LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9870 28.09.2015 Datum des Originals: 28.09.2015/Ausgegeben: 01.10.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3830 vom 31. August 2015 der Abgeordneten Dirk Wedel und Ralf Witzel FDP Drucksache 16/9647 Inwieweit weicht der Finanzminister von der schematischen Regionalisierung der Steuerschätzungen ab? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3830 mit Schreiben vom 28. September 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Dem Arbeitskreis Steuerschätzungen beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) gehören neben dem federführenden BMF das Bundesministerium der Wirtschaft und Energie, fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, das Statistische Bundesamt, die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Länderfinanzministerien und die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände an. Die Zusammensetzung sichert die Unabhängigkeit des Gremiums. Die entsandten Vertreter der Institutionen gehören der Arbeitsebene an. Der Vorsitz obliegt dem zuständigen Referatsleiter im BMF. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen hat einen Unterausschuss Regionalisierung, dem das BMF und die Ländervertreter im Arbeitskreis angehören. Unter Regionalisierung wird die Aufteilung des vom Arbeitskreis geschätzten Steueraufkommens auf die einzelnen Länder verstanden. Der Unterausschuss behandelt Probleme und trifft Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Regionalisierung der Arbeitskreisergebnisse für die Steuereinnahmen der Länder. In der 76. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses hat der Finanzminister ausgeführt , es sei üblich, dass Baden-Württemberg die so genannte schematische Regionalisierung nach einem gewissen Kriterienkatalog vornehme. Die Länder hätten sich darauf verständigt , dass das eine interne Arbeitsunterlage sei (APr 16/936 Neudruck, Seite 73). Grund LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9870 2 dessen sei, dass die Länder es auch verantworten müssten, „wenn sie etwas drauflegen oder runternehmen“ (APr 16/936 Neudruck, Seite 75). Über die Steueransätze für den Landeshaushalt 2016 und die Folgejahre werde von der Landesregierung im Rahmen des Entwurfs des Haushaltes 2016 und der Mittelfristigen Finanzplanung entschieden (Vorlage 16/3017, Seite 4). Mit der Feststellung des Haushaltsplans schafft der Gesetzgeber die Rechtsgrundlage für finanzwirksames Staatshandeln und übt zugleich parlamentarische Regierungskontrolle aus. Damit er diese Funktionen sachgerecht erfüllen kann, dürfen ihm grundsätzlich diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, die ihm eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplanentwurfs ermöglichen. Durch die Anerkennung einer umfassenden Informationspflicht der Regierung sollen der Landtag – mithin auch die Fraktionen und einzelne Abgeordnete – in die Lage versetzt werden, den Entwurf des Haushaltsplans und die hierzu geschäftsordnungsmäßig eingebrachten Änderungsanträge sachgerecht zu bewerten und eigene Vorstellungen über die Verwendungsmöglichkeiten der Haushaltsmittel zu entwickeln (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23.04.2008, Vf. 87-I-06, Rdnr. 145 bei juris). Die in den Entwurf des Haushaltsplans eingestellten Budgetansätze sowie die hierzu vorgelegten Begründungen müssen dem Landtag die Beurteilung ermöglichen, ob alle staatlichen Finanzmittel auf der Einnahmen- und Ausgabenseite richtig und vollständig erfasst wurden (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23.04.2008, Vf. 87-I-06, Rdnr. 147 bei juris). Die in der 76. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses geäußerte Auffassung des Finanzministers: „Ich lege vor, was wir an Steuerschätzung haben, und am Ende können Sie mich danach bewerten, ob diese Steuerschätzung eingetroffen ist oder nicht.“ (APr 16/936 Neudruck, Seite 75) verkennt die Letztverantwortung des Haushaltsgesetzgebers und die Reichweite des parlamentarischen Budgetinformationsanspruchs. Für den Haushaltsgesetzgeber ist die Höhe etwaiger Abweichungen der Steueransätze des Haushaltsplanentwurfs von der schematischen Regionalisierung sowie die seitens der Landesregierung dafür angeführten Gründe von besonderer Bedeutung für die Nachvollziehbarkeit der Steueransätze und damit des Haushaltsausgleichs i.S.d. Art. 81 Absatz 2 Satz 3 der Landesverfassung sowie die Beurteilung etwaiger haushaltspolitischer Spielräume bzw. weitergehender Konsolidierungserfordernisse. Die Berufung des Finanzministers auf eine Verständigung der Länder, dass es sich bei der schematischen Regionalisierung um eine interne Arbeitsgrundlage handelt, ist ohne Weiteres nicht geeignet, eine Antwortverweigerung der Landesregierung auf entsprechende parlamentarische Anfragen zu begründen, soweit die Zahlen für das Land Nordrhein-Westfalen in Rede stehen. Verschwiegenheitsabreden zwischen Vertretern der Exekutive in einem Koordinierungsgremium sind nicht geeignet die Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen zu begrenzen (Information 16/297, Seite 18). Eine Antwortverweigerung käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Abrede im Einzelfall dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzuordnen wäre. Bei abgeschlossenen Vorgängen kann demgegenüber die auf den konkreten Sachverhalt bezogene Funktionsfähigkeit der Regierung regelmäßig nicht beeinträchtigt werden (Information 16/297, Seite 16), d.h. im vorliegenden Fall jedenfalls seit Vorlage des Entwurfs des Haushaltsgesetzes mit dem Entwurf des Haushaltsplans gemäß § 30 Satz 1 LHO. