LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9764 16.09.2015 Datum des Originals: 16.09.2015/Ausgegeben: 21.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3810 vom 18. August 2015 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/9576 Ist die unabhängige Patientenberatung künftig nicht mehr wirklich unabhängig? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 3810 mit Schreiben vom 16. September 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Eine unabhängige Patientenberatung stärkt die Patientenorientierung im Gesundheitswesen und kann dazu beitragen, bestehende Probleme im Verhältnis zwischen Patienten, Leistungserbringern und Krankenkassen aufzuzeigen. Nach § 65b SGB V fördert der Spitzenverband Bund der Krankenkassen entsprechende Einrichtungen zur Patientenberatung. Er darf dabei aber auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit keinen Einfluss nehmen . Die Entscheidung über die Vergabe der Fördermittel erfolgt durch den Spitzenverband Bund im Einvernehmen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten. Bisher wird die Patientenberatung von der UPD (Unabhängige Patientenberatung Deutschland ) gGmbH wahrgenommen. Die UPD ist ein Verbund gemeinnütziger Einrichtungen mit 21 Beratungsstellen bundesweit, davon mit Bielefeld, Dortmund und Köln drei in NordrheinWestfalen . In den Beratungsstellen stehen jeweils durchschnittlich vier Mitarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung. Gesellschafter der UPD sind der Sozialverband VdK Deutschland , die Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verbund unabhängige Patientenberatung . Die laufende Vergabeperiode für Fördermittel in Höhe von 5,2 Millionen Euro jährlich endet zum 31.12.2015. In der Folge erfolgt eine Vergabe mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einer Fördersumme von neun Millionen Euro jährlich. Bei der Neuausschreibung wurde vorgegeben , dass die zusätzlichen Mittel nicht für den Ausbau von Beratungsstellen vor Ort, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9764 2 sondern überwiegend für die Telefonberatung eingesetzt werden sollen. Im Juli wurde bekannt , dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Zuschlag im Vergabeverfahren an die Sanvartis GmbH erteilen will. Gegen diese Entscheidung wurde von den Gesellschaftern der UPD Widerspruch eingelegt. Sanvartis wurde 1999 unter dem Namen GesundheitScout24 als Teil der Scout24-Gruppe in Köln gegründet. Im Jahr 2000 erfolgte die Eröffnung des größten medizinischen Call-Centers Deutschlands in Duisburg. Seit November 2005 ist Sanvartis Teil der Vendus Sales and Communication Group, einer Unternehmensgruppe, die Kommunikations-, Beratungs- und Vertriebs-dienstleistungen im Gesundheitsmarkt anbietet. Problematisch ist, dass Sanvartis seit Jahren für verschiedene Krankenkassen Call-Center betreibt und somit aufgrund möglicher Interessenskonflikte die Unabhängigkeit der Beratung in Frage steht. Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats zur Vergabe der Patientenberatung haben die Vergabe an die Sanvartis GmbH öffentlich kritisiert, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten Staatssekretär Karl-Josef Laumann hat als Vorsitzender des Beirats die Vergabeentscheidung hingegen unterstützt. Vorbemerkung der Landesregierung Die aktuelle Förderung der Unabhängigen Patientenberatung gem. § 65 b Sozialgesetzbuch V (SGB V) endet zum 31.12.2015. Zur Vergabe der Fördermittel ab dem Jahr 2016 hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) im Einvernehmen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigten für Pflege ein europaweites Ausschreibungsverfahren eingeleitet. Die Länder haben aufgrund der bundesgesetzlichen Vorschriften keine formalen Einflussmöglichkeiten auf das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren. Im Rahmen des Vergabeverfahrens hat einer der nicht berücksichtigten Bieter einen Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer beim Bundeskartellamt gestellt. Die Vergabekammer hat am 03.09.2015 den Nachprüfungsantrag des nicht berücksichtigten Bieters zurückgewiesen und in der Beschlussbegründung die Vorgehensweise und Wertung des GKVSpitzenverbandes als fehlerfrei beschrieben (VK1 – 74/15). Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf zulässig. Eine Beschwerde hätte ein erneutes Zuschlagsverbot zur Folge. 1. Wie bewertet die Landesregierung den Ablauf des Vergabeverfahrens zur Patientenberatung insbesondere im Hinblick auf die Positionen der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats und des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten? Die Landesregierung ist – wie in der Vorbemerkung ausgeführt – nicht am Vergabeverfahren beteiligt. Insofern enthält sie sich einer Bewertung zum Ablauf des Verfahrens. 2. Wie bewertet die Landesregierung eine Vergabe an die Sanvartis GmbH im Hinblick auf mögliche Interessenskonflikte, als Betreiber von Call-Centern für Krankenkassen Patientinnen und Patienten auch in Konflikten mit ihrer Krankenkasse zu beraten? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9764 3 3. Inwiefern sieht die Landesregierung bei einer Vergabe an die Sanvartis GmbH eine wirkliche Unabhängigkeit der Beratung für Patientinnen und Patienten in NRW auch künftig noch gewährleistet? Nach § 65 b SGB V fördert der GKV-Spitzenverband Einrichtungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informieren und beraten, mit dem Ziel, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen. Der GKV-Spitzenverband darf auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit keinen Einfluss nehmen. Die Förderung einer Einrichtung zur Verbraucher - und Patientenberatung setzt deren Nachweis über ihre Neutralität und Unabhängigkeit voraus. Die Landesregierung erwartet, dass die in § 65 b SGB V formulierten Anforderungen von den Verantwortlichen auf der Bundesebene vollumfänglich umgesetzt werden. 4. Wie bewertet die Landesregierung einen möglichen Wegfall der örtlichen Beratungsangebote der UPD in Bielefeld, Dortmund und Köln? Die Bundesregierung hat in ihrem „Erfahrungsbericht über die Durchführung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung“ vom 15.04.2013 (Drs. 17/13127) dokumentiert, dass sich diese in ihrer Beratungstätigkeit gut etabliert hat und die Beratung auf einem qualitativ hohen Stand erfolgt, insbesondere aus der Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer. Die Landesregierung bedauert, dass durch die beabsichtigte Vergabeentscheidung bewährte und anerkannte Strukturen aufgegeben werden. 5. Wie viele Mitarbeiterstellen in den drei Beratungsstellen der UPD in Bielefeld, Dortmund und Köln wären von einem Wegfall der Förderung betroffen? Von einem Wegfall der Förderung wären nach Angaben der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland gGmbH folgende Stellen betroffen: Bielefeld: 3 Beraterinnen 1 Empfangskraft (Mini-Job) 1 IT-Kraft (Mini-Job) Dortmund: 6 Berater/innen 1 Empfangskraft (Mini-Job) Köln: 4 Berater/innen