LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 05.10.2015 Datum des Originals: 05.10.2015/Ausgegeben: 08.10.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3855 vom 2. September 2015 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDU Drucksache 16/9704 Wie bewertet die Landesregierung die öffentliche Justiz-Schelte des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 3855 mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 9. Januar 2015 stufte das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Nutzung von städtischen Ressourcen zu Aufrufen gegen Dügida-Bewegung durch den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf in einer Eilentscheidung als Verstoß gegen dessen Neutralitätspflicht ein. Gleichzeitig untersagte das Gericht dem Oberbürgermeister weitere derartige Mobilisierungsversuche . Nach einer Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), die der Oberbürgermeister daraufhin eingelegt hatte, wurde diese Eilentscheidung am 12. Januar 2015 aufgehoben. Zur Begründung führte das OVG NRW aus, dass der Fall die schwierige Frage nach der Geltung und Reichweite des für Amtswalter geltenden Neutralitätsgebotes in politischen Auseinandersetzungen außerhalb von Wahlkampfzeiten und ohne Beteiligung politischer Parteien aufwerfe. Diese Frage sei in der Rechtsprechung bislang nicht hinreichend geklärt. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit lasse sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiege. Am 28. August 2015 erging nunmehr auch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Im Ergebnis lehnte das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage der Dügida-Organisatoren aus formalen Gründen als unzulässig ab. Während der Urteilsbegründung stellte die Kammer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 2 jedoch erneut klar, dass sie das damalige Verhalten des Düsseldorfer Oberbürgermeisters für rechtswidrig hält. Es sei ihm zwar unbenommen, als Privatmensch oder Parteipolitiker seine Meinung zu Dügida zu äußern. Er dürfe aber nicht das Amt des Oberbürgermeisters nutzen, um zu Protesten gegen eine ordnungsgemäß angemeldete Versammlung aufzurufen . Besonders verärgert zeigten sich die Richter über den Umstand, dass der Oberbürgermeister bereits vor der OVG-Entscheidung vom 12. Januar 2015 erklärt hatte, es sei seine „Kanne Bier“, welches Licht bei städtischen Gebäuden anbleibe, die Gerichte hätten sich da herauszuhalten. Das Rathaus werde während der Dügida-Kundgebung „unabhängig von der Entscheidung des Gerichts in Münster“ dunkel bleiben (siehe dazu FAZ-Online vom 14.01.2015: „Lichter aus! Um jeden Preis?“). In einer offiziellen Pressemitteilung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 28. August 2015 begrüßte der Oberbürgermeister dem Grunde nach die Entscheidung des Verwaltungsgerichts . Die übrigen Äußerungen des Gerichts bezeichnete der Oberbürgermeister gleichwohl als „nicht entscheidungserheblich“. Er betrachte sie lediglich als „Privatmeinungen der urteilenden Richter“, die er nicht teile und daher auch nicht kommentieren wolle. Vorbemerkung der Landesregierung Als Reaktion auf die DÜGIDA-Bewegung, eine an PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) angelehnte Organisation in Düsseldorf, formierte sich zum Jahreswechsel 2014/2015 auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ein breites zivilgesellschaftliches Gegenbündnis für ein respektvolles Miteinander von Menschen unterschiedlicher ethnischer, religiöser oder kultureller Herkunft. Diesem überparteilichen, bürgerschaftlich verfassten Bündnis gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Rassismus hatten sich u. a. der Stadtverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie die katholische und evangelische Kirche angeschlossen. Auf der Basis dieses breiten gesellschaftlichen Konsenses sprach sich der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt für ein „weltoffenes Düsseldorf, für Toleranz und eine pluralistische Stadtgesellschaft“ aus. Diese Haltung der Zivilgesellschaft in Düsseldorf kommt gegenwärtig wieder in der von großer Hilfsbereitschaft gekennzeichneten Willkommenskultur für Flüchtlinge deutlich zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund erfolgten im Januar 2015 die Aufrufe des Oberbürgermeisters zur Teilnahme an den Gegendemonstrationen und die Aktion „Licht aus!