LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9676 02.09.2015 Datum des Originals: 02.09.2015/Ausgegeben: 07.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3750 vom 6. August 2015 der Abgeordneten Dirk Wedel und Dr. Joachim Stamp FDP Drucksache 16/9443 Einrichtung von Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Amtshilfe am Beispiel der Stadt Langenfeld – Wie viel Dilettantismus der Landesregierung müssen die Kommunen noch ausbaden? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3750 mit Schreiben vom 2. September 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach einem Bericht der Wochenpost vom 06.08.2015 hatten die Mitarbeiter der Stadt Langenfeld nicht einmal 30 Stunden Zeit, um im Stadtgebiet in Amtshilfe für das Land eine Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge einzurichten. Am 04.08.2015 sei die Stadt von der Bezirksregierung Arnsberg darüber informiert worden, dass Langenfeld bis zum Abend des 05.08.2015 eine Landeserstaufnahmeeinrichtung für 150 Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen habe. Neben dem Freiräumen von Sporthallen hätten in dieser Zeit Notausgänge in die Wände geschlagen und ein Sicherheitsdienst beauftragt werden müssen, der die Unterkünfte rund um die Uhr bewacht. Auf die Frage, woher man auf die Schnelle 150 Betten nehmen solle, habe die Bezirksregierung auf IKEA verwiesen. Daraufhin habe das THW mit Feldbetten ausgeholfen. Für die medizinische Untersuchung werde die Hilfe des Kreisgesundheitsamtes benötigt, welches aber bereits in der Stadt Hilden gebunden sei, die vor den gleichen Problemen stehe. Der Bürgermeister der Stadt Langenfeld habe in einer am 05.08.2015 kurzfristig anberaumten Pressekonferenz die vorbildliche Willkommenskultur in Langenfeld betont, aber über das Land geklagt: „Wie das Land in Sachen Flüchtlingsproblematik agiert, ist nur noch abenteuerlich.“ „Wie man dort mit den Menschen und den Kommunen umgeht, ist eine Farce. Der Dilettantismus des Landes ist unfassbar.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9676 2 Die 1. Beigeordnete der Stadt Langenfeld habe sich wie folgt geäußert: „Wir sind seit Monaten mit den ständig steigenden Asylbewerberzahlen für die reguläre Aufnahme konfrontiert und haben entsprechende Vorkehrungen getroffen.“ Warum man den Kommunen nun auch noch die Einrichtung einer Landeserstaufnahmeeinrichtung innerhalb von gerade einmal 30 Stunden aufbürdet, könne sie nicht verstehen. Immerhin – so der Pressebericht weiter - übernehme die Kosten für die Erstaufnahmestellen angeblich das Land. Auf den Personalkosten für den zusätzlichen Arbeitsaufwand würden die Kommunen jedoch sitzen gelassen. Vorbemerkung der Landesregierung Der aktuell hohe Zugang von Flüchtlingen stellt Land, Bund und Kommunen vor eine Herausforderung , die nur gemeinsam zu bewältigen ist. Dass derart viele Menschen in Deutschland Schutz suchen werden, zeichnete sich weder lang- noch mittelfristig ab. Vielmehr ging das BAMF als gem. § 44 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz zuständige Prognosestelle noch im September 2014 von 200.000 Erst- sowie 50.000 Folgeantragstellern für das Jahr 2015 aus. Erst im Mai dieses Jahres, somit vor rund 3 Monaten , gab das BAMF bekannt, dass wohl mit insgesamt ca. 450.000 Asylantragstellern im Jahr 2015 zu rechnen sei. Auch diese Prognose wurde zwischenzeitlich von der Realität überholt, da in den ersten sieben Monaten bereits rund 300.000 Asylerstantragsteller in der Bundesrepublik registriert wurden und nach den Erfahrungen der Vorjahre in der