen werden. Zur Erreichung des erstgenannten Ziels wurde von Januar 2011 bis Juni 2012 das Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ durchgeführt, aus dem verschiedene Schlussfolgerungen gezogen wurden (siehe Antwort zu Frage 4). Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen betreibt seit Jahren sehr erfolgreich die Personalwerbung durch die direkte Ansprache der Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund und ihrer Familien. In der zurückliegenden Einstellungskampagne zum 1. September 2014 hatten 19,2 % der Bewerberinnen und Bewerber einen Migrationshintergrund. Aus diesem Personenkreis lag die Einstellungsquote von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund bei 11,7 %. Verschiedene Werbemaßnahmen der Ressorts informieren Jugendliche und deren Familie über Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst. Hierbei werden gezielt auch Jugendliche mit Migrationshintergrund angesprochen und zur Bewerbung aufgefordert . Für das vom Ministerium für Schule und Weiterbildung und vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales im Jahr 2007 initiierte Netzwerk „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte “ ist die Werbung für den Beruf der Lehrerin und des Lehrers unter Schülerinnen und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9555 3 Schülern mit Zuwanderungsgeschichte ein besonderes Anliegen. Das Netzwerk wirbt z.B. auf Bildungsmessen und einschlägigen Veranstaltungen offensiv für den Lehrerberuf und fördert Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund. Zudem ergänzen die Staatskanzlei und alle Ressorts die externen Stellenausschreibungen mit einem Zusatz, mit dem Menschen mit Migrationshintergrund ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert werden (Ermutigungsklausel). 3. Welche Instrumente der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern wendet die Landesregierung an, um Menschen mit Zuwanderungsgeschichte faire Chancen im Bewerbungsverfahren zu eröffnen? 4. Beabsichtigt die Landesregierung, die Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern zu verändern, z.B. durch den flächendeckenden Einsatz von sogenannten anonymen Bewerbungsverfahren? Aufgrund der Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem nordrhein-westfälischen Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungen“ (siehe Abschlussbericht „Anonymisierte Bewerbungen“ NRW vom 5. Oktober 2012 – Vorlage 16/764) hat die Landesregierung im Januar 2013 beschlossen , anonymisierte Bewerbungsverfahren grundsätzlich im Ausbildungsbereich einzuführen. Die Ressorts haben daraufhin überprüft, für welche konkreten Bereiche derartige Verfahren in Frage kommen und sinnvoll sein könnten. Die gesamte Einstellungspraxis wurde einer Prüfung unterzogen. Diese Überprüfung hat gezeigt, dass Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf Chancengleichheit in Bewerbungsverfahren bereits gut aufgestellt ist. Die Einstellungspraxis in Nordrhein-Westfalen ruht hierzu auf mehreren Säulen. Einstellungsverfahren in den Ressorts bieten ihrer Struktur nach keine Anknüpfungspunkte für Diskriminierung, da hier in der Regel eine Vorauswahl rein nach vorab festgelegten, einheitlichen und sachorientierten Kriterien (z.B. Schulnoten oder Punktzahl im Zweiten Staatsexamen ) erfolgt. An diesen Kriterien orientieren sich die Einladungen der Bewerberinnen und Bewerber zu den Einstellungstests/Assessment-Center-Terminen. Die Polizei Nordrhein-Westfalen setzt bei ihrer Personalwerbung auf die direkte Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund. Die dritte Säule chancengerechter Verfahren sind die anonymisierten Bewerbungsverfahren, die in verschiedenen Ausbildungsbereichen der Ressorts und einzelnen Geschäftsbereichen derzeit eingesetzt werden. Darüber hinaus setzt die Landesregierung auf eine weitere Qualifizierung der Personalstellen und Mitglieder von Auswahlkommissionen: Bausteine zur Verbesserung bzw. zum Erwerb interkultureller Kompetenz sind zwischenzeitlich integraler Bestandteil von entsprechenden Fortbildungsangeboten z.B. der Fortbildungsakademie des Ministeriums für Inneres und Kommunales „Akademie Mont Cenis“ oder der Justizakademie des Landes NordrheinWestfalen . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9556 4 5. Welche Rolle spielt die interkulturelle Kompetenz als Auswahlkriterium bei der Einstellung von Auszubildenden und Beschäftigten des Landes NordrheinWestfalen ? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung müssen über Qualifikationen verfügen , denen eine übergeordnete Bedeutung für die Bewältigung jetziger oder künftiger Anforderungen zugeordnet wird. Hierzu zählen unter anderen interkulturelle Kompetenzen. Diese sind zunehmend in den Anforderungsprofilen für Stellen mit einem entsprechenden Aufgabenbereich enthalten und werden im Rahmen der jeweiligen Personalauswahlverfahren berücksichtigt.