LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9744 14.09.2015 Datum des Originals: 14.09.2015/Ausgegeben: 17.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3775 vom 12. August 2015 der Abgeordneten Nicolaus Kern und Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/9481 Flüchtlingsunterbringung in NRW – privates Engagement unerwünscht? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3775 mit Schreiben vom 14. September 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Minister für Bauen, Wohnen Stadtentwicklung und Verkehr und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nordrhein-Westfalen erlebt seit Monaten eine steigende Zahl von Flüchtlingen. Kreise und Gemeinden bemühen sich, für diese zu uns kommenden Menschen ausreichenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen, müssen aber vielfach aufgrund der Überlastung vorhandener Kapazitäten zusätzliche Möglichkeiten schaffen, wie z.B. die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften in Turnhallen, stillgelegten und wenig geeigneten öffentlichen Gebäuden etc.. Gleichzeitig fordern die in der praktischen Flüchtlingshilfe vor Ort tätigen Verbände und Organisationen , nach Möglichkeit Menschen nicht in Sammelunterkünften, sondern in richtigen Wohnungen unterzubringen. Erfreulicherweise ist die Unterstützung, die viele Menschen in NRW in diesem Zusammenhang ehrenamtlich einbringen, sehr hoch. Dazu gehört auch die Bereitschaft von Menschen, Flüchtlinge kostenfrei in ihrer eigenen Wohnung unterzubringen. Wie der WDR 5 am 31.07.2015 berichtete, stoßen Menschen, die Flüchtlinge auf privater Basis kostenfrei Wohnraum verschaffen wollen, in NRW von Seiten der zuständigen Kommunen auf verschiedenste Schwierigkeiten und Probleme. Das Saarland hingegen fördert solche privaten Initiativen mit finanziellen und personellen Mitteln. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9744 2 Vorbemerkung der Landesregierung In Nordrhein-Westfalen engagieren sich rund fünf Millionen Menschen ehrenamtlich in ganz unterschiedlichen Bereichen. Bei der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe ist mit der Zunahme der Zahl der Flüchtlinge auch die Bereitschaft in der Bevölkerung immens gestiegen, sich hier ehrenamtlich einzubringen. Viele Menschen in NRW arbeiten mit viel Engagement daran, den Flüchtlingen jeden Tag aufs Neue Unterkunft und Versorgung zu sichern. Diesen Menschen - und dazu gehören die Ehrenamtler in den Hilfsorganisationen und auch die engagierten Bürgerinnen und Bürger vor Ort - gebühren die Anerkennung und der große Dank der Landesregierung. 1. Welchen Standpunkt nimmt die Landesregierung bezüglich der freiwilligen Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen ein? 2. Welche Probleme gesetzlicher, administrativer, technischer, finanzieller oder kultureller Art erschweren das beschriebene ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich? 3. Wie kann nach Meinung der Landesregierung die Aufnahme von Flüchtlingen durch ehrenamtlich engagierte Menschen erleichtert werden? 4. Welche konkreten Maßnahmen hat das Land Nordrhein-Westfalen bislang ergriffen , um das Engagement von Freiwilligen im Bereich der privaten Unterbringung anzuerkennen und zu stärken, z. B. durch verstärkte Betreuung von Seiten der Bezirksregierungen für Kommunen, in denen Privatleute Flüchtlinge ehrenamtlich aufnehmen möchten oder sonstige Unterstützungsleistungen durch die Bezirksregierungen ? 5. Welche konkreten Maßnahmen zur Unterstützung von ehrenamtlich engagierten Bürgern, die Flüchtlinge aufnehmen möchten, sind von Seiten der Landesregierung in Vorbereitung? Das Land Nordrhein-Westfalen ist wie auch die anderen Bundesländer gem. § 44 Asylverfahrensgesetz verpflichtet, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten sowie die notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereit zu stellen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung unterhält das Land zahlreiche Erstaufnahmeeinrichtungen und zentrale Unterbringungseinrichtungen als Sammeleinrichtungen mit einer Vielzahl von Unterbringungsplätzen. Privater Wohnraum kommt wegen der Kapazitätsanforderungen dafür nicht in Frage. Von diesen