LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9778 21.09.2015 Datum des Originals: 21.09.2015/Ausgegeben: 24.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3802 vom 19. August 2015 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/9553 Millionenschwere Beraterverträge der WestLB Bad Bank Erste Abwicklungsanstalt zu Geschäftsmodell, Organisationsstruktur und sogar Expansionsmöglichkeiten – Welche genauen Leistungen der Strategie- und Implementierungsberatung werden von den fünf bei der Vergabe erfolgreichen Anbietern für die Ziele der EAA erbracht? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3802 mit Schreiben vom 21. September 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den letzten Wochen und Monaten hat es bekanntlich gravierende Änderungen gegenüber dem ursprünglich geplanten Vorgehen bei der Abwicklung der WestLB-Lasten gegeben. Die lange Zeit fest intendierte und kommunizierte Privatisierung der Portigon Financial Services (PFS) ist aufgrund der vom Finanzminister angenommenen Erfolglosigkeit des Unterfangens von den zuständigen Gremien abgesagt und möglicherweise gar für immer beerdigt worden, und die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) hat mittlerweile die frühere Einheit Portfolio Exit Group (PEG) von Portigon übernommen und damit ihren schon seit Jahren praktizierten Personalaufbau noch einmal signifikant gesteigert. Zugleich ist die geschäftliche Zukunft von Portigon unsicherer denn je. Da unter ungewöhnlichen Umständen innerhalb von nur etwas mehr als einem Jahr gleich zwei Vorstandsvorsitzende der Portigon AG aus ihren Funktionen ausgeschieden sind und sogar eine Eingliederung der Servicegesellschaft Portigon Financial Services (PFS) bei der EAA vorangetrieben wird, ist die Frage von großer Relevanz, welche einzelnen Unternehmens- und Managementberatungen mit der Übertragung genau welcher Analysen und Dienstleistungen im weiteren Abwicklungsprozess von der EAA mandatiert worden sind. Im Kontext der aktuellen Entwicklungen gewinnt diese bereits zu Jahresbeginn 2014 getroffene Entscheidung der EAA eine ganz neue Dimension. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9778 2 Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hat früher gegenüber dem Landtag klargestellt, dass er keinerlei Auskünfte zu den Auftragnehmern oder deren Art und Volumina bei der Portigon AG erteilen wird (Vorlage 16/2237): „Bei der Mandatierung externer Berater handelt es sich um vertrauliche geschäftliche Angaben , zu denen keine Angaben getätigt werden können.“ 1. Mit welcher rechtlichen Begründung verschweigt der Finanzminister gegenüber dem Landtag Informationen zu Beraterverträgen der EAA, obwohl umfangreiche Erkenntnisse aus öffentlich zugänglichen Quellen diesbezüglich zu ermitteln sind? Dem Landtag sind von mir keine Informationen zu Beraterverträgen der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA) „verschwiegen“ worden. Vielmehr ist das Finanzministerium seiner Informationspflicht in öffentlicher Sitzung nachgekommen . PAG und PFS sind keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts. Die erbetene Darstellung zu Einzelaufträgen erfordert die Offenbarung von grundrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter, da damit deren Kalkulationsgrundlagen, zumindest für diejenigen, die über Kenntnisse der Branchenüblichkeit verfügen, offenbar werden . 