LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9614 27.08.2015 Datum des Originals: 26.08.2015/Ausgegeben: 01.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3698 vom 20. Juli 2015 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/9316 Operative Beiträge schutzpolizeilicher Organisationseinheiten zur Sicherstellung von Fahrzeugen, illegalen Drogen, Waffen und Munition sowie zur Aufdeckung von Ausweisfälschungen Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 3698 mit Schreiben vom 26. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Finanzminister , dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend , Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Datum vom 15. Februar 2011 veröffentliche die Prognos AG im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen das Gutachten „Soziale Prävention – Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein-Westfalen.“ Zur Jugendkriminalität führten die Gutachter damals aus, dass eine unangemessene Erziehung oder gar Vernachlässigung im Kindesalter, die Beziehungsstörungen und schulische Probleme nach sich ziehen können, das Risiko für die betroffenen Jugendlichen eine kriminelle Karriere einzuschlagen, erhöht. Daher wurde der Teil der Kosten, der durch Jugendkriminalität entsteht, als soziale Folgekosten verstanden. Im Jahr 2009 wurden in NordrheinWestfalen für die Jugendkriminalität/Maßregelvollzug rund 151 Millionen Euro (davon 16 Millionen Euro für den Maßregelvollzug für Personen unter 25 Jahren) verausgabt. In zahlreichen Aufgliederungen legten die Prognos-Gutachter die Entwicklungen im Bereich der Jugendkriminalität dar (Seiten 54 ff.) und gaben abschließend Empfehlungen an das Land Nordrhein-Westfalen zur künftigen Aufbereitung der Datenlage ab (Seite 88f). Um die Entwicklung der Jugendkriminalität in den letzten fünf Jahren in Anlehnung an das Prognos-Gutachten nachvollziehen zu können, frage ich daher die Landesregierung: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9614 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleinen Anfragen 3677 (LT-Drs. 16/9286), 3698 (LT-Drs. 16/9316), 3699 (LT-Drs. 16/9317) und 3700 (LT-Drs. 16/9318) beziehen sich alle auf ein Gutachten der Prognos AG vom 15. Februar 2011. Das in 2011 veröffentlichte Gutachten „Soziale Prävention – Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein-Westfalen“ hat der Landesregierung entscheidende Grundlagen und wertvolle Impulse für die vorbeugende Politik in Nordrhein-Westfalen geliefert. Vorbeugende Politik ist Kernanliegen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und will jedem Kind ein gelingendes Aufwachsen ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wurde gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung Anfang 2012 das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen - Kommunen in NRW beugen vor“ auf den Weg gebracht. Das Modellvorhaben verfolgt das Ziel, in 18 nordrhein-westfälischen Städten und Kreisen kommunale Präventionsketten zu etablieren und anhand dieser eng verzahnten Präventionsangebote möglichst frühzeitige Hilfen zugunsten von Kindern und Jugendlichen anzubieten . Die Federführung für die operative Umsetzung hat das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend , Kultur und Sport, wo eine Koordinierungsstelle in Trägerschaft des Instituts für soziale Arbeit e.V. in Münster eingerichtet worden ist. Aus der gut dreijährigen Arbeit der Koordinierungsstelle lassen sich bereits klare Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine landesweite Umsetzung vorbeugender Politik ableiten. Auch in der Zwischenbilanzveranstaltung zum Modellvorhaben am 29. August 2014 haben die 18 Modellkommunen bereits ihre Erfahrungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Es hat sich gezeigt, dass Vorbeugung funktioniert. Das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor“ läuft noch bis Ende 2015. Damit sich Vorbeugung als Politikansatz im ganzen Land verbreitet, ist es das erklärte Ziel des Modellvorhabens, die gewonnenen Erkenntnisse auch in die Fläche zu bringen. Deshalb haben beide