“, die eine Abschaltung der nicht sicherheitsrelevanten Beleuchtung öffentlicher Gebäude zum Inhalt hatte. Zielsetzung des Oberbürgermeisters war es – ausweislich der Presseerklärung der Landeshautstadt Düsseldorf vom 12. Januar 2015 – dabei, die Bürgerinnen und Bürger zur Verteidigung der Grundwerte aufzurufen, auf denen die Verfassung beruht und die für ein friedliches Zusammenleben in der Düsseldorfer Stadtgesellschaft unverzichtbar sind. Bereits zuvor wurde anderenorts während PEGIDA-Veranstaltungen etwa die Beleuchtung der Semperoper in Dresden, die Außenbeleuchtung des Kölner Doms und in Berlin die Anstrahlung des Brandenburger Tors jeweils als „Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit“ ausgeschaltet. Auf Antrag der Veranstalterin der DÜGIDA-Kundgebungen gab das Verwaltungsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 9. Januar 2015 (Az.: 1 L 54/15) dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt mit Blick auf eine für den 12. Januar 2015 geplante Versammlung im Wege einer einstweiligen Anordnung auf, die Erklärung „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ von der Internetseite der Stadt zu entfernen und keine Weisung vorzunehmen oder aufrecht zu erhalten, die auf das Ausschalten der Beleuchtung öffentlicher Gebäude in Abweichung von der üblichen Beleuchtung gerichtet ist. In der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 9. Januar 2015 wird hierzu Folgendes ausgeführt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 3 „Der Düsseldorfer Oberbürgermeister darf nicht aus dem Amt heraus zu Gegenmaßnahmen gegen die für Montag, den 12. Januar 2015, geplante Versammlung der ´Dügida´ (= Pegida Düsseldorf) am Rheinufer aufrufen. Das hat die Präsidentenkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf heute entschieden. Die Kammer hat dem Oberbürgermeister auf den am heutigen Freitag gestellten Eilantrag der ´Dügida´ hin per einstweiliger Anordnung aufgegeben, auf den städtischen Internetseiten den Aufruf ´Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz ´ zu entfernen. Durch den Aufruf werden örtliche Unternehmen und Geschäftsleute aufgefordert, am Montagabend demonstrativ die Beleuchtung ihrer Gebäude auszuschalten. Ebenso müsse der Aufruf zur Teilnahme an einer Gegendemonstration entfernt werden, und es sei die für Montagabend beabsichtigte Außerbetriebsetzung städtischer Beleuchtungseinrichtungen unzulässig. Als Amtsträger sei der Oberbürgermeister zur Neutralität verpflichtet. Gerade bei einem die originären Aufgaben der Stadt Düsseldorf nicht spezifisch berührenden Diskurs um den Umgang mit gesamtgesellschaftlichen und damit das ganze Land betreffenden Fragen dürfe er nicht unter Einsatz seiner ihm aus seinem Amt zukommenden Möglichkeiten und unter Inanspruchnahme städtischer Ressourcen in der politischen Diskussion gezielt Stellung beziehen. Unberührt hiervon bleibe das Recht des Oberbürgermeisters, als Politiker oder Privatperson Stellung zu beziehen und sich gegen die geplante Versammlung zu engagieren . Gegen die Entscheidung können die Beteiligten beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschwerde einlegen.“ Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legte der Oberbürgermeister Beschwerde ein. In der Pressemitteilung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 12. Januar 2015 heißt es insoweit: „Oberbürgermeister Thomas Geisel tritt für weltoffenes Düsseldorf, für Toleranz und eine pluralistische Stadtgesellschaft ein – damit keine Verletzung der Neutralitätspflicht . Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat heute (12. Januar) Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gegen den Beschluss des Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG) vom 9. Januar 2015 eingereicht, mit dem Oberbürgermeister Thomas Geisel der Aufruf zur heutigen Demonstration und zur Aktion ´Licht aus!