LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9636 31.08.2015 Datum des Originals: 28.08.2015/Ausgegeben: 03.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3720 vom 24. Juli 2015 der Abgeordneten Ralph Bombis, Dietmar Brockes und Ralf Witzel FDP Drucksache 16/9364 Wird sich die Landesregierung bei der geplanten Umsatzsteuerbefreiung öffentlicher Leistungen für die Belange mittelständischer Betriebe einsetzen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3720 mit Schreiben vom 28. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Finanzminister der Länder haben den Bundesfinanzminister dazu aufgefordert, die Besteuerung von Leistungen der öffentlichen Hand insbesondere im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit neu zu regeln. Dazu liegt ein auf der Ebene der Finanzministerkonferenz abgestimmter Vorschlag des Bayerischen Finanzministeriums zur Einführung eines § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG) vor. Die entsprechende Ergänzung soll im Deutschen Bundestag im bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften aufgenommen werden. Von dieser Anpassung des Umsatzsteuergesetzes versprechen sich insbesondere Städte und Gemeinden mehr Handlungsspielräume bei ihren kommunalwirtschaftlichen Aktivitäten sowie den verschiedenen Erscheinungsformen der interkommunalen Zusammenarbeit. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich Kommunen auch in Bereichen wirtschaftlich betätigen , in denen privatwirtschaftliche Unternehmen ebenfalls aktiv sind. Eine Umsatzsteuerbefreiung kommunaler wirtschaftlicher Betätigungen könnte somit zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil insbesondere mittelständischer Betriebe führen, etwa im Handwerk, im Bausektor oder in verschiedenen Dienstleistungsbranchen. Diese Betriebe würden z.B. bei öffentlichen Ausschreibungen auf Grund der mit der Umsatzsteuerpflicht verbundenen höheren Kosten gegenüber öffentlichen Anbietern nicht mehr zum Zuge kommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9636 2 Während die Umsatzsteuerbefreiung für kommunale Tätigkeiten in einigen wenigen Bereichen hoheitlicher Aufgaben sinnvoll sein kann, könnte eine Befreiung weiter Teile der vielfältigen Betätigungsfelder von Kommunen demnach eine Schwächung oder gar Existenzgefährdung vieler mittelständischer Betriebe in Nordrhein-Westfalen nach sich ziehen. Dem Vernehmen nach haben Diskussionen zwischen den von einer entsprechenden Gesetzesänderung maßgeblich betroffenen kommunalen Spitzenverbänden auf der einen und Wirtschaftsverbänden auf der anderen Seite zu einer gemeinsamen Haltung geführt, die nicht zuletzt in einen Kompromissvorschlag an den Gesetzgeber eingeflossen ist, mit dem die Belange sowohl der Kommunen als auch des Mittelstands berücksichtigt werden sollen. Berichten zufolge sollen dafür nicht im Gesetzestext selbst, sondern in der Begründung Präzisierungen vorgenommen werden. Ein Nachvollziehen dieser Berichte im o.g. Gesetzentwurf zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ist bis dato nicht möglich, da dieser bis zur Behandlung im federführenden Finanzausschuss des Bundestages in seiner 47. Sitzung am 01. Juli 2015 eine Ergänzung des UStG durch einen § 2b noch nicht vorgesehen hat. Unabhängig davon stellt sich mit Blick auf die bereits vorgenommene Abstimmung auf der Ebene der Finanzministerkonferenz sowie die nach einem abgeschlossenen Beratungsverfahren im Bundestag anstehende notwendige Befassung des Bundesrates die Frage, wie sich die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in das Gesetzgebungsverfahren bisher eingebracht hat und wie sie sich im Zuge der noch anstehenden Bundesratsberatungen dazu positionieren wird. Vorbemerkungen der Landesregierung Die bisherigen Kleinen Anfragen von Mitgliedern der Fraktion der FDP zur in Rede stehenden Umsatzsteuerthematik (s. u. a. LT-Drs. 16/1989 und 16/7994) hatten ihren Fokus vornehmlich darauf gerichtet, die aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs drohende Umsatzsteuerpflicht insbesondere von Leistungen im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit durch geeignete Maßnahmen der Landesregierung abzuwenden. Erst nachdem sich verschiedene Wirtschaftsverbände kritisch gegen die geplante gesetzliche Neuregelung eines § 2b UStG geäußert haben, wird in der jetzt vorliegenden Kleinen Anfrage die Befürchtung geäußert, dass die Neuregelung eine Schwächung oder Existenzgefährdung vieler mittelständischer Betriebe in Nordrhein-Westfalen nach sich ziehen könnte. Die Landesregierung hat wiederholt erklärt, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpfen werde, um eine zusätzliche Umsatzsteuerbelastung für kommunale Beistandsleistungen zu verhindern . Bei diesem Bemühen hatte sie stets die berechtigten Belange insbesondere der mittelständischen Unternehmen, durch eine gesetzliche Neuregelung nicht benachteiligt zu werden , im Blick. Der von der Finanzministerkonferenz gebilligte Entwurf eines § 2b UStG schafft weder zusätzliche Freiräume noch neue Schranken und stellt nach Auffassung der Landesregierung einen tragfähigen Kompromiss dar: Es wird sowohl dem Anliegen der öffentlichen Hand, Beistandsleistungen nicht zusätzlich mit Umsatzsteuer zu belasten, Rechnung getragen, als auch dem Anliegen der Wirtschaft, aufgrund umsatzsteuerlich begünstigter Betätigungen der öffentlichen Hand nicht benachteiligt zu werden. Die Landesregierung geht davon aus, dass die von den Wirtschaftsverbänden aufgrund der beabsichtigten Neuregelung befürchteten Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der öffentlichen Hand nicht eintreten werden. Die geplante Neuregelung intendiert lediglich, die bisherige Besteuerungssituation fortzuführen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9636 3 Die Landesregierung begrüßt und unterstützt die Gespräche zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Wirtschaft, die gegenseitigen Bedenken durch einen gemeinsamen Vorschlag auszuräumen; ggf. wäre die Gesetzesbegründung anzupassen. 1. Wie ist der Stand des Abstimmungs- bzw. Gesetzgebungsverfahrens zum geplanten § 2b UStG nach Kenntnis der Landesregierung? Nach Informationen des zuständigen Fachreferates des Bundesministeriums der Finanzen soll der Entwurf des § 2b UStG in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften eingebracht werden. 2. Auf welche Weise hat sich die Landesregierung bisher mit Blick auf den geplanten § 2b UStG in das entsprechende Abstimmungs- bzw. Gesetzgebungsverfahren eingebracht? Nordrhein-Westfalen hat sich aktiv an der Erarbeitung des von der Finanzministerkonferenz im Oktober 2014 gebilligten Entwurfs einer gesetzlichen Neuregelung beteiligt. Wesentliche Teile des Entwurfs gehen auf Vorschläge aus Nordrhein-Westfalen zurück. Nordrhein-Westfalen hat das zögerliche Verhalten des Bundesfinanzministeriums im Kreis der Länderfinanzministerinnen und -minister problematisiert und im Finanzausschuss des Bundesrates am 12.03.2015 auf die Dringlichkeit der gesetzlichen Neuregelung hingewiesen . Darüber hinaus hat Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen, durch eine Ergänzung der Gesetzesbegründung klarzustellen, dass die Kommunen außerhalb ihres hoheitlichen Bereiches keine umsatzsteuerrechtlichen Vorteile erlangen. 3. Wie konkret wird sich die Landesregierung im Rahmen des Abstimmungs- bzw. Gesetzgebungsverfahrens zum geplanten § 2b UStG für die Belange des nordrhein -westfälischen Mittelstands einsetzen? Auf die Vorbemerkungen und die Antwort zur Frage 2 wird verwiesen. 4. Welche konkreten Tätigkeiten bzw. Leistungen der öffentlichen Hand sollten nach Sicht der Landesregierung nicht von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommen werden ? Auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen werden künftig umsatzsteuerpflichtig sein, sofern nicht eine der Steuerbefreiungsvorschriften des Umsatzsteuergesetzes greift. Darüber hinaus werden Leistungen, die nur mittelbar der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dienen oder Leistungen, die zwar durch spezifische öffentliche Interessen bestimmt sind, nach Art und Rahmenbedingungen jedoch auch von privaten Unternehmern erbracht werden können, künftig der Umsatzbesteuerung unterliegen. Hierunter fallen z. B. regelmäßig Gebäudereinigungsleistungen , Grünpflegearbeiten sowie Neubau- und Sanierungsmaßnahmen an Straßen und Gebäuden, soweit sie für eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts erbracht werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9636 4 5. Wie stellt die Landesregierung ganz grundsätzlich sicher, dass die Belange mittelständischer Betriebe bei öffentlichen Leistungen, die im Wettbewerb zu privaten Anbietern erbracht werden, gewahrt werden? Die Landesregierung wirkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hin, dass die wettbewerbsund vergaberechtlichen Regelungen eingehalten werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf trägt den Belangen mittelständischer Betriebe Rechnung. Insbesondere stellt er sicher, dass Leistungen der öffentlichen Hand, die nach Art und Rahmenbedingungen auch von privaten Unternehmern erbracht werden können, künftig der Umsatzbesteuerung unterliegen.