LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9743 14.09.2015 Datum des Originals: 11.09.2015/Ausgegeben: 17.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3780 vom 14. August 2015 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/9486 Welche „dringenden dienstlichen Gründe“ spielen bei der Schulleiterbesetzung eine Rolle? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3780 mit Schreiben vom 11. September 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Presse war zu entnehmen, dass es in Düsseldorf Diskussionen um die Versetzung einer Schulleiterin nach Hilden gab. Hintergründe scheinen demnach schulinterne Auseinandersetzungen an der Düsseldorfer Schule gewesen zu sein. Laut Presse wollte die Schulleiterin offensichtlich nicht in die andere Stadt versetzt werden, auch in der aufnehmenden Kommune bestand demnach Widerstand. Der dort zuständige Schuldezernent wird wie folgt zitiert: „Die Bezirksregierung versucht, ein Problem an einer Düsseldorfer Schule über die Stadtgrenze nach Hilden zu verschieben“. Die Bezirksregierung schien demnach jedoch entschlossen , das genannte Verfahren umzusetzen. So war der Presse hierzu zu entnehmen: „Die Bezirksregierung will die Versetzung "aus zwingenden dienstlichen Gründen" aber auf jeden Fall durchsetzen – notfalls zwangsweise, was als äußerst ungewöhnlicher Schritt gilt.“ Die Schulleiterin wird nun offenbar aber nicht mehr nach Hilden versetzt, da ein SPDLandtagsabgeordneter laut eigener Aussage im Schulministerium „interveniert“ haben soll, wie der Presse zu entnehmen war. „Dringende dienstliche Gründe“ bei der Schulleiterbestellung haben auch bei dem unlängst beschlossenen 12. Schulrechtsänderungsgesetz eine Rolle gespielt. Hier haben SPD, CDU und Grüne eine „Ermächtigung“ aufgenommen, wonach es zukünftig in § 61 Abs. 4 heißt: „Die Schulaufsichtsbehörde kann Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter aus dringenden dienstlichen Gründen in Anspruch nehmen. Der Schulträger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen.“ Eine Einbindung der Schulgemeinde erfolgt hierbei LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9743 2 nicht. Obwohl zumindest dem Schulträger die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, kritisierte hierzu die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW zu Recht: „Die Regelung in § 61 Abs. 4 SchulG lehnen wir in dieser Form ab. Auch wenn in der Begründung nun – im Unterschied zum Referentenentwurf – Erklärungen aufgenommen wurden , weshalb diese Regelung erforderlich sein soll, ist doch festzuhalten, dass der Schulaufsicht mit der Formulierung sehr weitgehende Freiheiten eingeräumt werden. Schulleitungsstellen können auf diesem Weg praktisch völlig „freihändig“ besetzt werden, sofern „dringende dienstliche Gründe“ angeführt werden. Warum die Schulkonferenz in dieser Konstellation überhaupt kein Äußerungsrecht bekommen soll, ist nicht nachvollziehbar. Das Problem der amtsangemessenen Beschäftigung von Schulleitern, die aus unterschiedlichen Gründen statusgleich versetzt werden sollen, muss die Schulaufsicht auf anderem Wege lösen.“ (Stellungnahme 16/2755). In Anbetracht des genannten Falles wäre es wichtig zu erfahren, welche einzelnen Fälle von „dringenden dienstlichen Gründen“ aus Sicht der Landesregierung ausschlaggebend für ein solches Vorgehen sein kann, ob in den vergangenen Jahren ähnlich agiert wurde und wie sich dies auf die Beteiligung der Schulgemeinden ausgewirkt hat bzw. auswirken wird. 1. Welche Situationen können der Anwendung von „dringenden dienstlichen Gründen “ bei der Besetzung von Leitungspositionen an Schulen zugrunde liegen (bitte rechtliche Konstellationen einzeln darlegen, die aus Sicht der Exekutive als entsprechende Gründe gelten würden)? Grundsätzlich sind alle Schulleitungspositionen auszuschreiben und nach den Vorgaben des Schulgesetzes und des allgemeinen Beamtenrechts zu besetzen. Daneben ist aber auch der verfassungsrechtlich