´ untersagt wurde. Die Stadt legt in ihrer Begründung dar, dass der Oberbürgermeister seine Neutralitätspflicht nicht verletzt habe. Er habe die Düsseldorferinnen und Düsseldorfer dazu aufgerufen, für ein weltoffenes Düsseldorf, für Toleranz und eine pluralistische Stadtgesellschaft zu demonstrieren und hierzu auch ein weithin sichtbares optisches Zeichen zu setzen. Anders als vom VG Düsseldorf angenommen greift er damit weder in den politischen Meinungskampf ein noch nutzt er städtische Ressourcen zugunsten einer bestimmten Partei oder Gruppierung. Er ruft damit vielmehr dazu auf, Grundwerte zu verteidigen, auf denen unsere Verfassung beruht und die auch für das friedliche Zusammenleben in der Düsseldorfer Stadtgesellschaft unverzichtbar sind. Der breite gesellschaftliche Konsens hinter dem Demonstrationsaufruf mache das auch deutlich. Auch auf Seiten der Stadtspitzen stößt dies auf Unterstützung, wie die Erklärung der Bürgermeisterin und der Bürgermeister zeige. Auch die letzte Woche angekündigte Abschaltung der nicht sicherheitsrelevanten Beleuchtung öffentlicher Gebäude sei eine von der weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung getragene Meinungskundgebung für diese Werte. Die Stadt weist ferner die Auffassung des VG zurück, wonach die im Hintergrund der aktuellen Diskussion um die so genannte Pegida-Bewegung stehenden Themen der Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie des Ausländerrechts keinen kommunalen Bezug haben. Angesichts von bis zu 5.000 Flüchtlingen, die Düsseldorf in diesem Jahr erwartet und deren Unterbringung, Versorgung und Integration die Stadt zu bewältigen habe, sei dies eine lebensfremde Annahme.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 4 Die Beschwerde des Oberbürgermeisters hatte Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 12. Januar 2015 (Az.: 15 B 45/15) die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und den Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt . Die Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts vom 12. Januar 2015 lautet wie folgt: „Ein Eilantrag, dem Düsseldorfer Oberbürgermeister zu untersagen, auf den städtischen Internetseiten zur Teilnahme an einer Gegendemonstration gegen die Versammlung der ´DÜGIDA´ (´Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes´) am heutigen Abend und zu einem Beleuchtungsboykott aufzurufen, hatte beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte dem Oberbürgermeister durch einstweilige Anordnung aufgegeben, die Erklärung ´Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz´ von der Internetseite www.duesseldorf.de zu entfernen und keine Weisung vorzunehmen oder aufrecht zu erhalten, die auf das Ausschalten der Beleuchtung öffentlicher Gebäude in der Stadt Düsseldorf am 12. Januar 2015 in Abweichung von der üblichen Beleuchtung gerichtet ist. Der Oberbürgermeister habe zu Lasten der Antragstellerin, die die DÜGIDA-Demonstration angemeldet hatte, gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Die Beschwerde des Oberbürgermeisters der Stadt Düsseldorf hatte Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 12. Januar 2015 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und den Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat der 15. Senat ausgeführt: Der Senat könne in der Kürze der ihm für die Beschwerdeentscheidung zur Verfügung stehenden Zeit nicht feststellen, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiege. Der Fall werfe die schwierige Frage nach der Geltung und Reichweite des für Amtswalter geltenden Neutralitätsgebots in politischen Auseinandersetzungen außerhalb von Wahlkampfzeiten und ohne Beteiligung politischer Parteien auf. Zulässigkeit und Grenzen von staatlichen Aufrufen an die Bevölkerung zu Kundgebungen oder ähnlichen politischen Aktionen seien jedoch bislang in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt. Bei dieser Sachlage sehe der Senat keine Veranlassung zum Erlass der begehrten einstweiligen Regelung. Zwar werde die Antragstellerin durch den Aufruf des Oberbürgermeisters in ihren Grundrechten berührt . Sie könne ihre Versammlung aber wie geplant durchführen. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.