LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/983 26.09.2012 Datum des Originals: 26.09.2012/Ausgegeben: 01.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 352 vom 21. August 2012 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/707 Unkontrollierte Ausbreitung von Clearfield Raps Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 352 mit Schreiben vom 26. September 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ab Herbst 2012 soll in Deutschland das sogenannte Clearfield-Produktionssystem (CL) zum Einsatz kommen. Es handelt sich um eine Herbizidresistenz-Technologie, wie sie zuvor nur im Zusammenhang mit gentechnisch verändertem Saatgut angewandt wurde. Hierzu wird der Raps durch das CL-System mit einer spezifischen Resistenz gegen das Herbizid Clearfield®-Vantiga® ausgestattet. Rapssaat ist im Boden über 10 Jahre keimfähig, die Probleme müssen vor der Aussaat im Herbst gelöst werden. Die verhältnismäßig feinen Samen verbreiten sich durch Ausfallsaatgut , durch den Fahrtwind der Erntewagen und insbesondere durch Erntemaschinen, die in der Praxis nicht vollständig nach jedem Einsatz in CL-Feldern gereinigt werden können. Eine unkontrollierte Ausbreitung kann daher nicht wirkungsvoll unterbunden werden. Zudem bestäubt Raps als Kreuzblütler auch andere Arten aus dieser Familie. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/983 2 1. Wie bewertet die Landesregierung Saatgut, das durch das sogenannte ClearfieldProduktionssystem (CL) hergestellt wurde, gegenüber gentechnisch verändertem Saatgut? Herbizidresistenz von Pflanzensorten kann sowohl durch konventionelle Zuchtverfahren als auch durch gentechnische Verfahren übertragen werden. Sorten von Saatgut mit der sog. Clearfield Herbizidresistenz werden mittels konventioneller Züchtungsverfahren erzeugt und existieren international sowohl für Raps als auch Sojabohnen, Sonnenblumen, Zuckerrüben und Mais. Relevant ist in diesem Fall weniger das Zuchtverfahren, sondern das dabei erzielte Ergebnis. Während diese Bewertung bei gentechnisch veränderten Pflanzen in einem aufwändigen Prüfverfahren erfolgt, sieht das Saatgut- und Sortenrecht bzw. das Pflanzenschutzrecht dies für konventionelle Züchtungen nicht vor. Im Fall von Clearfield-Raps ist wiederum nicht allein die spezielle Herbizidresistenz kritisch zu bewerten, sondern vorrangig deren Kombination mit der Pflanze Raps. Da es sich bei Raps um einen partiellen Fremdbefruchter handelt, kann es zum Austausch von Eigenschaften zwischen blühenden Rapspflanzen (auch auf benachbarten Feldern) sowie mit anderen, verwandten Kreuzblütlern (Rübsen, Hederich, Ackersenf) kommen. Hinzu kommt, dass durch die lange Keimfähigkeit von Rapssamen im Boden sowie durch ihre nur schwer vermeidbare Verschleppung durch Ernte- und Transportfahrzeuge eine Verbreitung der Herbizidresistenz auf weitere Flächen zu erwarten ist. Clearfield-Raps ist auch gegenüber anderen Herbiziden als dem in Kombination mit dem CLSaatgut vermarkteten Herbizid „Clearfield-Vantiga“ resistent bzw. teilresistent. Die Möglichkeiten der Ausfallrapsbekämpfung in anderen Kulturen sind dadurch erheblich eingeschränkt und können bei der Bewirtschaftung betroffener Ackerflächen zu gravierenden Problemen führen. Dies betrifft auch Flächen, auf die Clearfield-Raps ausgekreuzt oder verschleppt wurde. Im Unterschied zu gentechnisch veränderten Pflanzen gibt es in solchen Fällen derzeit keine ordnungsrechtlichen Vorgaben, die eine Koexistenz zwischen Nutzern bzw. NichtNutzern des Clearfield-Systems regeln. Aus den vorgenannten Gründen steht die Landesregierung bei der derzeitigen Rechtslage Rapssorten mit Herbizidresistenz kritisch gegenüber. Sie vertritt die Auffassung, dass auf Bundesebene unverzüglich geprüft werden sollte, ob und ggfs. welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Nicht-Nutzern des Clearfield-Systems bzw. vergleichbarer Systeme künftig einen verbesserten Schutz vor ungewolltem Eintrag problematischer genetischer Eigenschaften auf Ihre Ackerflächen zu gewährleisten. Zu prüfen wäre z.B., ob künftig im Fall konventionell eingekreuzter Herbizid-Resistenz im Rahmen des Zulassungsverfahrens für die jeweilige Sorte und/oder das dazu gehörige Pflanzenschutzmittel eine unabhängige Nutzen -Risiko-Abwägung mit der Möglichkeit der Versagung einer Zulassung verpflichtend vorgesehen werden sollte. Die Landesregierung hat dieses Anliegen in einem ersten Schritt in der Agrarministerkonferenz zur Diskussion gestellt und den Bund gebeten, gemeinsam mit den Ländern aktiv zu werden. 2. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass durch Clearfield Raps eine Aus- kreuzung und Verschleppung der Herbizidresistenzeigenschaften, verhindert wird? Die Landesregierung hat keine Möglichkeiten, dies sicher zu stellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/983 3 3. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass ein Landwirt seine Felder vor Clearfield Raps – und damit vor einer Abhängigkeit von einem bestimmten Herbizid – schützen kann? Eine Auskreuzung oder Verschleppung von Clearfield Raps auf andere Flächen bedeutet keine Abhängigkeit von einem bestimmten Herbizid, sie erschwert vielmehr ausschließlich die Beseitigung dieses Rapses in anderen Kulturen mittels Herbiziden. Im Rahmen des Ordnungsrechts existieren keine Regelungen, die einen staatlichen Flächenschutz vor Auskreuzung oder Verschleppung von Clearfield Raps gewähren würden. Allerdings haben Flächenbewirtschafter zivilrechtliche Möglichkeiten, sich gegen die Folgen der Auskreuzung oder Verschleppung zur Wehr zu setzen. 4. Welche Auflagen und Kontrollen sind für Landwirte und Lohnunterneh- mer/Erntemaschinen geplant, um eine unkontrollierte Ausbreitung von Clearfield -Saatgut durch diese zu verhindern? Für derartige Auflagen und Kontrollen gibt es keine Rechtsgrundlage. 5. Wie will die Landesregierung die Umsetzung eines von Gutachtern empfohlenen, integrierten Resistenzmanagements über die gesamte Fruchtfolge auf CLAnbauflächen , gewährleisten? Die Landesregierung hat keine Möglichkeit, ein entsprechendes Resistenzmanagement zu gewährleisten. Dies ist allein Aufgabe desjenigen, der sich für die Verwendung von Clearfield Saatgut auf seinen Flächen entscheidet.