LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9823 23.09.2015 Datum des Originals: 22.09.2015/Ausgegeben: 28.09.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3767 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/9473 Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarung in der Flüchtlingspolitik in NRW Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3767 mit Schreiben vom 22. September 2015 namens der Landesregierung beantwortet: Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Antwort der Landesregierung Drs. 16/9424 haben Bund und Länder auf dem sogenannten Flüchtlingsgipfel am 18. Juni 2015 vereinbart, in einem befristeten Zeitraum eine weitere Beschleunigung der Asylverfahren sowie eine weitere Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer in Deutschland von Asylbewerbern aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote. Dazu erklärte die Landesregierung im Hinblick auf die Umsetzung in Nordrhein-Westfalen: „Ein optimaler Einsatz der begrenzten Ressourcen und eine maximale Verfahrenseffizienz sollen durch Clustern von Verfahren unter Federführung des Bundes und enge Zusammenarbeit der beteiligten Akteure erreicht werden. Zeitpunkt und Umfang der konkreten Umsetzung in den einzelnen Bundesländern werden bilateral zwischen Bund und Ländern festgelegt, unter Berücksichtigung der länderspezifischen Voraussetzungen, insbesondere in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Aufnahmekapazitäten in den Landeseinrichtungen. Erst nach Abschluss der Gespräche lässt sich eine Aussage über den Mehrbedarf vornehmen.“ Viele Bundesländer bereiten sich bereits auf die Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarung vor, Asylbewerber aus Ländern mit wenig oder keinerlei Chancen auf ein Bleiberecht - also vor allem vom Westbalkan - so lange in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder zu belassen, bis über ihren Antrag entschieden wurde. Im Fall einer Ablehnung sollen sie von dort schneller in ihre Heimat zurückgebracht werden. Beispielsweise plant Hessen Einrichtungen in Gießen, Rotenburg an der Fulda, Büdingen und Neustadt vor allem für Asylbewerber vom Balkan nutzen. In Baden-Württemberg LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9823 2 geschieht dies in Karlsruhe. Bayern habe die Möglichkeit genutzt, eine Kaserne in Manching bei Ingolstadt als „Aufnahme- und Rückführungszentrum“ aufzubauen. Währenddessen erklärte das Land Baden-Württemberg bereits, die Zahl der Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge drastisch erhöhen zu wollen. Es sei geplant, die Zahl der Plätze in den Landesaufnahmeeinrichtungen von derzeit rund 9.000 auf rund 20.000 im nächsten Jahr hochzufahren. Zudem wolle die Landesregierung darauf hinarbeiten, dass bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien möglichst gar nicht erst in Landeserstaufnahmen (Lea) kommen, sondern umgehend in die Kommunen verteilt werden. Auf die Weise könnten die Einrichtungen entlastet werden, hieß es. Auch der Deutsche Landkreistag fordert die Länder dazu auf, dringend weitere Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen. Die Trennung zwischen Asylbewerbern mit und ohne Bleibeperspektive muss vollzogen werden. Bei denjenigen Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive müsse das Verfahren in maximal drei Monaten noch in den Erstaufnahmeeinrichtungen vollständig abgeschlossen werden. Eine Verteilung auf die Kommunen dürfe nicht stattfinden. 1. „Plant die Landesregierung ebenso wie die Landesregierungen in Hessen und Baden-Württemberg Einrichtungen insbesondere für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive ?“ Die Landesregierung plant keine besonderen Unterbringungseinrichtungen ausschließlich für Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus Herkunftsländern mit besonders niedriger Schutzquote. Zur Umsetzung des Aktionsplans ist vorgesehen, zunächst albanische Asylsuchende, also Menschen aus einem Land mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden (im Juli 2015 Platz 2 der Herkunftsländer hinter Syrien mit rd. 7.500 Asylerstanträge lt. BAMF-Statistik) bei zugleich besonders niedriger Schutzquote (derzeit 0,3 % gegenüber bspw. Syrien mit rd. 87 % lt. BAMF-Statistik), in vier Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE), also Regelunterkünften, des Landes unterzubringen. Wegen der hohen Prozentzahl der als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträge ist es dabei unerheblich, ob diese Länder gesetzlich als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft sind. Angedacht ist hier eine Zahl von 1.200 Flüchtlingen aus dem Herkunftsland Albanien. Geplant sind zwei Standorte im Rheinland und zwei Standorte in Westfalen. In diesen ZUE werden daneben aber weiterhin auch Menschen aus anderen Herkunftsländern untergebracht. Sollten abgelehnte albanische Asylsuchende nach einer zu etablierenden Rückkehrberatung nicht freiwillig, ggf. im Rahmen der REAG/GARP-Rückkehrförderung, ausreisen, würde eine Rückführung aus diesen ZUE heraus durch die Zentrale Ausländerbehörde veranlasst werden. Priorität hat aber eine freiwillige Rückkehr der möglicherweise falschen Versprechungen etwa bezüglich der Möglichkeiten einer Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik erlegenen Menschen nach Albanien. 2. „Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um auch in Nordrhein-Westfalen die Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarung sicherzustellen?“ Zur Umsetzung des Aktionsplanes in Nordrhein-Westfalen hat zwischen dem bisherigen Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Staatsekretär meines Hauses am 6. August 2015 ein Gespräch mit dem Ziel einer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9823 3 Verwaltungsvereinbarung stattgefunden, welches auf Arbeitsebene fortgeführt wird. Die Einzelheiten einer solchen Vereinbarung zur künftigen Ausgestaltung der Umsetzung des Aktionsplanes befinden sich zurzeit noch in der Abstimmung. 3. „Welchen konkreten Umsetzungszeitplan mit den konkreten Schritten sieht die Landesregierung für die Umsetzung des Beschlusses zur Differenzierung der Verfahren für Asylbewerber mit und ohne Bleibeperspektive vor?“ Mit der Umsetzung des v. g. Aktionsplans wird im September 2015 begonnen. 4.: „Welche Kapazitätsnotwendigkeiten für die Umsetzung des Bund-LänderBeschlusses sieht die Landesregierung konkret für Nordrhein-Westfalen bei den aktuellen Prognosen?“ Der Anteil von Asylsuchenden aus den Westbalkanstaaten mit besonders niedriger Schutzquote lag nach Auswertung der IT-Anwendung des BAMF zur Erstverteilung der Asylbegehrenden auf die Bundesländer (EASY) im bisherigen Jahresschnitt bis Ende Juli bei 37 %, im Monat Juli 2015 zuletzt bei 28 %, wovon in diesem Monat wiederum allein 21 % der Menschen aus Albanien kamen. Nach EASY-Verteilung waren insgesamt 274.445 Asylerstantragstellerinnen und Antragsteller im Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.07.2015 im System erfasst, davon sind in diesem Zeitraum 59.210 nach NRW verteilte Personen in den EAE des Landes angekommen (ca. 21,57 Prozent der 274.445 nach EASY-Verteilung). Die aktuellste Prognose des BAMF vom 20.08.2015 geht von einem erwarteten Zugang von bis zu 800.000 in EASY registrierten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in der Bundesrepublik für 2015 aus. Eine Unterscheidung zwischen Erst- und Folgeantragstellern nimmt das BAMF dabei nicht mehr vor. Damit ist davon auszugehen, dass im Jahr 2015 in NRW mit rund 150.000 Erstund 20.000 Folgeantragstellern zu rechnen ist. Unterstellt man hypothetisch einen weiteren Anteil von Zugängen aus den betroffenen Westbalkanstaaten von durchschnittlich 30 %, resultierten hieraus für NRW bei 150000 Erstantragsstellern abzüglich der bereits zum 31.7.2015 erfolgten 59000 Zugängen, bezogen auf die verbliebenden 5 Monate des Jahres monatlich 18.000 Erstantragsteller, davon 5.400 Erstantragsteller aus diesen Westbalkanstaaten. Auf der Basis dieser Hypothese müssten für 5400 Personen 3 Monate lang Plätze in den Einrichtungen des Landes vorgehalten werden, also 16.200 zusätzliche Unterbringungsplätze. Zwischen dem Bund und den Ländern wurde daher vereinbart, dass im Rahmen eines Aktionsplans ein optimaler Einsatz der begrenzten Ressourcen, also auch von Unterbringungsressourcen, erreicht werden soll. Dementsprechend wird auch in Nordrhein-Westfalen eine den aktuellen Anforderungen und Unterbringungsressourcen entsprechende Ausgestaltung des Aktionsplans erfolgen, die auch ein zur Zielerreichung angemessenes Fixum an Unterbringungskapazitäten vorsehen wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9823 4 5. „Welche aktuellen Kapazitäten bieten die Landesaufnahmeeinrichtungen (bitte getrennt nach Regel- und Notunterkünften) in welchen Gemeinden? Zur Beantwortung wird auf den Schriftlichen Bericht des Ministers für Inneres und Kommunales zur Sitzung des Innenausschusses am 27. August 2015 „Planungsstand bezüglich neuer Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber und aktuelle Situation in den Einrichtungen“ verwiesen.