LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/988 27.09.2012 Datum des Originals: 26.09.2012/Ausgegeben: 02.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 365 vom 27. August 2012 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/736 Bezirksregierung rügt die Handhabung des Bewohnerparkens in der Stadt Essen – Welche alternative Optionen unterbreitet die Landesregierung Gewerbetreibenden und Anwohnern betroffener Wohngebiete zum Empfang von Kunden und privaten Gästen? Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage 365 mit Schreiben vom 26. September 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem Jahr 1980 sieht die Straßenverkehrsordnung das Instrument des Anwohnerparkens vor, um für Anlieger die Parkplatznot in dicht bebauten Stadtteilbereichen zumindest etwas zu lindern. Ende 2001 hat der Gesetzgeber die Regelungen überarbeitet, so dass sie jetzt für "Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel" gelten. 1994 ist das Anwohnerparken in der Stadt Essen eingeführt worden. Seitdem gibt die Stadt auch Besucherkarten aus, die als Paket von neun Tages- und einer Wochenkarte von Anwohnern für ihre Besucher zum Preis von 5,00 Euro käuflich erworben werden können. An jeden Anwohner dürfen jährlich maximal fünf dieser Pakete ausgegeben werden. Die rund 3.500 Essener Anwohner mit entsprechenden Parkausweisen haben davon aufgrund der katastrophalen Parksituation in bestimmten Stadtgebieten in der Vergangenheit rege Gebrauch gemacht. Aktuellen Medienberichten, wie unter anderem der Essener WAZ vom 24. August 2012 („Parkverbot für Besucher“), ist nun zu entnehmen, dass diese langjährige Regelung des Besucherparkens wohl doch nicht rechtskonform sei und daher von der Bezirksregierung gerügt werde. Sie solle darüber hinaus zeitnah eingestellt werden. Die Bezirksregierung hat LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/988 2 der Stadt Essen zur Lösung dieser komplexen Problematik eine Frist bis längstens September dieses Jahres gesetzt. Da sich allerdings die schwierige Parksituation in den von dieser Regelung betroffenen Stadtgebieten in Innenstadtnähe – beispielsweise durch bauliche Maßnahmen, unsinnige Straßenumbauten und Verkehrshindernisse – in den letzten Jahren zunehmend eher verschlechtert als verbessert hat, stellt sich die Frage, wie die Stadt Essen zukünftig eine Parkregelung für Besucher organisiert, oder ob Anwohner vom Gesetzgeber mit dieser schwierigen Situation allein gelassen werden. Nachdem fast zwei Jahrzehnte lang Besucherparkausweise ausgegeben worden sind, ohne dass Aufsichtsbehörden ein Problem damit hatten, ist es hier insbesondere vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes dringend geboten, betroffenen Anwohnern eine sachgerechte Lösungsalternative aufzuzeigen. In dem Vertrauen auf den dauerhaften Fortbestand der beschriebenen Regelung sind seitdem natürlich auch viele Neumieter in die betroffenen Quartiere zugezogen. Wenn das Land nun eine zukünftige Untersagung dieses flexiblen Instruments beabsichtigt, müssen von Landesseite alternativ andere praktikable Angebote für eine Problemlösung dargelegt werden. Anwohner sollten zur Pflege ihrer sozialen Kontakte zukünftig weiterhin Besucher empfangen können. Auch kleinere und mittlere Betriebe wie Handwerker oder Hotels ohne eigene Tiefgarage müssen ihren Kunden Parkgelegenheiten bieten können, um allein wirtschaftlich zu überleben. Um angemessene alternative Szenarien zur zukünftigen Handhabung entwickeln zu können, ist es für das Parlament, die Stadt Essen sowie betroffene Anwohner von dringendem Interesse , fundiert und umfassend über die Problematik des Besucherparkens aus Sicht der Landesregierung informiert zu werden. 