zweiten Jahreshälfte mit noch höheren Zugängen zu rechnen ist. In der im August 2015 veröffentlichten Prognose rechnet das BAMF nunmehr damit, dass in diesem Jahr 800.000 Asylbegehrende nach Deutschland kommen werden. Das wären etwa viermal so viele Menschen wie im Vorjahr. Zu einer sprunghaften Verschärfung der Situation auf hohem Niveau ist es im Juli 2015 gekommen . Diese Entwicklung hat ein sofortiges Handeln erforderlich gemacht. Der in diesem Ausmaß nicht absehbare Zugang an Asylbegehrendenhat dazu geführt, dass alle Bundesländer gleichermaßen dringlich auf der Suche nach geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten für asylbegehrende Menschen sind. 1. Welche Kommunen sind durch das Land verpflichtet worden, in Amtshilfe Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge einzurichten (bitte unter Angabe des Datums und der Anzahl der Plätze)? Eine Aufstellung der Kommunen, die um Amtshilfe ersucht wurden, ist der beigefügten Tabelle (Anlage 1) mit Stand vom 15. August 2015 zu entnehmen. 2. Nach welchen Kriterien wurden die betroffenen Kommunen ausgewählt? Maßgebend für die Landesregierung waren die Leistungsfähigkeit und der Umstand, ob bereits Unterbringungseinrichtungen des Landes in der Kommune vorhandenen oder konkret geplant sind. In dem Bewusstsein, dass die Inanspruchnahme der Kommunen diese vor eine große logistische Herausforderung stellt, hat sich die Landesregierung entschieden, zunächst die kreisfreien Städte um Amthilfe zu ersuchen. Erst in einem zweiten Schritt ging die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9676 3 Landesregierung auf die großen kreisangehörigen Kommunen und danach auf die mittleren kreisangehörigen Kommunen mit einer Einwohnerzahl oberhalb von 40.000 zu. Kommunen mit bereits bestehenden oder konkret geplanten Landeseinrichtungen in Form einer EAE oder ZUE wurden zunächst nicht in Anspruch genommen. Dass die Reihenfolge der in Anspruch genommen Kommunen (siehe Anlage 1) nicht immer mit der Größe der jeweiligen Kommune zusammenhängt, liegt insbesondere daran, dass stets nach einvernehmlichen Lösungen mit den Kommunen gesucht wurde und bestimmte Kommunen eher als ursprünglich angedacht den Betrieb der Notunterkunft aufgenommen haben. 3. Wie viele Stunden vorher wurden die betreffenden Kommunen jeweils darüber informiert, dass sie eine Landeserstaufnahmeeinrichtung bereitzustellen haben (bitte für jede Einrichtung einzeln aufführen)? Aufgrund der Tatsache, dass in vielen Fällen das Amtshilfeersuchen zunächst fernmündlich kommuniziert wurde, lässt sich der genaue Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme durch die Landesregierung für jede einzelne Einrichtung nicht mehr rekonstruieren. Grundsätzlich gilt, dass die Kontaktaufnahme so früh wie möglich erfolgte. Um Kommunen nicht ohne Not zu belasten (indem kommunale Einrichtungen belegt werden, ohne dass dort unmittelbar Flüchtlinge untergebracht werden), hat die Landesregierung sukzessive entschieden, ob und in welchem Umfang die Schaffung neuer Notunterkünfte erforderlich sein wird. Unmittelbar nach dieser Entscheidung wurde Kontakt zu der betroffenen Kommune aufgenommen - die Kontaktaufnahme erfolgte in der Regel ein bis vier Tage vor Inbetriebnahme der Einrichtung. 