LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9649 01.09.2015 Datum des Originals: 28.08.2015/Ausgegeben: 04.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3677 vom 15. Juli 2015 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/9286 Soziale Folgekosten: Wie sehen die Jugendbilanzen für die Jahre 2010 – 2014 aus? Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 3677 mit Schreiben vom 28. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Finanzminister, dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Datum vom 15. Februar 2011 veröffentliche die Prognos AG im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen das Gutachten „Soziale Prävention – Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein-Westfalen.“ Im Rahmen des Gutachtens wurde dargelegt, dass in Nordrhein-Westfalen allein in der Altersgruppe der bis unter 25-Jährigen im Jahr 2009 soziale Folgekosten in Höhe von 2,47 Milliarden Euro anfielen. Fast die Hälfte der sozialen Folgekosten ergaben sich damals allein im Bereich der Jugendhilfe: Inobhutnahmen und familienergänzende bzw. –ersetzende Hilfen zur Erziehung kosteten Nordrhein-Westfalen rund 1,146 Milliarden Euro. Den zweitgrößten Posten stellte in 2009 die Grundsicherung für Arbeitsuchende mit 659 Millionen Euro. Dabei wurden in der Bilanzierung nur die Kosten einbezogen, die für erwerbsfähige Hilfebedürftige ohne Schulabschluss bzw. Berufsausbildung anfielen. Die Herstellung der Ausbildungsfähigkeit im Übergangssystem schlug in der 2009er Jugendbilanz mit 509 Millionen Euro zu Buche. In Bezug auf die von der Prognos AG für 2009 ermittelten Daten wurde ferner festgestellt, dass die Kommunen mit 57 % der anfallenden sozialen Folgekosten die Hauptträger der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9649 2 Aufwendungen sind. Mit 21 % ist der Bund der zweitgrößte Kostenträger, gefolgt von der Sozialversicherung mit 13 %. Das Land Nordrhein-Westfalen trug rund 10 % der sozialen Folgekosten, die hier insbesondere für Folgekosten im Bereich der Jugendkriminalität und des Maßregelvollzugs sowie für einen Teil der Kosten im Übergangssystem anfielen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleinen Anfragen 3677, 3698, 3699 und 3700 beziehen sich alle auf ein Gutachten der Prognos AG vom 15.02.2011. Das in 2011 veröffentlichte Gutachten „Soziale Prävention – Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein-Westfalen“ hat der Landesregierung entscheidende Grundlagen und wertvolle Impulse für die vorbeugende Politik in NordrheinWestfalen geliefert. Vorbeugende Politik ist Kernanliegen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und will jedem Kind ein gelingendes Aufwachsen ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wurde gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung Anfang 2012 das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor“ auf den Weg gebracht . Das Modellvorhaben verfolgt das Ziel, in 18 nordrhein-westfälischen Städten und Kreisen kommunale Präventionsketten zu etablieren und anhand dieser eng verzahnten Präventionsangebote möglichst frühzeitige Hilfen zugunsten von Kindern und Jugendlichen anzubieten . Die Federführung für die operative Umsetzung hat das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend , Kultur und Sport, wo eine Koordinierungsstelle in Trägerschaft des Instituts für soziale Arbeit e.V. in Münster eingerichtet worden ist. Aus der gut dreijährigen Arbeit der Koordinierungsstelle lassen sich bereits klare Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine landesweite Umsetzung vorbeugender Politik ableiten. Auch in der Zwischenbilanzveranstaltung zum Modellvorhaben am 29. August 2014 haben die 18 Modellkommunen bereits ihre Erfahrungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Es hat sich gezeigt, dass Vorbeugung funktioniert. Das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor“ läuft noch bis Ende 