LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9957 12.10.2015 Datum des Originals: 12.10.2015/Ausgegeben: 15.10.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3857 vom 4. September 2015 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/9706 Wie konsequent wird in Duisburg nunmehr mit verstärkten Kräften durchgegriffen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3857 mit Schreiben vom 12. Oktober 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit Juni 2015 erfolgt zunächst bis zum 31.12.2015 grundsätzlich eine tägliche personelle Unterstützung der im Duisburger Norden eingesetzten Beamten durch einen Einsatzzug (38 Beamte) der Bereitschaftspolizei. Zuvor hatte das Polizeipräsidium Duisburg in einer Lageanalyse festgehalten: „Polizeibeamten aller Direktionen und operativen städtischen Bediensteten schlägt im Rahmen ihrer Aufgabenbewältigung hier eine hohe Aggressivität und Respektlosigkeit entgegen. Dies gilt insbesondere beim Einschreiten von weiblichen Polizeibeamten. Der Begriff der Respektlosigkeit beschreibt die Situation nur unzureichend. Das Behindern oder Erschweren polizeilicher Maßnahmen, physische wie psychische Gewalt und Widerstandshandlungen gegenüber den eingesetzten Beamtinnen und Beamten oder aber das Zusammenrotten zur Beeinflussung des polizeilichen Handelns tangieren die Funktionsfähigkeit der Polizei und damit ein Sicherheitsgut . Die Rechtspflicht des Staates zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ist in solchen Stadtbezirken langfristig nicht gesichert bzw. akut gefährdet. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist bereits nachhaltig negativ beeinträchtigt. Von diesem Phänomen sind neben den Mitarbeitern des Ordnungsamtes (SAD, Verkehrsüberwachung ) und des Fahr- und Sicherheitspersonals der DVG, ebenso Feuerwehr und Rettungsdienste betroffen.“ Das MIK hatte dazu ausgeführt: „Im Jahr 2014 wurden in der Kreispolizeibehörde Duisburg 623 Einsätze verzeichnet, in denen mindestens vier Funkstreifenwagen eingesetzt waren. In LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9957 2 den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 waren es bereits 250 Einsätze. (…) Das Polizeipräsidium Duisburg wurde im Jahr 2014 im Rahmen dieser Präsenzkonzeptionen mit 31.000 Personalstunden und im ersten Halbjahr 2015 mit ca. 9.000 Personalstunden durch Kräfte der Bereitschaftspolizei unterstützt.“ Dies bedeutet, dass im ersten Halbjahr 2015 die Unterstützung durch die Bereitschaftspolizei durch Personalstunden zunächst spürbar heruntergefahren worden war. Weiter heißt es: „Wie auch bei den zuvor beschriebenen Projekten erzielten das konsequente Einschreiten und der gezielte Einsatz der Bereitschaftspolizei eine positive Wirkung auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.“ (…) In Nordrhein-Westfalen gibt es keine sogenannten rechtsfreien Räume; Straftätern wird nachhaltig verdeutlicht, dass das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat und seiner Polizei liegt. Die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen werden auch weiterhin alle erforderlichen und rechtlich zulässigen Maßnahmen treffen, um gegen Straftäter konsequent vorzugehen und die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.“ Allein in den letzten Wochen sind jedoch erneut folgende Pressemeldungen der Polizei Duisburg zu lesen: POL-DU: Hochfeld: Jugendliche verursachen Verkehrsunfall und flüchten - Rund 30 Familienangehörige beschimpfen Polizei 17.08.2015 – 12:42 Duisburg (ots) - Am Sonntagnachmittag (16. August) flüchteten vier Jugendliche, nachdem sie gegen 15.10 Uhr auf der Paulusstraße in Hochfeld einen Verkehrsunfall verursacht haben . Die Jungen hatten einen Ford gestartet, der einem Familienmitglied gehörte. Der Wagen machte einen Satz und schob drei geparkte Autos aufeinander. Das Quartett stieg aus und flüchtete in ein nahegelegenes Wohnhaus. Als die Polizei den Unfall aufnahm und den Ford sicherstellte, kamen rund 30 Angehörige des Halters dazu. Diese beschimpften und bedrohten die Einsatzkräfte. Angaben zu dem Jungen, der den Wagen gestartet hatte, machte keiner. Jedoch haben mehrere Zeugen den Unfall beobachtet. Die Ermittlungen der Polizei dauern an. POL-DU: Marxloh: Widerstand bei Verkehrskontrolle - 80 Schaulustige 24.08.2015 – 