“ In einer weiteren Pressemitteilung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 15. Januar 2015 wird ausgeführt: „Zur Berichterstattung in den Medien im Zusammenhang mit den Gerichtsentscheidungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und des Oberverwaltungsgerichts Münster nimmt der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf, Thomas Geisel, wie folgt Stellung: Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf habe ich Beschwerde eingelegt, weil ich der Auffassung war, dass diese Entscheidung rechtlich keinen Bestand haben würde. Dieser Auffassung ist das Oberverwaltungsgericht Münster im Ergebnis gefolgt. Begründet habe ich meine Auffassung - auch in mehreren Interviews - damit, dass das Neutralitätsgebot einen Vertreter der öffentlichen Gewalt jedenfalls nicht daran hindern kann, eine Auffassung öffentlich zu äußern, die lediglich grundlegende Werte und Prinzipien unserer grundgesetzlichen Ordnung proklamiert. Dies ist nach meiner Überzeugung beim Aufruf für die Demonstration ´Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass´, die anlässlich der sogenannten ´Dügida- Demonstration´ angemeldet wurde, der Fall. Damit steht auch im Einklang, selbst ein Signal zu setzen und die Bürgerinnen und Bürger Düsseldorfs aufzurufen, dasselbe zu tun, nämlich während dieser Demonstration demonstrativ auf Beleuchtung zu verzichten, um zu zeigen, wofür diese Stadt- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 5 gesellschaft steht. Ich habe mich, auf alle Bürger bezogen, stets hinter das Recht auf Demonstrationsfreiheit gestellt. Ich habe mich allerdings zu keinem Zeitpunkt dahingehend geäußert, dass ich den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, solange er nicht aufgehoben wird, ignorieren würde. Im Übrigen habe ich nicht erklärt, dass ich geltendes Recht nicht befolgen würde, und aus diesem Grunde unverzüglich Rechtsmittel eingelegt. Die Entscheidung darüber ist zuverlässig für Montag Nachmittag angekündigt worden. Ich habe nie erklärt, dass mir der Beschluss des Verwaltungsgerichts gleichgültig sei. Im Gegenteil, ich habe noch am Tage vor der Demonstration auf Medienanfragen erklärt, dass ich den Beschluss ernst nehme, und dementsprechend gehandelt. So wurde die städtische Internetseite aktualisiert. Letztendlich wurde das Licht im Rathaus am Montag im Einklang mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ausgeschaltet.“ Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht die Klage der Anmelderin der DÜGIDADemonstration auf Feststellung, dass die Maßnahmen des Oberbürgermeisters rechtswidrig waren, mit Urteil vom 28. August 2015 (Az.: 1 K 1369/15) abgewiesen, da kein Feststellungsinteresse , insbesondere keine Wiederholungsgefahr, bestehe. Denn im Juni 2015 habe die Klägerin die ursprünglich bis Ende des Jahres einmal wöchentlich angemeldeten Versammlungen abgesagt. Auch sei bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keine erneute Anmeldung mehr erfolgt. In seiner Presseerklärung vom 28. August 2015 erklärt das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu dem Urteil: „Der Düsseldorfer Oberbürgermeister durfte nicht aus dem Amt heraus zu Gegenmaßnahmen gegen die am Montag, 12. Januar 2015, durchgeführte Versammlung ´Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes – DÜGIDA´ aufrufen und das Ausschalten der Beleuchtung städtischer Gebäude an diesem Tag anordnen. Darauf hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf heute in öffentlicher Sitzung hingewiesen. Gleichwohl hat die Kammer die Klage der Anmelderin der ´DÜGIDA´-Demonstration auf Feststellung, dass die Maßnahmen des Oberbürgermeisters rechtswidrig waren, mit heute verkündetem Urteil abgewiesen, da kein Feststellungsinteresse, insbesondere keine Wiederholungsgefahr, bestehe. Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf hatte im Vorfeld der ´DÜGIDA´- Demonstration am 12. Januar 2015 mit dem auf der Internetseite der Stadt veröffentlichten Aufruf ´Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz´ örtliche Unternehmen und Geschäftsleute aufgefordert, am Abend der Demonstration symbolisch die Beleuchtung ihrer Gebäude auszuschalten, und die Einwohner gebeten, sich einer Gegendemonstration anzuschließen. Während der Demonstration wurde die Beleuchtung mehrerer städtischer Gebäude ausgeschaltet. Zur Begründung des Urteils hat die Kammer ausgeführt, die Klägerin habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Insbesondere bestehe, spätestens seit die Klägerin alle bis Ende 2015 angemeldeten Demonstrationen abgesagt habe, keine Wiederholungsgefahr. Daher sei nicht in der Sache über die Maßnahmen des Oberbürgermeisters zu entscheiden. Die Kammer machte mit Blick auf die öffentliche Diskussion um den in einem vorausgegangenen Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 9. Januar 2015 (Aktenzeichen: 1 L 54/15) aber deutlich, dass sie auch nach Beratung in ihrer jetzigen Zusammensetzung inhaltlich an diesem festhalte (siehe hierzu Pressemitteilung vom 9. Januar 2015). Mit diesem Beschluss hatte die Kammer der Stadt Düsseldorf auf Antrag der jetzigen Klägerin aufgegeben, den Aufruf ´Lichter aus!