LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9624 28.08.2015 Datum des Originals: 27.08.2015/Ausgegeben: 02.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3709 vom 21. Juli 2015 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/9327 Westbalkan-Einreisende: Wie unterstützt Nordrhein-Westfalen den EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft bei der Bekämpfung des Missbrauchs der visumsfreien Einreise in die Europäische Union? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3709 mit Schreiben vom 26. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Justizminister und der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Asylgeschäftsstatistik für den Monat Juni 2015 kamen im Berichtsmonat rund 33 % der Erstantragsteller aus den dominierenden sechs Balkanländern; mehr als zwei Drittel aller Folgeanträge waren im Juni 2015 aus diesen Staaten zu verzeichnen. Im Vormonat Mai 2015 waren es knapp 39 % Erstantragsteller aus den dominierenden sechs Balkanländern; zwei Drittel aller Folgeantragsteller kamen im Mai 2015 aus diesen Staaten. „Die Europäische Kommission ist nach wie vor entschlossen, den Bürgerinnen und Bürgern der westlichen Balkanstaaten die Möglichkeit des visumfreien Reisens zu erhalten. Die positive Wirkung der Visaliberalisierung ist bereits deutlich spürbar: Der direkte Kontakt zwischen den Menschen wurde gefördert und es sind neue Geschäftsmöglichkeiten entstanden. Der Missbrauch der visumfreien Einreise in die EU zu Asylzwecken muss jedoch systematisch und mit den geeigneten Mitteln bekämpft werden. In unserem Bericht geben wir eine Reihe von Empfehlungen dazu ab, wie mit den Push- und Pull-Faktoren der irregulären Migration umzugehen ist. Ich bitte daher alle teilnehmenden Länder dringend um ihre umfassende Unterstützung und ihren vollen Einsatz“, erklärte der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos am 25. Februar 2015 anlässlich der Vorstellung der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9624 2 fünften Bewertung der Funktionsfähigkeit der für Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien , Montenegro und Serbien geltenden Regelungen für visumsfreies Reisen. Die Europäische Kommission hielt in dem genannten Bericht fest, dass die Zahl der Asylanträge , die von Staatsangehörigen der fünf westlichen Balkanstaaten in der Union und in Ländern des Schengen-Verbandes gestellt wurden, ist seit der Abschaffung der Visumpflicht ständig gestiegen und in 2013 mit 53 705 Anträgen einen sehr hohen Stand erreicht hat. In den ersten neun Monaten des Jahres 2014 wurden 40 % mehr Anträge gestellt als im Vorjahreszeitraum . Der zuständige Kommissar führte aus, dass „der Asylmissbrauch durch Staatsangehörige der westlichen Balkanstaaten, die kein Visum benötigen, [..] nach wie vor Anlass zur Sorge gibt.“ (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 25. Februar 2015) Die Hauptempfehlungen der Europäischen Kommission an die am stärksten betroffenen EUMitgliedstaaten und Länder des Schengen-Verbandes im Hinblick auf Pull-Faktoren der irregulären Migration waren:  Verkürzung der Asylverfahren für Bürgerinnen und Bürger der fünf visumsfreien Staaten des westlichen Balkan, beispielsweise durch zusätzliches Personal für die Prüfung von Asylanträgen in Spitzenzeiten oder die Einführung eines Schnellverfahrens, das eine rasche Bearbeitung der Anträge in Spitzenzeiten oder von Staatsangehörigen bestimmter Staaten ermöglicht;  ein umsichtigerer und selektiver Einsatz von Geldleistungen wie Taschengeld und finanzieller Rückkehrhilfen zur Vermeidung finanzieller Anreize für den Asylmissbrauch;  Organisation von Besuchen in den betroffenen Ländern auf hoher Ebene und Informationskampagnen in Zusammenarbeit mit lokalen NRO und Behörden;  eine Intensivierung der operativen Zusammenarbeit und des Informationsaustausches, u.a. durch Verbindungsbeamte, mit den Behörden der betroffenen Länder. Ministerpräsidentin Kraft hatte am 24. Juni 2015 anlässlich der Unterrichtung des Landtages über die Ergebnisse der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder (MPK) vom 18. Juni 2015 ausgeführt: „Was das Verfahren anbelangt, können wir nicht nur auf den Bund zeigen, sondern wenn die Verfahren schneller vonstattengehen sollen, dann ist wichtig, dass auch wir – die Kommunen und das Land – uns der eigenen Verantwortung stellen. Das bedeutet, dass die Möglichkeiten in den Ausländer- und Sozialbehörden, Verfahren schneller durchlaufen zu lassen, verbessert werden müssen. Das bedeutet auch Personal, was dort gebraucht werden wird. Weiter bedeutet es für das Land, dass die Stellen an den Verwaltungsgerichten ausgebaut werden müssen. Auch das haben wir in unseren Haushaltsplanungen personell und organisatorisch vorbereitet.