Landeseinrichtungen werden die Asylbewerberinnen und Asylbewerber anschließend den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zur weiteren Aufnahme und Unterbringung zugewiesen. Die Aufgabe der Aufnahme und Unterbringung erfüllen die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Ob und in welchem Umfang und in welcher Weise dabei die Städte und Gemeinden die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, Flüchtlinge kostenfrei in deren eigener Wohnung aufzunehmen, in Anspruch nehmen, entscheiden die Kommunen ebenfalls im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung. Die Landesregierung begrüßt jede Form von bürgerschaftlichem Engagement, insbesondere das derzeit sehr hohe Engagement im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung und -betreuung und daher auch die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, diesen Menschen eine Unterkunft in ihren eigenen Wohnungen zu bieten. Probleme in diesem Zusammenhang des bürgerschaftlichen Engagements sind der Landesregierung bisher nicht bekannt geworden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9744 3 Zur Unterstützung von ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern hat das Land 2004 einen Haftpflicht-Sammelversicherungsvertrag für ehrenamtlich Engagierte in NRW abgeschlossen. Die Absicherung wurde insbesondere für die Ehrenamtlichen getroffen, für die bisher kein Versicherungsschutz bestand. Es handelt sich nicht um einen Versicherungsschutz , der kraft Gesetzes besteht, sondern um eine freiwillige Absicherung des Landes zu Gunsten der Ehrenamtlichen. Versichert sind in pauschaler Form alle ehrenamtlich und freiwillig Engagierten, die ihre gemeinwohlorientierte Tätigkeit in rechtlich unselbstständigen Einrichtungen ausüben. Für ehrenamtlich Mitarbeitende in rechtlich selbstständigen Einrichtungen, wie eingetragenen Vereinen , Kommunen, Körperschaften, landesgetragenen Institutionen und Einrichtungen und ähnlichen, besteht kein pauschaler Versicherungsschutz. Für die Absicherung der ehrenamtlich Engagierten sollte die rechtlich selbstständige Einrichtung (=juristische Person) schon allein aus eigenem Interesse Vorsorge über entsprechende Haftpflicht-Versicherungsverträge treffen. Ehrenamtliche, die sich im Bereich der Flüchtlingshilfe engagieren, indem sie z.B. Flüchtlinge bei sich privat aufnehmen (Vermietung von Wohnraum ausgenommen), sollten über die Kommune, die Organisation, die Kirchengemeinde etc., die die Flüchtlinge vermittelt hat, versichert sein. Andernfalls übernimmt hier die Landesversicherung den Versicherungsschutz . Sollte das Ehrenamt für Flüchtlinge im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ohne Anbindung an eine Institution ausgeübt werden (z.B. Begleitung zu Ämtern etc.), besteht Unfall- und Haftpflichtschutz über den Sammelversicherungsvertrag des Landes. Zusatz: Schäden am Eigentum der Ehrenamtlichen selbst sind nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Dies gilt auch für Schäden, die durch Flüchtlinge verursacht werden. Bereits im Dezember 2014 hat das Land über die NRW.BANK das Programm „Flüchtlingsunterkünfte “ aufgelegt, das ausschließlich Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen unterstützt. Die NRW.BANK bietet den Kommunen zinsgünstige Darlehen für grundsätzlich alle Investitionen in den Erwerb und Bau von Flüchtlingsunterkünften sowie in Modernisierung und in die Ausstattung von Flüchtlingsunterkünften. Ergänzend hierzu wird seit Juni 2015 die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge auch im Rahmen des Wohnraumförderungsprogramms unterstützt. Auf Grundlage der „Richtlinie zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge“ des MBWSV können jetzt auch kommunale Wohnungsunternehmen und andere wohnungswirtschaftliche Investoren, auch Privatpersonen , zinsgünstige Darlehen mit Tilgungsnachlässen erhalten, wenn sie Wohnraum für Flüchtlinge durch Neubau oder im vorhandenen Gebäudebestand schaffen. Mit diesem Förderangeboten leistet das Land einen Beitrag zur Schaffung und Mobilisierung von Wohnraum für Flüchtlinge und Asylbewerber, die den Kommunen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zugewiesen werden.