LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9747 14.09.2015 Datum des Originals: 14.09.2015/Ausgegeben: 17.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3751 vom 5. August 2015 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/9444 Strukturelle Einsparungen im Landeshaushalt durch Handlungen des Finanzministers – Werden die vollmundigen Sparankündigungen der regierungstragenden Fraktionen von der Landesregierung tatsächlich umgesetzt, oder sind diese nur heiße Luft? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3751 mit Schreiben vom 14. September 2015 im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits am 21. Januar 2015 hat die Nachrichtenagentur dpa unter dem Titel „Rot-Grün will an Stellen, Beamten und Förderprogrammen sparen“ folgende behauptete Zielsetzungen der regierungstragenden Fraktionen gemeldet: „SPD und Grüne wollen in diesem Jahr 155 Millionen Euro bei den Stellen im öffentlichen Dienst des Landes sparen. Das dann erreichte Niveau soll mindestens bis 2018 gehalten werden. Noch größere Einschnitte seien nicht zu verkraften, betonten die Vorsitzenden der rot-grünen Regierungsfraktionen, Norbert Römer (SPD) und Reiner Priggen (Grüne), am Mittwoch in Düsseldorf. Wo im Stellenplan genau gestrichen wird, teilten sie nicht mit. Bei den Beamten sollen die Einsparungen von Jahr zu Jahr um 160 Millionen Euro steigen und bis 2017 auf 700 Millionen Euro wachsen. Wie das konkret erreicht werden könne, hänge vom Ergebnis der nächsten Tarifverhandlungen für die Angestellten des Landes ab, sagte Römer.“ Die nebulösen Ankündigungen der regierungstragenden Fraktionen sind seinerzeit offenbar aus guten Gründen nicht näher spezifiziert worden bei den Instrumenten, wie die offensiv proklamierten Ziele konkret erreicht werden sollen. Das „Ob“ einer Umsetzung ist aber von den Akteuren in keiner Weise in Frage gestellt worden. Damit stellt sich logisch die Frage, in LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9747 2 welchem Umfang und in welcher Weise die Landesregierung, deren Mitglieder teilweise selbst den regierungstragenden Fraktionen als Person angehören, sich diese Behauptungen in ihrer Regierungsplanung bzw. ihrem praktischen Regierungshandeln zu eigen macht. Zu diesem Sachverhalt hat Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans leider in den zuständigen parlamentarischen Gremien bislang leider geschwiegen. Etliche Monate nach den zuvor zitierten Ankündigungen von SPD und Grünen lassen sich nennenswerte strukturelle Einsparbemühungen der Landesregierung weder für das Jahr 2015, noch für die Jahre 2016 bis 2018 erkennen. Ganz im Gegenteil werden durch mehrere Nachtragshaushalte zusätzliche Stellen in bestimmten Bereichen geschaffen, ohne dies durch Sparanstrengungen an anderen Stellen auch nur ansatzweise zu kompensieren. Auch die Einigung bei der Besoldungserhöhung 2015/2016 mit den Berufsverbänden im Land ist mittlerweile erfolgt. In den Jahren 2015 und 2016 werden nun durch eine zeitliche Verzögerung der Besoldungsanpassung um drei Monate im Jahr 2015 beziehungsweise von fünf Monaten im Jahr 2016 einmalige Einspareffekte erzielt. Ein Anstieg von strukturellen Einsparungen in Höhe von 160 Millionen Euro in jedem Jahr bis 2017 lässt sich beim besten Willen auf Basis der vorgelegten Haushaltszahlen nicht erkennen. Zusätzlich ist nicht bekannt, ob die Landesregierung dem verkündeten politischen Willen der regierungstragenden Fraktionen gefolgt ist und die Stellenanzahl im öffentlichen Dienst bis zum Jahr 2018 konstant gehalten werden soll. Die Vorstellung der neuen Haushaltseckdaten vor der Sommerpause spricht jedenfalls eine komplett andere Sprache. Den Ankündigungen des Finanzministers ist zu entnehmen, dass im Gegenteil ein Stellenaufwuchs um 859 Stellen auf dann neu 285.898 Stellen intendiert ist (Quelle: Aussagen des Finanzministers gegenüber den Westfälischen Nachrichten vom 24. Juni 2015) Etliche