LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9936 07.10.2015 Datum des Originals: 07.10.2015/Ausgegeben: 12.10.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3863 vom 9. September 2015 der Abgeordneten Daniel Düngel, Birgit Rydlewski und Torsten Sommer PIRATEN Drucksache 16/9715 Warum geht die Dortmunder Polizei mit körperlicher Gewalt gegen Demonstranten vor? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3863 mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit großem gesellschaftlichem Engagement der nordrhein-westfälischen Bürger wer-den in diesen Tagen die vielen in NRW ankommenden Flüchtlinge versorgt. So haben am Wochenende, alleine in Dortmund, mehrere Hundert Freiwillige rund um die Uhr mit persönlichem Einsatz, Sach- und Geldspenden und in Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und Behördenmitarbeitern für einen reibungslosen Empfang der über 2.000 Geflüchteten Menschen gesorgt. Am Rande wurden die vielen Helferinnen und Helfer von einer Gruppen Rechtsradikaler gestört , die in der Nacht von Samstag auf Sonntag vor dem Hauptbahnhof eine Versammlung durchführten. Viele der Anwesenden Helferinnen und Helfer protestierten gegen die Nazis und verlagerten sich dazu an den Haupteingang des Dortmunder Hauptbahnhofs - zum einen , um die Helferinnen und Helfer im nördlichen Bahnhofsteil vor den Rechtsextremen zu schützen. Zum anderen, um den in der Nacht erwarteten Geflüchteten zu ersparen, mit dem Hass und der Gewaltbereitschaft der Rechtsradikalen konfrontiert zu werden. Für völliges Unverständnis sorgte daher die Maßnahme der Polizei Dortmund, die Rechtsextremen dann an den friedlich Protestierenden vorbei in den Bahnhof zu geleiten. In der Bahnhofsvorhalle setzten die Beamten massive, körperliche Gewalt und Polizeihunde ein um etwa 25 Rechtsradikalen einen Weg durch mehrere Hundert Gegendemonstranten zu bahnen. Es wurde LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9936 2 von der Polizei in der Bahnhofshalle sowohl Reizgas, wie auch Hunde ohne Beissschutz gegen Demonstranten eingesetzt. 1. Warum wurden die Rechtsextremisten, trotz anderslautender Empfehlung der Bundespolizei, in den Hauptbahnhof geführt? Durch die Partei „Die Rechte“ wurde aus Anlass der Ankunft einer größeren Anzahl von Flüchtlingen in Dortmund eine Kundgebung (Mahnwache) in der Eingangshalle des Dortmunder Hauptbahnhofs für den 06.09.2015, 03:00 bis 07:00 Uhr, mit erwarteten bis zu 30 Teilnehmern angemeldet. Im Rahmen eines Kooperationsgespräches wurde durch das Polizeipräsidium Dortmund mit dem Anmelder vereinbart, dass die Mahnwache am 06.09.2015 im Zeitraum 02:00 bis 06:00 Uhr im Nahbereich des Hauptbahnhofes - und damit nicht in der Eingangshalle in Sicht- und Hörweite der Flüchtlinge - stattfindet. Gegendemonstrationen wurden nicht angemeldet. Am 06.09.2015, gegen 01:30 Uhr, kam es im Vorfeld der Versammlung der rechten Szene auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs zwischen ca. 20 Angehörigen der rechten und ca. 30 Angehörigen der linken Szene zu Auseinandersetzungen. Dabei kam es zu folgenlosen Flaschen - und Böllerwürfen gegen die eingesetzten Polizeibeamten. Jeweils zwei Angehörige der rechten und linken Szene wurden in Gewahrsam genommen. Die Versammlung der Partei „Die Rechte“ begann um 01:40 Uhr und wurde um 02:35 Uhr störungsfrei beendet. Durch eine Gruppe von ca. 300 Angehörigen des linken Spektrums wurden die ehemaligen Versammlungsteilnehmer zunächst an der Abreise vom Hauptbahnhof aus gehindert. Die Gruppe verhinderte, dass die ehemaligen Versammlungsteilnehmer bzw. die zur Trennung der rivalisierenden Gruppen eingesetzten Polizeibeamten den Treppenaufgang