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9870 3 Vorbemerkung der Landesregierung Die Schematische Regionalisierung wird einheitlich von allen Ländern als eine interne Arbeitsunterlage angesehen und ist nicht allein ausschlaggebend für den jeweiligen Haushaltsansatz der Steuereinnahmen. Die Ergebnisse des Arbeitskreises sind eine Orientierungsgröße für die Landesregierung, die letztendlich den Haushaltsentwurf des Landes zu verantworten hat. Eine Anpassung der Ergebnisse kann aus verschiedenen Gründen erforderlich sein. Zunächst ist zu beachten, dass die Schematische Regionalisierung die einem Land für ein Haushaltsjahr zustehenden Umsatzsteuereinnahmen berechnet. Aufgrund der nachträglichen Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung zwischen den Ländern unterscheiden sich diese Beträge teilweise deutlich von den im entsprechenden Haushaltsjahr kassenmäßig zu buchenden Zahlungsströmen. Auch die Zerlegungs- bzw. Clearingverfahren, mit denen eine nicht sachgerechte, d. h. dem Sinn des Prinzips des örtlichen Aufkommens widersprechende Verteilung von Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, Abgeltungsteuer und Feuerschutzsteuer korrigiert wird, können bei einzelnen Ländern zu erheblichen Einnahmeschwankungen führen . Durch den nachgelagerten Einnahmeausgleich zwischen den Ländern ist es in den vergangenen Jahren vermehrt zu teils erheblichen Verwerfungen bei den kassenmäßigen Zuflüssen gekommen. Verstärkt wurde dieser Effekt durch den zunehmenden Einfluss von Großunternehmen auf das Steueraufkommen. Ein weiterer Grund für eine mögliche Anpassung der Ergebnisse der Regionalisierung sind anstehende Steuerrechtsänderungen, die nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Schätzung bereits geltendes Recht sind. 1. Welche konkreten Beträge weist die nach der letzten Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzungen erfolgte Schematische Regionalisierung für das Land Nordrhein -Westfalen auf? 2. Um welche Beträge ist die Landesregierung bei den Steueransätzen im Entwurf des Haushaltsplans 2016 von den Werten der Schematischen Regionalisierung abgewichen? Das Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2015 und dessen Abweichung zur gegenwärtigen Planung ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: Ergebnisse der Schematischen Regionalisierung für Nordrhein-Westfalen - in Mio. EUR - Jahr 2015 2. Nachtrag 2016 o. Ergänzung 2017 MFP 2018 MFP 2019 MFP Ergebnis 48.560 50.680 52.760 55.060 57.190 Ansätze Haushalt und MFP 48.600 50.520 52.430 54.730 56.860 Differenz + 40 - 160 - 330 - 330 - 330 3. Welche Gründe liegen gegebenenfalls der jeweiligen Abweichung zugrunde? Im Haushalt 2015 wurden bei der Veranschlagung der Steueransätze im Haushaltsplan im Rahmen des 2. Nachtrags die Ergebnisse der Steuerschätzung vom Mai 2015, die erkennbare positive Entwicklung der Steuereinnahmen sowie zu erwartende Einnahmerisiken auf- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9870 4 grund höchstrichterlicher Rechtsprechung, vor allem im Bereich der Umsatzsteuer, berücksichtigt . Aktuell zeichnet sich ab, dass diese Einnahmerisiken nicht in der erwarteten Höhe zum Tragen kommen bzw. sich zeitlich verschieben, sodass der Steueransatz im Rahmen des 3. Nachtrages 2015 voraussichtlich nach oben angepasst werden kann. In den Folgejahren werden im Rahmen der Haushaltsplanung die Schätzansätze der Schematischen Regionalisierung unterschritten. Grund hierfür ist, dass der Arbeitskreis Steuerschätzungen und die daraus abgeleiteten Regionalisierungsergebnisse sich am geltenden Recht orientieren. Die Haushaltsplanung berücksichtigt hingegen Steuermindereinnahmen aus Gesetzentwürfen bzw. zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetzen, insbesondere dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16.07.2015. 4. Inwieweit ist die Landesregierung in den Entwürfen der Haushaltspläne seit dem Nachtragshaushalt 2010 jeweils von der letzten Schematischen Regionalisierung abgewichen? Es hat eine Reihe von Gründen, ausgehend u. a. von der tatsächlichen Entwicklung der Steuereinnahmen, in Kraft getretenen Steuerrechtsänderungen, Zerlegungsergebnissen, vorläufigen Abrechnungen der Umsatzsteuerverteilung, geänderten Projektionen der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Entwicklung und Sonderentwicklungen bei einzelnen Steuerarten , gegeben, die zu von Anpassungen der Steueransätze gegenüber den Ergebnissen der Steuerschätzung geführt haben. In Anbetracht der Vielzahl unterschiedlicher und zum Teil gegenläufiger Einflussfaktoren, die sich auf die einzelnen Steuerarten auswirken, ist es nicht möglich, die kurz- oder mittelfristigen Anpassungen und Veränderungen des Steuereinnahmeansatzes rückblickend für die Jahre bis 2010 im Einzelnen nachvollziehbar darzustellen . Aussagekräftiger dürfte zudem der im Finanzbericht 2016 des Landes (LT-Drs. 16/9301, S. A 25) enthaltene „Vergleich der im Landeshaushaltsplan ausgewiesenen Schätzergebnisse (Haushaltsansätze) mit der tatsächlichen Steuereinnahmeentwicklung der Jahre 1961 - 2014“ sein. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch in den Jahren 2005 - 2010 die Ergebnisse der Regionalisierung von der Vorgängerregierung nicht veröffentlicht wurden. 5. Wie ist das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen im Arbeitskreis Steuerschätzungen sowie im Unterausschuss Regionalisierung vertreten (bitte Ebene und Funktion nennen)? In Abteilung I des Finanzministeriums ist mit dem Referat I 1 ein eigenes für die Steuerschätzung zuständiges Referat eingerichtet. Dessen Leiter vertritt das Finanzministerium im Arbeitskreis sowie im Unterausschuss.