abgesicherte Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung zu berücksichtigen . Daher müssen im Ausnahmefall Stellen für eine rechtsgleiche Unterbringung von Schulleiterinnen und Schulleitern - wie bisher - in Anspruch genommen werden können. Dies wird durch § 61 Abs. 4 Satz 1 SchulG klargestellt. Im Übrigen ist eine Darstellung aller denkbaren Fallkonstellationen nicht möglich. Eine Inanspruchnahme von Stellen für Versetzungen von Schulleiterinnen und Schulleitern kommt insbesondere in Betracht bei  Rückkehr aus dem Auslandsschuldienst,  Leitungsstellen an Schulen, die bereits mehrfach erfolglos ausgeschrieben worden sind,  Konfliktfällen zur Wiederherstellung des Schulfriedens und  Schulleiterinnen und Schulleitern, die infolge von schulorganisatorischen Veränderungen ihr Amt verlieren. 2. Wie viele dem oberen Fall entsprechende Schulleiterbestellungen aus dringend dienstlichen Gründen hat es jeweils in den letzten drei Schuljahren gegeben (bitte nach Anzahl sowie nach allgemeinem Sachgrund getrennt auflisten)? Angaben hierzu lassen sich in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermitteln. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9743 3 3. Bedeuten die genannten „dringenden dienstlichen Gründe“ zukünftig, dass vakante Schulleiterstellen automatisch ohne Einbindung der Schulgemeinden mit Personen besetzt werden, deren Leitungsposition aufgrund der Schließung bzw. des Auslaufens einer anderen Schule keine entsprechende Leitungsposition mehr einnehmen (können)? Wie bereits in der Antwort auf Frage 1) ausgeführt, werden Stellen durch die Schulaufsicht nur im Ausnahmefall für eine rechtsgleiche Versetzung in Anspruch genommen. Eine Versetzungsentscheidung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn die Inanspruchnahme der Stelle als Schulleiterin oder Schulleiter mit einer Beförderung (vgl. § 20 LBG) verbunden wäre. In diesen Fällen verbleibt es beim Verfahren nach § 61 Abs. 1 bis 3 Schulgesetz. 4. Wie bewertet es die Landesregierung, dass ein Abgeordneter einer regierungstragenden Fraktion letztlich indirekt erklärt hat, über die (Nicht-)Besetzung einer Schulleitungsposition mitzuentscheiden? Die Landesregierung äußert sich nicht zu Mutmaßungen. Nach § 61 Abs. 3 und 4 Schulgesetz trifft (allein) die obere Schulaufsichtsbehörde die Entscheidung über die Besetzung einer Schulleitungsposition. Die genannte Entscheidung hat diesen Kriterien entsprochen. 5. Da selbstverständlich auch Schulleitungen von zwischenzeitlich nicht mehr existenten Schulen für vakante Leitungsfunktionen an anderen Schulen infrage kommen können: Warum wird in § 61 Abs. 4 „lediglich“ den Schulträgern, aber nicht den Schulkonferenzen zumindest ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt ? Das Verfahren zur Bestellung der Schulleiterin oder des Schulleiters wird durch das 12. Schulrechtsänderungsgesetz an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte angepasst und insgesamt neu geordnet. Die Neuregelung betrifft die Nahtstelle zwischen verschiedenen Grundprinzipien des Schulwesens . Mit ihr wird die Beteiligung der kommunalen Schulträger in verfassungsrechtlich gebotenem und rechtlich möglichem Umfang gewahrt und ein angemessener Ausgleich zwischen der staatlichen Befugnis zur Organisation, Planung, Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens sowie dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht geschaffen. Zwar ist eine Stellungnahme der Schulkonferenz zur Inanspruchnahme einer Schulleitungsstelle auf gesetzlicher Ebene nicht vorgesehen. Das Informationsbedürfnis der Schulkonferenz wird in diesem Zusammenhang jedoch nicht verkannt. Daher ist auch in zukünftigen Besetzungsverfahren eine möglichst frühzeitige Information der Schulkonferenz durch die Schulaufsicht vorgesehen, wenn die Schulaufsicht eine Stelle wegen des verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung in Anspruch nehmen muss. Das nähere Verfahren wird eine Handreichung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung erläutern.