zum entsprechenden Bahnsteig erreichen konnten. Durch die Angehörigen des linken Spektrums wurden Gegenstände (z. B. Ständer mit Info-Material, Mülleimer) in Richtung der eingesetzten Kräfte geworfen oder geschoben. Die Einsatzkräfte wurden körperlich angegangen. Kommunikativ waren die Störer nicht erreichbar. Da sich die Angehörigen des linken Spektrums auf den Hauptbahnhof konzentrierten, konnten die ehemaligen Versammlungsteilnehmer über die Freitreppe zum Abfahrtsgleis der SBahn geführt werden. Gegen 03:35 Uhr konnten die ehemaligen Versammlungsteilnehmer schließlich abreisen. Die Abreise der ehemaligen Versammlungsteilnehmer über den Hauptbahnhof wurde mit der Bundespolizei einvernehmlich abgestimmt. Eine anderslautende verbindliche Empfehlung der Bundespolizei ist dem Polizeipräsidium Dortmund nicht bekannt. Bei den geschilderten Ereignissen am und im Hauptbahnhof wurden insgesamt fünf Personen , darunter drei Polizeibeamte, leicht verletzt. Darunter befanden sich auch eine weibliche Person sowie ein Polizeibeamter, die durch Biss eines Diensthundes der Bundespolizei leichte Verletzungen erlitten. Anlassbezogene Strafverfahren wurden eingeleitet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9936 3 2. Vor dem Haupteingang des Dortmunder Hauptbahnhofs führt eine Freitreppe direkt zu den S-Bahngleisen. Die Freitreppe und der Außenweg zu den SBahngleisen wurde nicht von den Gegendemonstranten genutzt. Warum wurde nicht von vorneherein dieser Weg für die Abreise der Rechtsradikalen genutzt? Die Freitreppe war zum Zeitpunkt des Eintreffens der ehemaligen Versammlungsteilnehmer nicht frei von Angehörigen des linken Spektrums sowie Unbeteiligten. Es kam zu vereinzelten Flaschenwürfen von der Empore. Vor diesem Hintergrund erfolgte zunächst keine Nutzung der Freitreppe. 3. Warum wurde die Gruppe dann letztendlich wieder aus dem Hauptbahnhof geführt und der in Frage zwei genannte Weg dann doch genutzt? Siehe Antwort zu Frage 1. 4. Bei anderen Demonstrationen liegen An- und Abreise der Teilnehmer in der Organisationsverantwortung der Veranstalter. Warum kümmert sich die Polizei um die Abreise von rechtsradikalen Demonstranten? Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren . Sie hat im Rahmen dieser Aufgabe Straftaten zu verhüten. Zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben ist es auch im Nachgang zu versammlungsrechtlichen Versammlungen oftmals erforderlich, ein Aufeinandertreffen rivalisierender Gruppen und damit die Begehung von Straftaten (beispielsweise Körperverletzungsdelikte) zu verhindern. Dieser Aufgabe ist das Polizeipräsidium Dortmund im vorliegenden Fall nachgekommen. 5. Obwohl der Einsatz von Reizgas in geschlossenen sowie von Polizeihunden ohne Beissschutz auf engem Raum fachlich umstritten ist, wurden beide polizeilichen Maßnahmen eingesetzt. Wie viele Menschen wurden durch den unverhältnismäßigen Einsatz von Reizgas und Polizeihunden verletzt? Bitte aufgeteilt nach Art der Verletzungen und wie viele Beamte durch polizeiliche Maßnahmen verletzt wurden. Sowohl der Einsatz von Diensthunden als auch der von Pfefferspray unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hinweise auf einen unverhältnismäßigen und damit rechtswidrigen Einsatz liegen dem Ministerium für Inneres und Kommunales jeweils nicht vor. Durch Biss eines Diensthundes der Bundespolizei wurden eine weibliche Person sowie ein Polizeibeamter leicht verletzt. Angaben über Verletzte im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray liegen dem Polizeipräsidium Dortmund nicht vor. Darüber hinaus ist der Einsatz von Pfefferspray in geschlossenen Räumen grundsätzlich nicht ausgeschlossen.