2. Welche genauen Absichten, Überlegungen und Ziele bestehen jeweils einzeln bei den Beratungsaufträgen der EAA in den nachfolgenden Untersuchungsfeldern: strategische Weiterentwicklung, Marktauftritt und Expansionsmöglichkeiten, Organisationsstruktur und Geschäftsmodell? Oberstes Ziel des Handelns der EAA ist die Sicherstellung der operativen Stabilität. Daneben ist die EAA jeweils bestrebt, Synergie- und Kosteneinsparpotentiale für die Zukunft zu erschließen und für den erfolgreichen Abbau des Portfolios relevante personelle Ressourcen zu sichern. Entsprechend befasst sich das Management der EAA auch mit der Frage, welche Leistungen an Dienstleister vergeben werden können und sollten und welche die EAA selbst ausführen sollte, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Die EAA hat mitgeteilt, dass es sich bei den in der Kleinen Anfrage thematisierten „Beraterverträgen “ um einen Rahmenvertrag handelt, der am 25. März 2014 mit fünf Beratungshäusern über eine Laufzeit von 36 Monaten abgeschlossen wurde. Dabei umfasst der Rahmenvertrag ein Spektrum an potentiellem Beratungsbedarf und definiert Rahmenbedingungen für eine Zusammenarbeit mit den Vertragsnehmern. Eine Beauftragung erfolgt bei Bedarf im Einzelfall auf Grundlage einer spezifischen Ausschreibung unter dem Rahmenvertrag. Entgegen den Ausführungen in der Kleinen Anfrage gab es bislang nur eine Beauftragung im Volumen von unter 250 Beratungstagen und Kosten von unter 1,0 Mio. Euro. Projektinhalt waren „Strategische Szenarien Abwicklungsplan“. 3. Um namentlich jeweils welche als „Tochterunternehmen“ in der Ausschreibung titulierten Entitäten handelt es sich derzeit bzw. zukünftig bei der EAA? Die Ausschreibung stand seinerzeit im Zusammenhang mit Beratungsleistungen vor Übertragung des Portfoliomanagements (damaliger Bereich Loan & Portfolio Management der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9778 3 ehemaligen WestLB/ Portigon AG) auf die EAA Portfolio Advisers GmbH (EPA). Von der Ausschreibung umfasst wurden allerdings sämtliche operativ tätigen Tochterunternehmen der EAA. Eine aktuelle Übersicht über Tochterunternehmen ist den veröffentlichten Geschäfts - und Zwischenberichten der EAA zu entnehmen. Die EAA kann nach § 2 Absatz 2 Satz 2 ihres Statuts regulierte Tochtergesellschaften im Inund Ausland halten bzw. nach § 8a Abs. 8 Nr. 1 Satz 6 FMStFG Gesellschaften gründen. Vor dem Hintergrund ist offen, ob und für welche Tochtergesellschaften die EAA ggf. in Zukunft Aufträge ausschreibt. 4. Für jeweils welche Bereiche und Aufgabenfelder konkret sind die fünf Auftragnehmer beratend tätig? (bitte Zuordnung der jeweiligen Dienstleister zu den unterschiedlichen Beratungsbereichen vornehmen) Siehe Antwort zu Frage 2 Im Übrigen erteilt die EAA zur Wahrung ihrer geschäftspolitischen Interessen und mit Rücksicht auf bestehende vertrauliche Dienstleistungsverträge keine Informationen zu konkreten internen operationellen oder strategischen Maßnahmen, die über die Angaben in den öffentlich zugänglichen Publikationen hinausgehen. 5. Welche voraussichtlichen ökonomischen, rechtlichen und faktischen Auswirkungen haben die angedachten grundlegenden Veränderungen bei der EAA einerseits für die Portigon AG und andererseits für deren Servicegesellschaft PFS jeweils kurz-, mittel- und langfristig? Derzeit erfolgen Gespräche zwischen EAA und PAG über eine Optimierung der Zusammenarbeit . Das schließt eine mögliche gesellschaftsrechtliche Anbindung der PFS an die EAA ein. Ziel ist es, eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist. Ähnliches erklärt der Finanzminister auch zu den umfangreichen Auftragsvergaben der EAA an Unternehmens- und Managementberatungen in derselben erwähnten Stellungnahme: „Die Portigon AG und die EAA tätigen keine Angaben zur Mandatierung externer Berater gegenüber Dritten, da es sich hierbei um interne und vertrauliche geschäftliche Angelegenheiten handelt.