“ Vorbemerkung der Landesregierung Menschen aus Ländern, in denen sie verfolgt werden, Zuflucht zu gewähren, ist ein wichtiges Anliegen von Bund, Ländern und Kommunen. Dieser Verantwortung stellen sich Bund, Länder und Kommunen. Die steigende Zahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen nach Deutschland stellt Bund, Länder und Kommunen vor erhebliche Herausforderungen, denen nur durch ein eng abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen begegnet werden kann. Die Asylbewerberzahlen in der Bundesrepublik sind in den letzten Monaten, insbesondere im Verhältnis zum Vorjahreszeitraum, deutlich angestiegen. Dabei sind laut Statistik des BAMF LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9623 3 vom 13.07.2015 neben Syrien das Kosovo, Albanien und Serbien die führenden Hauptherkunftsstaaten im Zeitraum Januar bis Juni 2015. Es folgen nach Irak und Afghanistan die Staaten Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Visumfreiheit genießen Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina seit 19.12.2009, Staatsangehörige aus der (ehemaligen jugoslawischen) Republik Mazedonien, Montenegro und Serbien seit 15.12.2010. Staatsangehörige des Kosovo unterliegen weiterhin dem Visumzwang. Die Europäische Kommission berichtet regelmäßig über die Entwicklungen nach Visaliberalisierung für die westlichen Balkanstaaten, zuletzt in dem 5. Bericht von Februar 2015. Der Bericht benennt neben Push- und Pull- Faktoren auch Empfehlungen für die Bekämpfung des Asylmissbrauchs durch Staatsangehörige der vom Visumzwang befreiten Westbalkanstaaten . Diese Empfehlungen richten sich an die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten. Die Konferenz der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen am 18. Juni 2015 hat sich mit der steigenden Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge nach Deutschland befasst. Der Beschluss der Konferenz ist unter http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Artikel/2015/06/2015-06-18-spitzentreffen-imkanzleramt .html abrufbar. 1. Welche Pull-Faktoren der irregulären Migration hat die nordrhein-westfälische Landesregierung identifiziert (bspw. Sozialleistungen, Verfahrensabläufe und Verfahrensdauern auch im Hinblick auf Nordrhein-Westfalen usw.)? Die Landesregierung verweist auf den Beschluss der Konferenz der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen vom 18.06.2015. 2. Welche Haltung nimmt die nordrhein-westfälische Landesregierung zu den einzelnen Hauptempfehlungen der EU-Kommission an die am stärksten betroffenen EU-Mitgliedstaaten ein (siehe oben angeführte vier Punkte)? Die Empfehlungen der EU-Kommission sind an die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten gerichtet . Angesichts des grundgesetzlichen Kompetenzgefüges ist es nicht Sache der Landesregierung, die Empfehlungen zu bewerten. 3. Welche Haltung nimmt die nordrhein-westfälische Landesregierung zu einer vorübergehenden Wiedereinführung der Visumspflicht für Staatsangehörige aus visumsfreien Drittstaaten ein? Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Welche Problemlage hat die nordrhein-westfälische Landesregierung in Bezug auf die Verfahrensdauern in kommunalen Ausländer- und Sozialbehörden in Nordrhein-Westfalen identifiziert? 5. Welche Maßnahmen ergreift die nordrhein-westfälische Landesregierung, um die Ankündigung der Ministerpräsidentin vom 24. Juni 2015 in Bezug auf schnellere Verfahren in den kommunalen Ausländer- und Sozialbehörden in NordrheinWestfalen in die Tat umzusetzen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9624 4 Aussagen der Ministerpräsidentin zu Verfahrensdauern beziehen sich auf den bereits zitierten Beschluss der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Dieser stellt fest, dass die Ausländer - und Sozialbehörden personell und organisatorisch in der Lage sein müssen, die hohe Zahl der Entscheidungen des BAMF angemessen zu bewältigen. Die Bewältigung der steigenden Zahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen und die diesbezüglichen Entscheidungen des BAMF sind Bestandteil des Dialogs mit den Kommunalen Spitzenverbänden.