´ von der Internetseite zu entfernen und das Ausschalten der Beleuchtung städtischer Gebäude zu unterlassen. Auf die Beschwerde der Stadt hob das Oberverwaltungsgericht für das Land NordrheinWestfalen diesen Beschluss auf (Beschluss vom 12. Januar 2015, Aktenzeichen: 15 B 45/15), ohne aber die entscheidende Rechtsfrage zu beantworten. Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht in Münster möglich.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 6 In der Pressemitteilung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 28. August 2015 heißt es hierzu: „Zu der Abweisung der Klage der Dügida-Anmelderin durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf erklärt Oberbürgermeister Thomas Geisel: ´Ich freue mich, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wurde und die Causa Dügida damit erledigt ist. Einer möglichen Berufung sehe ich gelassen entgegen. Die Äußerungen des Gerichts, die nicht entscheidungserheblich sind, betrachte ich als die Privatmeinungen der urteilenden Richter, die ich nicht teile und daher auch nicht kommentieren möchte.´" In den Urteilsgründen beschränkt sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinen Ausführungen auf den Hinweis, dass „die Klägerin, obgleich die Kammer weiterhin die streitigen Maßnahmen des Oberbürgermeisters der Beklagten aus den Gründen des Beschlusses vom 9. Januar 2015 - 1 L 54/15 - (juris) für rechtswidrig erachtet, [danach] kein rechtlich anerkanntes Interesse an der begehrten – über die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hinausgehenden – rechtskräftigen Feststellung in einem Hauptsacheverfahren [hat].“ Die Äußerungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zur Frage der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen des Oberbürgermeisters sind rechtlich nicht bindend. Sie entfalten gegenüber den Parteien des Rechtsstreits keine bindende Wirkung. Der Oberbürgermeister ist dementsprechend durch das Urteil nicht beschwert, sondern hat in dem Rechtsstreit obsiegt. Daher kann er die in Rede stehenden Äußerungen des Gerichts auch nicht durch die nächsthöhere Instanz überprüfen lassen. 1. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf bereits im Vorfeld der OVG-Entscheidung vom 12. Januar 2015 öffentlich erklärt hat, dass er eine negative Entscheidung des Gerichts nicht akzeptieren werde? Der Pressemitteilung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 12. Januar 2015 ist eine solche Erklärung nicht zu entnehmen. Bezüglich der Aussagen des Oberbürgermeisters bzw. seines Sprechers, die in dem Bericht der FAZ-Online vom 14. Januar 2015 als wörtliche Zitate wiedergegeben werden, ist anzumerken, dass der Landesregierung der Kontext dieser Aussagen und die Umstände, unter denen sie (angeblich) gemacht worden sind, nicht bekannt sind. Die angeblichen, jedenfalls aber noch im Vorfeld der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts getätigten Aussagen spiegelten letztlich nur die Rechtsauffassung des Oberbürgermeisters wider, seine Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei begründet. Sie sind daher kein Belege dafür, dass der Oberbürgermeister der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts − wäre diese vom Oberverwaltungsgericht bestätigt und damit rechtskräftig worden − tatsächlich zuwidergehandelt hätte. In diesem Sinne hat der Oberbürgermeister bereits in der Pressemitteilung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 15. Januar 2015 klargestellt, er habe sich zu keinem Zeitpunkt dahingehend geäußert, dass er den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, solange er nicht aufgehoben werde, ignorieren würde. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 7 2. Inwieweit teilt die Landesregierung die Ansicht des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf, dass es sich bei den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Rahmen der Urteilsverkündung vom 28. August 2015 um unerhebliche „Privatmeinungen der urteilenden Richter“ handelt? Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Klage wegen des fehlenden Feststellungsinteresses der Klägerin bereits als unzulässig abgewiesen. Dieses war der allein tragende Grund für die Entscheidung. Auf die rechtliche Bewertung, ob der Aufruf zur Gegendemonstration und die Aktion „Licht aus!“ rechtmäßig waren oder nicht, kam es daher für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mehr an. Soweit das Verwaltungsgericht gleichwohl in der mündlichen Verhandlung und in den Entscheidungsgründen angemerkt hat, dass es der Auffassung sei, die Maßnahmen des Oberbürgermeisters seien rechtwidrig gewesen, handelt es sich zwar nicht um „private“, aber in der Tat um für das Urteil rechtlich „unerhebliche“ Äußerungen , die auch keine Rechtskraft gegenüber den Verfahrensbeteiligten entfalten (siehe Vorbemerkung). 3. Inwieweit teilt die Landesregierung die Ansicht, dass die oben zitierten Äußerungen Zweifel am Rechtsstaatsverständnis des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf aufwerfen? Die Landesregierung hat − wie sich aus den Antworten zu den Fragen 1 und 2 ergibt − keine Zweifel am Rechtsstaatsverständnis des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf . 4. Aus welchen Gründen hat sich der Justizminister des Landes NordrheinWestfalen in vorbezeichneter Angelegenheit bislang zu keinem Zeitpunkt vor die Justiz gestellt bzw. diese gegen die Äußerungen des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf verteidigt? Das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 12. Januar 2015 rechtkräftig abgeschlossen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Veranlassung zu einer Stellungnahme zu dem Verfahren bzw. zu den Äußerungen der Verfahrensbeteiligten bestand für mich zu keinem Zeitpunkt. Das Hauptsacheverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Von Stellungnahmen zu laufenden Verfahren sieht das Justizministerium insbesondere mit Blick auf die in Artikel 97 des Grundgesetzes garantierte richterliche Unabhängigkeit grundsätzlich ab. 5. Darf ein Oberbürgermeister sein Amt nach Ansicht der Landesregierung – insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu politischen Äußerungen von Regierungsmitgliedern (vgl. dazu das Urteil v. 16.12.2014, Az. 2 BvE 2/14) – dazu nutzen, um zu Protesten gegen eine ordnungsgemäß angemeldete Versammlung aufzurufen? Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte seine Entscheidung u. a. auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2014 (Az.: 2 BvE 2/14) zur Äußerungsbefugnis von Mitgliedern der Bundesregierung im Hinblick auf die Gewährleistung der Chancengleichheit politischer Parteien gestützt. Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12. Januar 2015 (Az.: 15 B 45/15) u. a. ausgeführt, dass der Fall insbesondere „die schwierige Frage nach der Geltung und Reichweite des für Amtswalter geltenden Neutralitätsgebots LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9926 8 in politischen Auseinandersetzungen außerhalb von Wahlkampfzeiten und ohne Beteiligung politischer Parteien“ aufwerfe und dass „Zulässigkeit und Grenzen von staatlichen Aufrufen an die Bevölkerung zu Kundgebungen oder ähnlichen politischen Aktionen […] bislang in der verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt“ seien. Diese Ausführungen hat das Oberverwaltungsgericht mithin auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemacht. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist rechtkräftig. Die Landesregierung sieht keine Veranlassung zu einer Bewertung des rechtkräftigen Beschlusses. Da das in der Hauptsache ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. August 2015 (Az.: 1 K 1369/15) noch nicht rechtkräftig ist, sieht die Landesregierung − die nicht selbst an dem Verfahren beteiligt ist − im Übrigen auch davon ab, sich (mittelbar) zu den Erfolgsaussichten der Klage bzw. eines etwaigen Antrags auf Zulassung der Berufung zu äußern. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/9926