“ Diese Auskunft gegenüber dem Parlament ist offenbar unrichtig. Für jedermann öffentlich problemlos nachlesbar hat die EAA im letzten Jahr beispielsweise einen großvolumigen Auftrag zur Strategie- und Implementierungsberatung extern vergeben. Beträchtliche 1.500 bis 2.000 Personentage haben die Entscheidungsgremien der EAA an ein Konsortium von gleich fünf Dienstleistern vergeben. Die marktüblichen Konditionen für die verlangte Anforderung einer Partner bzw. Senior Manager Strategieberatung liegen bei renommierten Anbietern, derer sich auch die EAA bedient, bei mindestens weit über 1.000 Euro für jeden Manntag, so dass hier ein Auftragsvolumen in der Größenordnung von wohl mehreren Millionen Euro bei der Rahmenvereinbarung mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern nun vergütet werden soll. Diese Rahmenvereinbarung bezieht sich auf einen beabsichtigten Leistungszeitraum von immerhin 36 Monaten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9778 4 Im EU-Vergabeportal sind weitere Einzelheiten zu dieser Beauftragung problemlos öffentlich nachzulesen. Begünstigte der fünf Auftragsvergaben sind demnach Consileon Frankfurt GmbH, Goetzpartners Management Consultants GmbH, McKinsey & Company Inc., Oliver Wyman GmbH, The Capital Market Company GmbH. Laut Kurzbeschreibung der EU-weiten Vergabe sind unter anderem folgende Leistungen angesprochen: - Strategische Weiterentwicklung der EAA – auch unter Berücksichtigung regulatorischer Anforderungen, wie Reorganisation, Marktauftritt und Expansionsmöglichkeiten sowie spezifischer Fachthemen - Unterstützung bei konkreten fachlichen Fragestellungen bzw. Projekten zu Themen wie (Bank-)steuerung /-strategie; Überprüfung des aktuellen Organisationsmodells inklusive Herleitung und Implementierung einer modifizierten Organisationsstruktur. Dies beinhaltet ggf. auch die Anpassung des IT- und Prozessmodells (Geschäfts- und Betriebsmodell ) - Weiterentwicklung des Portfolio- und Risikomanagements sowie Implementierung der relevanten Maßnahmen - Optimierung der Dienstleistungssteuerung der EAA, von Tochterunternehmen und Dritten Parteien (Dienstleistungsverträge, Leistungsbeschreibungen, Leistungsscheine und Service-Level-Agreements) Bestandteil dieses Auftrags sind außerdem einzelfallbezogene Unterstützungsleistungen bei der Strategieimplementierung entlang der zuvor definierten Beratungsfelder. Da die Auftragsvergabe bestimmt nicht sinnlos ohne konkreten Anwendungsbezug erfolgt ist, ist eine genaue Betrachtung der Oberbegriffe hoch interessant, um Hinweise zu den wohl von der EAA beabsichtigten Weiterentwicklungsperspektiven zu bekommen, die bislang vom Finanzminister gegenüber dem Parlament trotz zahlreicher Erörterungsgelegenheiten und Nachfragen zu strategischen Veränderungen bei der Portigon AG und der EAA lange Zeit leider keine Erwähnung gefunden haben. Über Expansionspläne der EAA, eine erwogene modifizierte Organisationsstruktur und Anpassung des Geschäfts- und Betriebsmodells ist der Landtag über einen langen Zeitraum nicht unterrichtet worden. Nachdem durch die dankenswerterweise erfolgte transparente Veröffentlichung seitens der EU der Bedarf an Geheimniskrämerei nicht länger besteht, sollte die Landesregierung nun gegenüber dem Parlament endlich transparent darlegen, welche neuen Zukunftsszenarien derzeit und absehbar für die EAA verfolgt werden. Die Entscheidungen der EAA als aktuell einzigem relevanten Kunden der Portigon AG bzw. PFS sind zugleich schon sachlogisch von immenser Bedeutung für die weiteren Perspektiven und Prozesse der sich vollständig im Landeseigentum befindlichen Gesellschaft Portigon AG.