Kooperationspartner Land NRW und Bertelsmann Stiftung schon zu Beginn des Modellvorhabens erklärt, die Zusammenarbeit auch für den Zeitraum bis 2020 fortzusetzen. Aufgabe wird es sein, die Erfahrungen anderen Kommunen zur Verfügung zu stellen und weitere Kommunen beim Aufbau kommunaler Präventionsketten zu beraten und zu unterstützen. Die Beratung und Unterstützung wird sich dabei auf die federführend von der Bertelsmann Stiftung verantwortete Evaluation stützen können, die ab 2016 zur Verfügung stehen wird. Im Rahmen der Evaluation arbeitet die Bertelsmann Stiftung mit einer Reihe renommierter Forschungsorganisationen zusammen. Die Evaluation soll zeigen, welche Effekte eine kommunale Präventionskette für Kinder und Familien hat. Die weitere Präzisierung von Präventionsstandards und das Vorgehen der Landesregierung nach Beendigung des Modellvorhabens werden die Ergebnisse der Evaluation des Modellvorhabens einbeziehen. Eine neue Auftragsvergabe an die Prognos AG ist vor diesem Hintergrund derzeit nicht geplant und war auch zu keiner Zeit angekündigt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9612 3 1. Wie hat sich die Anzahl strafgefangener Personen im Alter unter 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen (Jugend- und Freiheitsstrafen) in den Jahren 2010 - 2014 entwickelt (differenziert nach Geschlecht)? Die Anzahl strafgefangener Personen im Alter unter 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen (Jugend - und Freiheitsstrafe) ist im Zeitraum von 2010 bis 2014 um 17 Prozent gesunken. Die Entwicklung für die einzelnen Jahre stellt sich wie folgt dar: Jahr Weiblich Männlich Insgesamt 2010* 105 2.527 2.632 2011 113 2.548 2.661 2012 108 2.496 2.604 2013 99 2.296 2.395 2014 83 2.090 2.173 * Stichtag ist jeweils der 31.03. 2. Wie hat sich die Anzahl junger Mehrfachtatverdächtiger im Alter von acht Jahren bis unter 21 Jahren in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik in den Jahren 2010 - 2014 in Nordrhein-Westfalen entwickelt? Die Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen weist als Mehrfachtatverdächtige solche Personen aus, die innerhalb eines Kalenderjahres fünf oder mehr Straftaten begehen. Die Anzahl junger Mehrfachtatverdächtiger im Alter von acht bis unter 21 Jahren ist im Zeitraum von 2010 bis 2014 um 12,1 % zurückgegangen. Im Einzelnen haben sich die Zahlen wie folgt entwickelt: Jahr Anzahl 2010 7.414 2011 7.170 2012 6.997 2013 6.706 2014 6.519 3. Wie haben sich die jährlichen Kosten des Strafvollzugs für strafgefangene Personen im Alter unter 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen (Jugend- und Freiheitsstrafe ) in den Jahren 2010 - 2014 entwickelt (differenziert nach Haft- und Baukosten pro Gefangenen pro Tag, jährlichen Gesamtkosten und jährlichen Gesamtkosten pro Gefangenen)? Die Entwicklung der jährlichen Kosten des Strafvollzuges für strafgefangene Personen im Alter unter 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen (Jugend- und Freiheitsstrafe) in den Jahren 2010 -2014 stellt sich wie folgt dar: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9614 4 Jahr Haftkosten pro Gefangenem und Tag in Euro Baukosten pro Gefangenem und Tag in Euro Jährliche Gesamt - kosten in Mio. Euro Jährliche Gesamtkosten pro Gefangenem in Euro 2010 86,91 18,16 101 38.351 2011 90,94 20,61 108 40.716 2012 90,68 22,65 108 41.365 2013 96,77 23,51 105 43.902 2014 102,66 25,22 101 46.676 Anzumerken ist, dass das Prognos-Gutachten bei der Ermittlung der jährlichen Kosten des Strafvollzuges für strafgefangene Personen im Alter unter 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen den für alle Gefangenen gültigen Tages-Haftkostensatz und Tages-Baukostensatz verwendet hat, da es zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens keinen gesonderten TagesHaftkostensatz und Tages-Baukostensatz für strafgefangene Personen im Alter unter 25 Jahren gab. In der vorstehenden Tabelle wird daher ebenfalls der für alle Gefangenen gültige Tages-Haftkostensatz und Tages-Bau-kostensatz verwendet. Es ist darauf hinzuweisen, dass die beiden vorstehenden