andere Bundesländer haben sich bislang als weit ehrgeiziger und erfolgreicher bei Fragen der Haushaltssanierung erwiesen. In Nordrhein-Westfalen besteht noch ein großes Risiko, den Anforderungen der verpflichtenden Schuldenbremse im Jahr 2020 auch ohne permanente Mehrbelastungen auf Kosten der Bürger und Unternehmen zu entsprechen. Eine nennenswerte strukturelle Einsparung bleibt auch bei den unlängst vom Finanzminister vorgestellten Haushaltseckdaten Fehlanzeige. Die rot/grüne Landesregierung bleibt ihrer Linie treu und verzichtet auf die dringend notwendige Konsolidierung des Landeshaushalts durch strukturelle Reformen. Obwohl weiterhin Idealbedingungen herrschen, wird das Land Nordrhein-Westfalen leider unverändert auf eine hohe Kreditaufnahme setzen müssen. Nicht zuletzt aufgrund der massiven Anhebung der Grunderwerbsteuer sowie der heimlichen Steuererhöhungen durch die kalte Progression stehen dem Land rund 50,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen im Jahr 2016 zur Verfügung. Akut notwendige Mehrausgaben wie zum Beispiel bei der Flüchtlingsunterbringung, können nur durch den anhaltenden Steuerregen ohne weitere Kredite finanziert werden. Eine vernünftige Prioritätensetzung der rot/grünen Landesregierung ist unverändert nicht erkennbar. Das nahezu wirkungslose sogenannte Effizienzteam steht exemplarisch für die Tatenlosigkeit und den Stillstand der Regierung Kraft in Sachen Haushaltskonsolidierung. Interessant ist daher nicht, wie sich Haushaltsverbesserungen eher zwangsläufig durch die immer neuen Steuereinnahmerekorde fast automatisch ergeben haben, sondern welche konkreten Maßnahmen die Landesregierung qua eigener Entscheidung mit jeweils welcher Haushaltsauswirkung ganz gezielt ergriffen hat. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9747 3 1. Durch konkret welche Beschlüsse und Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung die Umsetzung der zuvor referierten einzelnen Haushaltsankündigungen der regierungstragenden Fraktionen (155 Mio. Euro Personaleinsparung in diesem Jahr, Niveaustabilisierung bis 2018, jährliche Einsparung bei Beamten um 160 Mio. Euro) zu erreichen? 2. Welche Einsparungen plant die Landesregierung jeweils jährlich bei der Höhe der Beamtenbesoldung in den Jahren 2015 bis 2017 (bitte gegliedert nach strukturellen und einmaligen Einspareffekten)? 3. Welche Entwicklung der Stellenzahl plant die Landesregierung jeweils jährlich für die Jahre 2015 bis 2017 (bitte gegliedert nach Stellen und Planstellen)? 4. Aufgrund welcher einzelnen Entscheidungen bzw. Annahmen hält die Landesregierung die von den regierungstragenden Fraktionen eingeforderten Einsparungen im Personalbereich in Höhe von 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2017 für (nicht) realisierbar? 5. Wie hoch fällt jeweils jährlich seit dem Jahr 2010 der strukturelle Einsparbeitrag im Landeshaushalt durch die zu diesem Zweck politisch initiierten einzelnen Maßnahmen dieser Landesregierung aus? (bitte rechnerisch genaue Darstellung der Maßnahmen, Kausalitäten und haushalterischen Auswirkungen, ggf. mit kumulativen Effekten) Mit dem Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen beabsichtigte die Landesregierung zur Fortführung der Haushaltskonsolidierung eine gestaffelte Weitergabe der für die Tarifbeschäftigten vereinbarten Gehaltserhöhungen an die Empfängerinnen und Empfänger von Besoldung und Versorgung. Mit der gestaffelten Weitergabe sollten gegenüber einer zeit- und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifergebnisses dauerhaft rd. 700 Mio. Euro im Landeshaushalt eingespart werden. Aus Sicht der Landesregierung war die Einsparung unverzichtbar, um bei der Festsetzung der Besoldung sowohl die Alimentationsinteressen der Beamtinnen und Beamten als auch die Erfordernisse der Haushaltskonsolidierung zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen . Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich eingeführten Schuldenbremse (Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG). In der Übergangsphase bis zum Jahr 2020 müssen durch strukturelle Änderungen im Staatshaushalt die Voraussetzungen für einen vollständigen Verzicht auf kreditfinanzierte Einnahmen geschaffen werden. Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 im Land Nordrhein-Westfalen vom 11. November 2014 trug die Landesregierung den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs Rechnung, der das ursprüngliche Anpassungsgesetz verworfen hatte, mit dem eine strukturelle Einsparung von 700 Mio. Euro erzielt werden sollte. Durch die Anpassung im neuen Gesetz hatte sich das ursprüngliche , dauerhafte strukturelle Einsparvolumen auf 220 Mio. Euro reduziert. Zur Einhaltung der in der Mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Nettoneuverschuldung hat die Landesregierung deshalb entschieden, in den Jahren 2015 bis 2017 jeweils 160 Mio. Euro im Personalbereich einzusparen. Es war das erklärte Ziel, im Finanzplanungsjahr 2017 den bisher geplanten Wert der Nettoneuverschuldung wieder zu erreichen. Der in der Finanzplanung 2014 bis 2018 für das Planungsjahr angegebene Wert belief sich für die Nettoneuverschuldung auf 1,3 Mrd. Euro. Der Zielvorgabe entsprechend wird der Wert in der aktuellen Finanzplanung mit 1,27 Mrd. Euro wieder erreicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9747 4 Dazu haben die nachfolgenden Maßnahmen wesentlich beigetragen. Im Jahr 2015 wurde die erste Einsparrate von 160 Mio. Euro in der Form erbracht, dass der Verstärkungstitel für Personalausgaben um 160 Mio. Euro reduziert worden ist. Darüber hinaus werden aufgrund der zeitlichen Verschiebung der linearen Erhöhung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge 2015 gegenüber der Tariferhöhung um drei Monate weitere rd. 91 Mio. Euro eingespart. In 2016 wird die Anpassung erst fünf Monate später erfolgen. Das führt zu weiteren Einsparungen von rd. 175 Mio. Euro. Auch in 2017 wird das Tarifergebnis zeitverzögert weitergegeben. Mit den Gewerkschaften wurde eine Verschiebung um drei Monate vereinbart, die erneut eine spürbare Entlastung für den Landeshaushalt bringen wird. Der in den Entwürfen zu den Haushaltsgesetzen 2014 und 2015 vorgenommene Abbau von insgesamt rd. 3.100 Stellen führt zu einer dauerhaften Einsparung im Landeshaushalt in Höhe von 155 Mio. Euro. Das gilt unabhängig davon, dass aufgrund geänderter tatsächlicher und politischer Rahmenbedingungen eine gegenläufige Anpassung der Stellenzahlen notwendig geworden ist. Insbesondere in Bereichen der Inneren Sicherheit sowie der Flüchtlings - und Asylproblematik war die Einrichtung neuer Stellen für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung unumgänglich. Weitergehende strukturelle Einsparungen sind derzeit aufgrund der allgemeinen Entwicklung weder geplant noch erforderlich zur Erreichung der im Hinblick auf 2020 mittelfristigen Finanzplanungsziele . Hier gilt, dass Sparen nach Auffassung der Landesregierung kein Selbstzweck ist. Die Anzahl der Planstellen und Stellen des Zweiten Nachtragshaushalts 2015 beläuft sich auf insgesamt 285.039 (246.900 Planstellen, 210 Stellen für Richterinnen und Richter auf Probe sowie 37.929 Stellen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer). Mit dem Haushaltsentwurf 2016 ist ein Anstieg auf 285.898 Stellen geplant (247.775 Planstellen, 210 Stellen für Richterinnen und Richter auf Probe sowie 37.913 Stellen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ). Im Haushaltsjahr 2017 ist nahezu mit der gleichen Stellenzahl wie 2016 zu rechnen . Diese Planstellen und Stellen werden zwingend zur Erledigung der Landesaufgaben benötigt. Weitere Maßnahmen der Landesregierung zur Haushaltsverbesserung können den Ausführungen zu Frage 122 der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 12 der Fraktion der FDP vom 20.11.2014, Drucksache 16/7350, entnommen werden.