07:38 Duisburg (ots) - Ein 48 Jahre alter Trikefahrer missachtete am Freitag (21.08.) gegen 21:20 Uhr auf der Schillerstraße die Anhaltezeichen der Polizei. Er fuhr weiter, suchte sich eine Parklücke und flüchtete dann zu Fuß. Die Polizisten stellten ihn und wollten ihn festhalten. Er riss sich los und lief weiter. Bei der erneuten Festnahme stürzten er und ein Polizeibeamter zu Boden. Dabei brach der Mann sich den Oberarm und der Polizist verstauchte sich das Handgelenk. Acht weitere Männer, Verwandte des 48-Jährigen kamen hinzu und verhielten sich äußerst aggressiv. Zwischenzeitlich wuchs die Zahl der Schaulustigen auf rund 80 Personen . Davon beschimpften schließlich etwa 20 die Beamten. Mit mehreren Streifenwagen gelang es jedoch, den Einsatz zu Ende zu bringen. Vorbemerkung der Landesregierung Die polizeiliche Lage in Duisburg ist maßgeblich durch die sozialen Brennpunkte und die daraus erwachsenden polizeilichen Handlungsfelder bestimmt. Polizeibeamte stehen im Rahmen ihrer Aufgabenbewältigung in bestimmten Stadtteilen von Duisburg einer hohen Aggressivität und Respektlosigkeit gegenüber. Durch Zusammenrottungen wird aus Szenen heraus versucht, polizeiliche Maßnahmen zu erschweren, in ihrem Sinne zu beeinflussen oder diese ganz zu verhindern. Dies gilt insbesondere beim Einschreiten von weiblichen Einsatzkräften. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9957 3 Die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen sind angehalten, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um gegen Störer und Straftäter konsequent vorzugehen und die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine sogenannten rechtsfreien Räume; Straftätern wird nachhaltig verdeutlicht, dass das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat und seiner Polizei liegt. 1. Wie viele Kräfte/Funkstreifenwagen des Streifendienstes/Wachdienstes des PP Duisburg und vom Einsatzzug der Bereitschaftspolizei waren zum Zeitpunkt der beiden Vorfälle im Stadtgebiet im Dienst? Einsatz Hochfeld, Verkehrsunfallflucht 17.08.2015, 15.00 Uhr Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls befanden sich insgesamt 52 Beamtinnen und Beamte des PP Duisburg im Wachdienst, die 15 Funkstreifenkraftwagen (Fustkw) besetzten. Einsatz Marxloh, Verkehrsdelikt 21.08.2015, 21.24 Uhr Inklusive der Kräfte des Sondereinsatzes im Rahmen des Projektes Triangel (Einsatzabschnitt Nord) waren 97 Beamtinnen und Beamte im Dienst. Davon waren 38 Beamte der Bereitschaftspolizei, die acht FustKw und zwei Gruppenkraftwagen (Grukw) besetzten. Die 59 Beamtinnen und Beamte des Wachdienstes besetzten 17 Fustkw. Die Fustkw des Wachdienstes waren teilweise mit drei Beamtinnen und Beamten besetzt. 2. Wie viele der jeweiligen Polizeikräfte waren an den beiden genannten Einsätzen und an etwaigen zeitlich parallelen Einsätzen jeweils eingesetzt? Einsatz Hochfeld, Verkehrsunfallflucht 17.08.2015, 15.00 Uhr Der Einsatz wurde durch eine Funkstreifenwagenbesatzung (eine Beamtin und ein Beamter) bewältigt. Zwischen 15.00 Uhr bis 16.31 Uhr waren im Bereich des PP Duisburg 36 weitere Einsätze zu verzeichnen. Darunter befanden sich drei Einsätze mit einem erhöhten Kräftebedarf (Häusliche Gewalt, Diebstahl - Täter am Ort, Einbruch - Täter am Ort). Einsatz Marxloh, Verkehrsdelikt 21.08.2015, 21.24 Uhr Insgesamt waren zur Einsatzbewältigung vier Fustkw (acht Beamtinnen und Beamte) und ein Grukw (sechs Beamtinnen und Beamte) eingesetzt. Im Zeitraum von 21.23 Uhr bis 23.57 Uhr lagen im Bereich des PP Duis-burg 71 weitere Einsatzanlässe vor. Darunter befand sich ein Einsatz mit einem erhöhten Kräftebedarf (Diebstahl von Fahrzeugen - Täter am Ort). 3. Ist das derzeitige polizeiliche Ziel, solche Einsätze bloß unversehrt „zu Ende zu bringen“ oder Personen, die Beamte bei Maßnahmen behindern, Beamte beleidigen und bedrohen, konsequent einer Identitätsfeststellung und Ordnungswidrigkeiten - bzw. Strafverfolgung zuzuführen? In diesem Sachzusammenhang verweise ich auf den Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales zum Tagesordnungspunkt 10 der Sitzung des Innenausschusses des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9957 4 Landtags NRW am 27. August 2015 und das Projekt Triangel Einsatzabschnitt Nord (Vorlage 16/3139) sowie auf die Vorbemerkungen. 