LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/960 24.09.2012 Datum des Originals: 24.09.2012/Ausgegeben: 27.09.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 392 vom 31. August 2012 der Abgeordneten Kai Abruszat und Ralf Witzel FDP Drucksache 16/782 Kommunalfinanzen – Landeshaushalt – Fiskalpakt: Hält die mittelfristige Finanzplanung der Landesregierung einer konsequenten Haushaltskontrolle stand beziehungsweise droht den Kommunen in NRW ab 2014 der finanzielle Kollaps? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 392 mit Schreiben vom 24. September 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Fiskalpakt haben sich bekanntlich die Staaten der Europäischen Union dazu verpflichtet, die strukturellen Defizite ihrer öffentlichen Haushalte anzugehen. Zugleich sollen Bestimmungen der Schuldenbremse, wie sie bereits im Grundgesetz verankert sind, europaweit eingeführt werden. Die Vorgaben des Fiskalpaktes betreffen in Deutschland alle öffentlichen Haushalte, mithin die Haushalte von Bund, Länder, Gemeinden und sozialen Kassen. Bekanntlich wirkt die Schuldenbremse für den Bund 2016, für die Bundesländer 2020, es sei denn, die Bundesländer treffen gesonderte Regelungen, eine Schuldenbremse früher wirken zu lassen. Spätestens dann sollen die Länder keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürfen . Bund, Länder und Gemeinden müssen zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Fiskalpakt ihre Haushalte noch schneller ausgleichen und umfassende Einsparungen vornehmen, zumal der Fiskalpakt ab dem 01.01.2013 in Kraft tritt und dann anschließend binnen Jahresfrist innerstaatlich umgesetzt werden muss. Da der Fiskalpakt alle öffentlichen Verbindlichkeiten betrifft, also auch die der kommunalen Familie in NRW, befürchten kommunale Spitzenverbände eine Handlungsunfähigkeit der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/960 2 Kommunen ab dem Jahre 2014. Diese Befürchtung erscheint nachvollziehbar, da Land und kommunale Familie im Hinblick auf die öffentlichen Finanzen quasi in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden sind. Deswegen muss das Land NRW im eigenen Interesse, aber auch im Interesse der 400 Kommunen in NRW endlich zeigen, dass Haushaltsdisziplin nicht nur ein Wortgeklingel bleibt, sondern auch und gerade in der aktuellen und mittelfristigen Finanzplanung einen erkennbaren Niederschlag findet. Dieses gilt umso mehr, als dass nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch der Bundesrat dem Fiskalvertrag mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit zugestimmt hat – insofern hat sich die Landesregierung zu Einsparungen vertraglich verpflichtet beziehungsweise gebunden. 1. Wie bereitet sich die Landesregierung eigentlich auf die Herausforderungen und Auswirkungen des Fiskalpaktes vor, vor dem Hintergrund, dass der Finanzplanungszeitraum 2012 bis 2015, wie dieser sich aus den bisherigen im Landtag zur Verfügung stehenden Zahlen ergibt, dieses noch nicht berücksichtigt? Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion („Fiskalpakt“) tritt am 1. Januar 2013 in Kraft, sofern 12 Staaten des EuroWährungsgebietes ihn ratifiziert haben. Die Regeln zu der im Fiskalpakt vorgesehenen Schuldenbremse sollen spätestens ein Jahr später gelten. Der Fiskalpakt enthält Vorgaben für den gesamtstaatlichen Haushalt, insbesondere darf das strukturelle Defizit nicht höher als 0,5 v. H. des nominalen Bruttoinlandsprodukts sein. Eine Festschreibung von Defizitobergrenzen für die einzelnen Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen sind in dem Vertrag nicht enthalten. Nach den politischen Vereinbarungen von Bund und Ländern zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpaktes soll die Haushaltsautonomie der Länder nicht durch Festlegung von Abbaupfaden oder Begrenzung der Kreditaufnahme beeinträchtigt und die bestehende verfassungsrechtliche Schuldenbremse nicht verschärft werden. Aus diesem Grund sind in der aktuellen Mittelfristigen Finanzplanung zusätzliche aus dem Fiskalpakt resultierende Auswirkungen nicht zu berücksichtigen. 2. Schließt die Landesregierung aus, dass es in den kommenden Haushaltsjahren durch die Herausforderungen des Fiskalpaktes zu Einschränkungen bei der landesseitigen Gemeindefinanzierung für unsere rund 400 Kommunen in NordrheinWestfalen kommt? Der Haushaltsgesetzgeber entscheidet mit den jährlichen Gemeindefinanzierungsgesetzen nach Abwägung der Finanzlagen von Land und Kommunen über den Anteil der Kommunen an den Verbundsteuern. Die Stabilisierung der Kommunalfinanzen hat eine hohe Priorität für die Landesregierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/960 3 3. Wie hoch beziffert die Landesregierung, vor dem Hintergrund, dass die SPDgeführten Bundesländer dem Fiskalpakt im Bundesrat zugestimmt haben, die Höhe des sich aus dem Fiskalpakt ergebenen Konsolidierungsvolumens für Nordrhein-Westfalen? Zur Erfüllung der Vorgaben des Fiskalpaktes tragen die Länder ausschließlich im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Haushaltsautonomie durch die Einhaltung ihrer bestehenden Verpflichtungen aus Art. 109 Abs. 3 und Art. 143d Absatz 1 Satz 4 GG bei. Die Länder treffen keine darüber hinausgehenden Verpflichtungen. 4. Wie hoch wäre für das Haushaltsjahr 2011 die Verschuldensgrenze im Landes- haushalt zu beziffern gewesen, würde man die Grundzüge des Fiskalpaktes in einer Simulationsrechnung darauf anwenden? Der Fiskalpakt hat keine Auswirkungen auf die bestehenden Verschuldensgrenzen. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen des Fiskalpaktes im Ver- hältnis zur grundgesetzlich normierten Schuldenbremse? Die grundgesetzlich verankerte Schuldenregel legt den Bund darauf fest, seine strukturelle Nettokreditaufnahme bis 2016 in gleichmäßigen Schritten auf 0,35 v. H. des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren. Die Länder sind verpflichtet, ihre Haushalte bis 2020 grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Ausnahmen sind zur Berücksichtigung konjunktureller Entwicklungen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig. Demgegenüber verpflichtet der europäische Fiskalpakt die Mitgliedstaaten, das strukturelle Defizit des öffentlichen Gesamthaushalts (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen) ab 2014 auf 0,5 v. H. des BIP zu begrenzen. Die beiden Regeln können zu inkongruenten Ergebnissen führen. Die Einhaltung der einen Regel garantiert nicht zwingend die Einhaltung der anderen Regel. Insbesondere während des Übergangszeitraums der Schuldenregel bis 2020 gemäß § 143 d GG besteht die Gefahr, dass trotz Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenregel die Obergrenze des Fiskalpakts von 0,5 v. H. des BIP überschritten wird. In ihrer Verständigung mit dem Bund haben die Länder erreicht, dass sie ihre Konsolidierungspfade zur Einhaltung der grundgesetzlich verankerten Schuldenregel nicht aufgrund der Vorgaben des Fiskalpakts ändern müssen. Sollte Deutschland in dieser Phase mit Sanktionen belegt werden, träfen sie allein den Bund.