2015. Damit sich Vorbeugung als Politikansatz im ganzen Land verbreitet, ist es das erklärte Ziel des Modellvorhabens, die gewonnenen Erkenntnisse auch in die Fläche zu bringen . Deshalb haben beide Kooperationspartner Land NRW und Bertelsmann Stiftung schon zu Beginn des Modellvorhabens erklärt, die Zusammenarbeit auch für den Zeitraum bis 2020 fortzusetzen. Aufgabe wird es sein, die Erfahrungen anderen Kommunen zur Verfügung zu stellen und weitere Kommunen beim Aufbau kommunaler Präventionsketten zu beraten und zu unterstützen. Die Beratung und Unterstützung wird sich dabei auf die federführend von der Bertelsmann Stiftung verantwortete Evaluation stützen können, die ab 2016 zur Verfügung stehen wird. Im Rahmen der Evaluation arbeitet die Bertelsmann Stiftung mit einer Reihe renommierter Forschungsorganisationen zusammen. Die Evaluation soll zeigen, welche Effekte eine kommunale Präventionskette für Kinder und Familien haben. Die weitere Präzisierung von Präventionsstandards und das Vorgehen der Landesregierung nach Beendigung des Modellvorhabens werden die Ergebnisse der Evaluation des Modellvorhabens einbeziehen. Eine neue Auftragsvergabe an die Prognos AG ist vor diesem Hintergrund derzeit nicht geplant und war auch zu keiner Zeit angekündigt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/ 3 1. Wie viele Kinder und Jugendliche in der Altersgruppe bis 25 Jahren leben in Nordrhein-Westfalen jeweils in den Jahren 2010 -2014 (aufgeteilt nach Regierungsbezirken und nach Jahren)? Die Anzahl der Kinder und Jugendlich in der Altersgruppe bis 25 Jahre in den Jahren 2010 bis 2013 ergibt sich aus Tabelle 1 im Anhang. Die Bevölkerungszahlen zum Stichtag 31.12.2014 werden voraussichtlich erst im Oktober 2015 verfügbar sein. 2. Wie haben sich die sozialen Folgekosten in der Jugendbilanz für die Jahre 2010 bis 2014 entwickelt (Erhebung/Aufgliederung analog zum Prognos-Gutachten)? Die von der Prognos AG ermittelte Jugendbilanz besteht aus fünf Teilbereichen: (1) Jugendhilfe, (2) Übergangssystem, (3) Grundsicherung für Arbeitssuchende, (4) Jugendkriminalität/ Maßregelvollzug, (5) Gesundheit. (1) Für den Bereich der Jugendhilfe ergeben sich entsprechende Daten entlang der Erhebung /Aufgliederung analog des Prognos-Gutachtens aus den Tabellen 2 bis 5 im Anhang. Zum Vergleich wird auch die Entwicklung der sozialen Folgekosten für den von der Prognos AG berechneten Zeitraum 2006-2009 angegeben. (2) Im Bereich Übergangssystem werden die Kosten verschiedener Maßnahmen zusammengefasst , die auf die Herstellung der Ausbildungsfähigkeit Jugendlicher und junger Erwachsener abzielen. Dazu gehören bestimmte Personengruppen innerhalb ausgewählter Bildungsgänge in Berufs- oder Förderberufskollegs, wie zum Beispiel Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Berufsorientierungsjahr oder Berufsschulklassen für Schülerinnen und Schüler ohne Ausbildungsvertrag. Außerdem werden dazu die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verschiedener arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen gerechnet, wie zum Beispiel berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen. Eine nachvollziehbare Berechnung der sozialen Folgekosten anhand all der eingeschlossenen Personengruppen für die Jahre 2010 bis 2014 analog zum Prognos-Gutachten kann im Rahmen der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen. (3) Im Bereich der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende ergeben sich die von der Prognos AG vorgenommenen Schätzungen der sozialen Folgekosten in der Jugendbilanz aus hochgerechneten Kosten für Regelleistungen im SGB II, ausgewählten Fördermaßnahmen sowie anteiligen Verwaltungskosten. In der Jugendbilanz werden insbesondere die Kosten betrachtet, die sich für ausgewählte Personengruppen (arbeitslos gemeldete Personen , Personen in geförderten Erwerbstätigkeiten, Personen in geförderten Ausbildungsmaßnahmen etc.) im Alter von 15 bis 25 