Tageskostensätze seit dem Jahr 2009 erheblich gestiegen sind. Ursächlich hierfür sind neben den höheren Mietkosten aufgrund der Inbetriebnahme der neuen Jugendstrafvollzugsanstalt in Wuppertal-Ronsdorf und der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf die Durchführung weiterer Baumaßnahmen im Justizvollzugsbereich und die Etatisierung von 347 zusätzlichen Planstellen im Justizvollzug seit dem Jahr 2011. Dieser Umstand führt dazu, dass trotz einer gesunkenen Anzahl Strafgefangener unter 25 Jahren im Vergleich der Jahre 2009 zu 2014 insgesamt rechnerisch höhere Ausgaben für strafgefangene Personen unter 25 Jahren entstanden sind. Trotz der baulichen Modernisierung und zusätzlichen Personalausstattung sind die Gesamtkosten für den Strafvollzug der unter 25-Jährigen im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um fast 4 Prozent gesunken und befinden sich nun wieder auf dem Niveau von 2010. Diese Kostenstabilität war nur zu erreichen, weil die Zahl junger Strafgefangener seit 2010 um 17 Prozent zurückgegangen ist (siehe Frage 1). Wäre die Anzahl strafgefangener Personen dieser Altersgruppe konstant geblieben, hätten sich die Gesamtkosten allein im Jahr 2014 auf 123 Millionen Euro belaufen. Über den gesamten Zeitraum von 2011 bis 2014 wären bei gleichbleibender Anzahl von Strafgefangenen unter 25 Jahren Mehrkosten von 32 Millionen Euro entstanden. Insoweit sind soziale Folgekosten in dieser Höhe vermieden worden. 4. Wie haben sich die jährlichen polizeilichen Gesamtkosten der Verhütung und Verfolgung der Kriminalität junger Mehrfachtatverdächtiger in den Jahren 2010 - 2014 in Nordrhein-Westfalen entwickelt (Aufteilung analog zum PrognosGutachten vom 15. Februar 2011, Tabelle 20, Seite 64)? Zur Verhütung und Verfolgung der Kriminalität junger Mehrfachtatverdächtiger arbeiten unterschiedliche polizeiliche Organisationseinheiten zusammen, die regelmäßig auch für weitere polizeiliche Aufgaben zuständig sind. Die damit jeweils verbundenen Kosten werden von den Polizeibehörden nicht spezifisch gegliedert erhoben, so dass es nicht möglich ist, die polizeilichen Gesamtkosten zur Verhütung und Verfolgung der Kriminalität junger Mehrfachtatverdächtiger auszuweisen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9612 5 Bei der Erstellung des Prognos-Gutachtens wurden im Jahr 2011 im Rahmen einer einmaligen Sonderauswertung Faktoren ermittelt, die eine angenäherte Berechnung der jährlichen polizeilichen Gesamtkosten der Verhütung und Verfolgung der Kriminalität junger Mehrfachtatverdächtiger in NRW ermöglichten. Die Durchführung einer vergleichbaren Sonderauswertung ist in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung Bezug genommen. 5. Wie ist das zuständige Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen den aus 2011 stammenden Empfehlungen der Prognos AG „Soziale Prävention - Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein-Westfalen“ in Bezug auf die Jugendkriminalität nachgekommen (Seite 88 f.)? Den Empfehlungen des Prognos-Gutachtens auf Seite 88 f. ist die Landesregierung insoweit gefolgt, als im Rahmen des Modellversuchs zur Erstellung eines Produkthaushalts im Justizvollzug ab dem Haushaltsjahr 2016 erstmals Kosten getrennt nach Produktgruppen, d.h. nach unterschiedlichen Haftarten bzw. Vollzugsformen, im Haushaltsplan gesondert dargestellt werden. Dabei werden der Jugendvollzug und der Jugendarrest als gesonderte Produktgruppen ausgewiesen. Mit der Einführung des Systems EPOS.NRW - für die Budgeteinheiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften ab 1. Oktober 2015 - werden die Kosten für die verschiedenen Gerichtsbarkeiten sowie für die Staatsanwaltschaften getrennt erfasst. Die Budgeteinheit der Staatsanwaltschaften wiederum weist ein eigenes Produkt „Jugendsachen “ aus. Dementsprechend werden die Verfahrenskosten in Jugendsachen, soweit sie bei der Budgeteinheit der Staatsanwaltschaften anfallen, nicht nur gesondert erfasst, sondern in einem ggf. zukünftig zu erstellenden Produkthaushalt gesondert ausgewiesen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.