4. Aus welchen Gründen hat die Bezirksregierung die Stadt Langenfeld lediglich 30 Stunden vorher über die Notwendigkeit der Einrichtung der Landeserstaufnahmeeinrichtung informiert? Bei allen Amtshilfeverpflichtungen handelt es sich um Notmaßnahmen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Dass eine Inanspruchnahme der Stadt Langenfeld erforderlich werden würde, zeichnete sich nicht ab. 5. Inwieweit wird die Landesregierung den betroffenen Kommunen die durch die Einrichtung der Landeserstaufnahmerichtungen entstandenen Kosten erstatten? Sämtliche Auslagen werden den betreffenden Kommunen selbstverständlich gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz erstattet. Im Nachgang zum sogenannten Bürgermeistergipfel am 12. August 2015 im Ministerium für Inneres und Kommunales wird derzeit die Ausgestaltung einer Vollkostenerstattung (Pauschalabrechnung ) für die Kommunen bei der Errichtung und dem Betrieb von Notunterkünften erarbeitet. Ziel ist es, ein Ergebnis im Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden zu erreichen. Liste der in Amtshilfe geschaffenen Notunterkünfte ab dem 20. Juli 2015, Stand 15.08.2015 1 RB Stadt akt. Kapaz. Aktivierung Nutzungsdauer AR Witten 150 22.07.2015 17.10.2015 AR Lünen 150 23.07.2015 17.10.2015 AR Arnsberg 150 24.07.2015 17.10.2015 AR Iserlohn 150 24.07.2015 17.10.2015 AR Lüdenscheid 150 28.07.2015 17.10.2015 AR Lippstadt 150 28.07.2015 17.10.2015 AR Hattingen 150 05.08.2015 n.n. AR Menden 150 05.08.2015 n.n. AR Soest 150 06.08.2015 n.n. AR Kamen 100 06.08.2015 n.n. AR Schwerte 150 10.08.2015 n.n. AR Gesamt Arnsberg 1.600 K Aachen 200 20.07.2015 17.10.2015 K Leverkusen 100 21.07.2015 17.10.2015 K BergischGladbach 80 24.07.2015 17.10.2015 K Troisdorf 100 24.07.2015 17.10.2015 K Kerpen 130 27.07.2015 17.10.2015 K Bergheim 150 27.07.2015 17.10.2015 K PuhlheimBrauweiler 104 30.07.2015 17.10.2015 K Frechen 150 03.08.2015 17.10.2015 K Bonn 100 31.07.2015 17.10.2015 K Hürth 150 05.08.2015 17.10.2015 K Stolberg 150 05.08.2015 17.10.2015 K Erftstadt 150 08.08.2015 17.10.2015 K Gummersbach 150 07.08.2015 unbefristet K Düren 150 10.08.2015 17.10.2015 K Hennef 150 14.08.2014 17.10.2015 K Wesseling 150 14.08.2015 17.10.2015 K Gesamt Köln 1.864 D Mönchengladbach 150 20.07.2015 17.10.2015 D Oberhausen 150 20.07.2015 17.10.2015 Liste der in Amtshilfe geschaffenen Notunterkünfte ab dem 20. Juli 2015, Stand 15.08.2015 2 D Remscheid 150 21.07.2015 17.10.2015 D Mülheim 120 21.07.2015 17.10.2015 D Wuppertal 150 22.07.2015 17.10.2015 D Krefeld 150 22.07.2015 17.10.2015 D Moers 150 17.10.2015 D Velbert 150 17.10.2015 D Viersen 150 17.10.2015 D Dinslaken 120 28.07.2015 17.10.2015 D Dormagen 150 28.07.2015 17.10.2015 D Wesel 125 29.07.2015 17.10.2015 D Grevenbroich 150 29.07.2015 17.10.2015 D Ratingen 132 31.07.2015 17.10.2015 D Meerbusch 150 03.08.2015 17.10.2015 D Langenfeld 108 05.08.2015 17.10.2015 D Hilden 150 05.08.2015 17.10.2015 D Kleve 150 07.08.2015 17.10.2015 D Monheim 150 13.08.2015 n.n. D Hamminkeln 150 17.08.2015 21.09.2015 D Gesamt Düsseldorf 2.555 DT Minden 150 27.07.2015 n.n. DT Paderborn II 180 03.08.2015 n.n. DT Gütersloh I 200 24.07.2015 n.n. DT Gütersloh II 200 29.07.2015 n.n. DT RhedaWiedenbrück 200 11.08.2015 n.n. DT Lemgo 150 07.08.2015 n.n. DT Bad Oeynhausen 150 11.08.2015 n.n. DT Bünde 150 07.08.2015 n.n. DT HornBad Meinberg 190 13.08.2015 n.n. DT Gesamt Detmold 1.570 MS Bottrop 190 21.07.2015 31.10.2015 MS Gelsenkirchen 150 20.07.2015 31.10.2015 MS CastropRauxel 150 21.07.2015 17.10.2015 MS Gladbeck 150 26.07.2015 30.09.2015 Liste der in Amtshilfe geschaffenen Notunterkünfte ab dem 20. Juli 2015, Stand 15.08.2015 3 MS Herten 140 29.07.2015 17.10.2015 MS Dorsten 150 27.07.2015 n.n. MS Ibbenbüren 150 05.08.2015 n.n. MS Ahlen 150 05.08.2015 n.n. MS Borken 150 07.08.2015 n.n. MS Gronau 150 07.08.2015 n.n. MS Dülmen 150 07.08.2015 n.n. MS Gesamt Münster 1.680