Jahren ergeben. Eine nachvollziehbare Berechnung der sozialen Folgekosten anhand all der eingeschlossenen Personengruppen für die Jahre 2010 bis 2014 analog zum Prognos-Gutachten kann im Rahmen der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen. (4) Für den Bereich Jugendkriminalität/Maßregelvollzug wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3698 verwiesen. (5) Für den Gesundheitsbereich wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3699 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9649 4 3. Wie haben sich diese sozialen Folgekosten in der Jugendbilanz für die Jahre 2010 - 2014 in den einzelnen Regierungsbezirken entwickelt? Zur Entwicklung der sozialen Folgekosten in der Jugendbilanz wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Eine Aufgliederung der Jugendbilanz nach Regierungsbezirken wurde zur Darstellung im Gutachten der Prognos AG nicht vorgenommen. Eine Ermittlung und Aufgliederung einer vergleichbaren Auswertung für die einzelnen Regierungsbezirke ist in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Wie hoch sind die einzelnen Anteile der Kostenträger in den Jahren 2010 – 2014 (Erhebung/Aufgliederung analog zum Prognos-Gutachten)? Die Durchführung einer solchen Auswertung ist in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Nachhaltige präventive Sozialpolitik erfordert eine kontinuierliche Bilanzierung der sozialen Folgekosten. Dazu ist es notwendig, die Kostendaten und Fallzahlen aus den in dieser Studie identifizierten Bereichen zukünftig auf Landes- und kommunaler Ebene regelmäßig zusammenzuführen.“ (Prognos-Gutachten, 15. Februar 2011, Seite 87): Wann legt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Bilanzierung der sozialen Folgekosten für die Jahre 2010 bis 2014 vor? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung Bezug genommen. Tab. 1: Anteil der Bevölkerung in der Altersgruppe 0 bis unter 25 Jahren in den Regierungsbezirken NRWs für die Jahre 2010 bis 2013 nach Geschlecht Quelle: IT.NRW, Fortschreibung des Bevölkerungsstandes Schl.-Nr. Verwaltungsbezirk Merkmal im Alter von 0 bis unter 25 Jahren 2010 1) 2011 2) 2012 2) 2013 2) 05 000 000 Nordrhein-Westfalen Bevölkerung insgesamt 4 557 560 4 411 645 4 379 161 4 348 783 05 100 000 Düsseldorf, Regierungsbezirk Bevölkerung insgesamt 1 262 566 1 220 629 1 214 187 1 208 472 05 300 000 Köln, Regierungsbezirk Bevölkerung insgesamt 1 122 449 1 090 323 1 088 446 1 086 586 05 500 000 Münster, Regierungsbezirk Bevölkerung insgesamt 694 947 678 443 670 813 663 569 05 700 000 Detmold, Regierungsbezirk Bevölkerung insgesamt 555 581 540 638 534 297 528 106 05 900 000 Arnsberg, Regierungsbezirk Bevölkerung insgesamt 922 017 881 612 871 418 862 050 1) Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis der Volkszählung vom 25.05.1987 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/ 5 2) Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis des Zensus vom 09.05.2011 © Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW), Geschäftsbereich Statistik , 24.07.2014. Tab. 2: Zahl der Inobhutnahmen und Herausnahmen* in NRW mit und ohne Anlass „unbegleitete Einreise aus dem Ausland“ (2010-2014; Anzahl absolut, Entwicklungen in %) Jahr Inobhutnahmen ohne unbegleitet eingereiste Minderjährige In Obhut genommene unbegleitet eingereiste Minderjährige Insgesamt Männlich Weiblich Insgesamt Männlich Weiblich 2010 10.051 4.366 5.685 387 315 72 2011 10.075 4.528 5.547 542 443 99 2012 10.360 4.572 5.788 1.115 1.007 108 2013 10.740 4.969 5.771 1.519 1.386 133 2014 10.997 5.111 5.886 2.201 2.020 181 2010- 2014 +9,4% +17,1% +3,5% +468,7% +541,3% +151,4% * Es handelt sich hierbei jeweils um die im Laufe des Erhebungsjahres abgeschlossenen Fälle. Quelle: IT NRW – Vorläufige Schutzmaßnahmen, versch. Jahrgänge; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik 2006- 2009 +21,8 % +32,3 % -14,1 % k.A. k.A. k.A. *Quelle: Gutachten der Prognos AG