1. Auf Grundlage welcher genauen einzelnen rechtlichen Vorschriften und Gesetze sowie deren Auslegungsvorschriften hat die Landesregierung nach rund zwanzig Jahren die Handhabung des Besucherparkens in der Stadt Essen nunmehr beanstandet ? Nach § 42 Absatz 4 Nr. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) kann durch ein Zusatzschild zu Zeichen 314 (Parkplatz) die Parkerlaubnis beschränkt sein, insbesondere nach der Dauer, nach Fahrzeugarten, zugunsten der mit besonderem Parkausweis versehenen Bewohner, Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinden. Gemäß § 45 Absatz 1b Nr. 2a StVO treffen die Straßenverkehrsbehörden auch die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraumes für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen. Die Ausgabe von Besucherkarten privilegiert nicht die Bewohner, was ausweislich der Begründung zum damaligen Gesetzentwurf mit dieser Regelung bewirkt werden soll, sondern privilegiert die Besucher der Bewohner. Die Regelung ist rechtswidrig und wegen der Einschränkung des Gemeingebrauchs auch verfassungswidrig. Die massenhafte Ausgabe von Besucherkarten, wie von der Stadt Essen praktiziert (jährlich fünf Pakete mit neun Tagesund einer Wochenkarte; d. h. 45 Tages- und fünf Wochenkarten) konterkariert gerade den Sinn des Bewohnerparkens. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/988 3 2. Ab wann werden Essener Besucherparkausweise beim Bewohnerparken vom Land zukünftig verboten? Die Bezirksregierung Düsseldorf hat die Stadt Essen aufgrund eines Beschlusses des BundLänder -Fachausschusses für die Straßenverkehrs-Ordnung, die Verkehrspolizei und Ordnungswidrigkeiten (BLFA-StVO / OWi) am 9./10. Mai 2012 zum Besucherparken um Bericht gebeten (Näheres hierzu siehe Antwort zu Frage 5). Der Bericht der Stadt Essen liegt noch nicht vor, sodass derzeit noch keine verbindliche Aussage getroffen werden kann, ob und wann die Besucherparkregelung aufgehoben wird. 3. Welche alternative Handhabung für die Parkmöglichkeiten von Besuchern schlägt die Landesregierung der Stadt Essen und den betroffenen privaten wie gewerblichen Anwohnern stattdessen konkret vor? Alternativen sind in § 45 Absatz 1b Nr. 2a StVO (vergleiche Antwort zu Frage 1) und in der Begründung zur 35. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3783; VkBl. 2002, 138) aufgeführt, insbesondere: - zeitlich beschränkte Reservierung, - Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen , - Ausnahmeregelung gemäß § 46 Absatz 1 Nr. 11 StVO, - Vorrechte für Bewohner werktags von 9 bis 18 Uhr nur für max. 50 %, sonst für max. 75 % des Parkraumes. 4. In welchen anderen Städten gibt es vergleichbare Besucherparkausweisregelun- gen, die denen der Stadt Essen entsprechen? Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht in Nordrhein-Westfalen lediglich in der Stadt Bielefeld eine vergleichbare Regelung. 5. Wie gehen diese ebenfalls betroffenen Städte mit der neuen Rechtsauffassung um? Die von der Stadt Essen als zuständige Straßenverkehrsbehörde praktizierte Besucherkartenregelung steht nicht im Einklang mit den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften der StVO und der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO). Zur zweifelsfreien Beurteilung und Klarstellung hat das damalige MWEBWV NRW (jetzt MBWSV NRW) das Thema zur Diskussion in den BLFA-StVO/OWi eingebracht. Nach ausführlicher Diskussion mit den Ländervertretern hat der Bund als Verordnungsgeber der StVO die Auffassung bekräftigt, dass es sich bei der von der Stadt praktizierten Besucherkartenregelung um eine rechts- und verfassungswidrige Privilegierung von Besuchern handelt. Daher hat er die Länder in der Sitzung des BLFA-StVO/OWI am 9./10. Mai 2012 aufgefordert, zum Rechtsrahmen der StVO zurückzukehren.