4. Gegen wie viele Personen, die Polizeibeamte bei den beiden Einsätzen beleidigt und bedroht hatten, wurde jeweils nach Identitätsfeststellung eine Strafanzeige erstattet (bitte Angabe Anzahl der Identitätsfeststellungen und Gegenstand der Anzeigen)? Einsatz Hochfeld, Verkehrsunfallflucht 17.08.2015, 15.00 Uhr Neben der Verkehrsunfallanzeige wegen des Verdachts der Verkehrsunfallflucht gem. § 142 StGB, in der zwei Beschuldigte (Jugendliche), drei Geschädigte und vier Zeugen erfasst wurden, wurde eine Strafanzeige wegen des Tatverdachts der Beleidigung gem. § 185 StGB vorgelegt. Die Strafanzeige richtet sich gegen den Vater der o.g. Beschuldigten, der auch Halter des unfallverursachenden Fahrzeuges ist. Als polizeiliche Maßnahme wurde das unfallverursachende Fahrzeug sichergestellt. Mit Eintreffen des Abschleppunternehmers erschien der Fahrzeughalter und spätere Beschuldigte in Begleitung von ca. 30 Personen am Einsatzort. Diese beobachteten die Amtshandlung und bedrängten die Beamten durch Unterschreiten eines ausreichenden Sicherheitsabstandes im Hinblick auf die Eigensicherung der Beamten, begleitet von verbalen Unmutsäußerungen . Hierdurch wurde eine Drohkulisse gegenüber den Beamten aufgebaut. Durch einfaches Wegdrücken verschafften sich die Beamten wieder den erforderlichen Sicherheitsabstand . Über Unmutsäußerungen und Unterschreiten eines Sicherheitsabstandes hinaus wurde nicht gegen die Beamten vorgegangen. Im Rahmen dieser Situation beleidigte der Beschuldigte die Beamten mehrfach als Rassisten. Alle polizeilichen Maßnahmen wurden hier durch die Funkstreifenwagenbesatzung konsequent umgesetzt. Dieser Sachverhalt zeigt jedoch symptomatisch die aktuelle Problemstellung zur Reaktion auf polizeiliche Maßnahmen in bestimmten Stadtteilen. Auch wenn in diesem speziellen Einzelfall keine Unterstützung durch weitere Kräfte erforderlich war, wird deutlich, dass das Verhalten des polizeilichen Gegenübers den kurzfristigen Einsatz einer Vielzahl von Kräften erforderlich machen kann. Einsatz Marxloh, Verkehrsdelikt 21.08.2015, 21.24 Uhr Zu dem in Rede stehenden Einsatz wurde eine Strafanzeige wegen des Tatverdachts des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 StGB vorgelegt. Im Rahmen der Sachverhaltserfassung wurden die Personalien des Beschuldigten, sowie einer weiteren Auskunftsperson (Angehöriger des Beschuldigten) erfasst. Vor Ort waren insgesamt ca. 80 Schaulustige, wovon 20 Personen die Beamten in aggressiver Art und Weise ansprachen. Dabei kam es nicht zu strafrechtlich relevanten Äußerungen bzw. Verhalten seitens der Personen . Die Lage vor Ort beruhigte sich, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Anzahl der eingesetzten Kräfte, sehr schnell. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9957 5 5. Wie viele Einsätze, bei denen mindestens vier Funkstreifenwagen eingesetzt waren , verzeichneten die Kreispolizeibehörden Duisburg, Essen, Dortmund und Gelsenkirchen in den Monaten Juni, Juli und August 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2014? Die in den Vorbemerkungen der Kleinen Anfrage zitierte Zahl von 623 Einsätzen mit mehr als vier Fustkw im Jahr 2014 stellt die Einsätze mit ausgewählten Anlässen dar, die im Zusammenhang mit dem Projekt Triangel erhoben wurden und auch im Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales zum Tagesordnungspunkt 10 der Sitzung des Innenausschusses des Landtags NRW am 27. August (Vorlage 16/3139) genannt ist. Hierzu zählen die Einsatzanlässe Bedrohung, Körperverletzung, Körperverletzung Täter am Ort, Gefährliche Körperverletzung/z.B. Messerstecherei, Gefährliche Körperverletzung Täter am Ort, Randalierer, Streitigkeiten, Schlägerei mit einer größeren Anzahl von Personen, und Landfriedensbruch. Die Anzahl der Einsätze stellt sich wie folgt dar: Behörde Juni 14 Juni 15 Juli 14 Juli 15 August 14 August 15 Dortmund 78 53 89 64 63 64 Duisburg 62 50 55 62 59 75 Essen 82 57 77 61 62 89 Gelsenkirchen 32 13 42 23 15 34 Entwicklung der Monate Juni bis August 2014 zu Juni bis August 2015 Behörde 2014 2015 Entwicklung Dortmund 230 181 - 49 Duisburg 176 187 + 11 Essen 221 207 - 14 Gelsenkirchen 89 70 - 19 In der Gesamtbetrachtung des Jahresvergleichs ist festzustellen, dass mit Ausnahme beim PP Duisburg ein Rückgang der Einsätze zu verzeichnen ist.