LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9994 15.10.2015 Datum des Originals: 15.10.2015/Ausgegeben: 20.10.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3877 vom 7. September 2015 der Abgeordneten Jens Kamieth und Jens Nettekoven CDU Drucksache 16/9739 Hat der verfassungsrechtlich geschützte Justizgewährleistungsanspruch bei der Staatsanwaltschaft Köln noch Geltung? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 3877 mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln hat die Anzeigeerstatterin unter dem 28.04.2015 um zeitnahe Mitteilung des Aktenzeichens gebeten. Es erforderte jedoch mehrmalige Anrufe (11.05.2015, 27.05.2015 und 09.06.2015) sowie Erinnerungsschreiben (20.05.2015 und 09.06.2015) durch die Anzeigeerstatterin, bis die Staatsanwaltschaft am 10.06.2015 – und damit über sechs Wochen nach dem ersten Auskunftsbegehren – endlich das zugehörige Aktenzeichen (Az. 116 Js 548/15) mitteilte. Vorbemerkung der Landesregierung Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat zu der generellen Verfahrensweise betreffend die Verfahrenseintragungen und den Postverkehr Folgendes berichtet: „Bei der Staatsanwaltschaft Köln werden jedes Jahr um die 160.000 Verfahren gegen bekannte Beschuldigte, ca. 150.000 Verfahren gegen Unbekannt und etwa 15.000 Ordnungswidrigkeiten -Verfahren neu erfasst. Die Zahl der Posteingänge zu den anhängigen Verfahren - ohne sie genau erfassen und benennen zu können - dürfte um ein Mehrfaches höher liegen . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9994 2 Neu eingehende Strafanzeigen werden in der Eingangsauszeichnung gesichtet und entweder der Zentralen Erfassungsstelle (allgemeine Strafsachen gegen bekannte Beschuldigte; Js-Sachen), der UJs-Geschäftsstelle (allgemeine Strafsachen gegen Unbekannt; UJsSachen ) oder bei erkennbarer Zuständigkeit eines Sonderdezernats dem jeweiligen Abteilungsleiter vorgelegt. Js-Sachen werden erfasst, ein Aktenzeichen vergeben und dieses automatisch auf dem Postweg dem Anzeigeerstatter oder elektronisch den Polizeibehörden mitgeteilt. UJs-Sachen werden zunächst einem Dezernenten vorgelegt, der prüft, ob nicht doch ein namentlich zu erfassender Beschuldigter festzustellen ist oder ob weitere Ermittlungen anzuordnen sind. Danach werden die Verfahren erfasst, Aktenzeichen vergeben und diese dem Anzeigeerstatter oder der Polizeidienststelle mitgeteilt. Erkennbar als besonders eilbedürftig gekennzeichnete Vorgänge werden bevorzugt und beschleunigt behandelt. Bei schriftlichen Anfragen ohne Aktenzeichen wird zunächst kursorisch und danach durch einen eigens bestimmten Mitarbeiter überprüft, ob sich anhand der Angaben in dem Schreiben ein passendes Verfahren im Aktenverwaltungssystem findet. Bleibt dies erfolglos, wird der Eingang zur Aktenkontrolle erfasst und einem turnusgemäß bestimmten Dezernenten vorgelegt. Dieser prüft den Sachverhalt und wird - wenn strafprozessuale Erfordernisse nicht entgegenstehen - spätestens dann mit dem Eingabeverfasser Kontakt aufnehmen, um gegebenenfalls auch die Neuübersendung einer Strafanzeige zu erbitten. Bei fernmündlichen Anfragen, die kein Aktenzeichen benennen können, ist die Telefonzentrale angewiesen, zunächst zu einer Kopfserviceeinheit zu verbinden. Diese fragt Angaben ab, mit denen sie das passende Verfahren finden und dann zur zuständigen Geschäftsstelle verbinden kann. Sollte das Verfahren noch nicht im System eingetragen sein, wird auch diese Auskunft erteilt. Für den Fall, dass dies nicht genügt, hat der Anfragende die Möglichkeit, sich auch an die Geschäfts- oder Behördenleitung zu wenden. Dies kommt in Einzelfällen gelegentlich vor. Spätestens jetzt wird um nochmalige Übersendung der „vermissten“ Strafanzeige gebeten und für eine unverzügliche Erfassung derselben Sorge getragen. Ab Oktober 2015 werden fernmündliche Anfragen bei der Staatsanwaltschaft Köln dadurch erleichtert, dass ein zentraler „Service-Point“ seine Arbeit aufnimmt. Dieser ist unter anderem für die Entgegennahme von Anfragen und Eingaben ohne Aktenzeichen zuständig. Durch diese Konzentration dürfte auch der eventuell fehlende Eingang oder ein Verlust von Schriftstücken zügiger festgestellt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.“ 1. Warum dauerte es in dem o. g. Fall über sechs Wochen, bis der Anzeigeerstatterin das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt wurde? 2. Welche konkreten Maßnahmen wurden von der Staatsanwaltschaft Köln nach den Anrufen (11.05.2015, 27.05.2015 und 09.06.2015) sowie Erinnerungsschreiben der Anzeigeerstatterin (20.05.2015 und 09.06.2015) jeweils veranlasst? (Bitte jeweils einzeln auflisten) 3. Wann genau wurden die Ermittlungen in dem Verfahren 116 Js 548/15 aufgenommen bzw. ein Aktenzeichen für das Ermittlungsverfahren vergeben? Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat insoweit berichtet, die - nicht als Eilsache besonders gekennzeichnete - Strafanzeige vom 28.04.2015 sei im Original am 30.04.2015 bei der Staatsanwaltschaft eingegangen und mit dem Eingangsstempel der Auszeichnung versehen worden. Eine Zuleitung an die Zentrale Erfassungsstelle, eine UJs-Geschäftsstelle oder den Abteilungsleiter einer Sonderabteilung finde sich nicht. Warum dies nicht erfolgt und wo das Schriftstück bis zum 08.06.2015 verblieben sei, habe sich nicht klären lassen und könne an- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/9994 3 gesichts der vorgenannten Vorgangszahlen auch nicht mehr geklärt werden. In der Folge sei dieses Schreiben jedoch dem Abteilungsleiter der allgemeinen Abteilung VI vorgelegt worden . Dieser habe unter dem 08.06.2015 die Vorlage an den zuständigen Abteilungsleiter XI/116 verfügt. Ein Eingang der Strafanzeige als Fax vorab sei auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht feststellbar. Das - ebenfalls nicht als Eilsache gekennzeichnete - Erinnerungsschreiben vom 20.05.2015 sei als Fax am selben Tag bei der Staatsanwaltschaft eingegangen und mangels zuordnungsfähigen Aktenzeichens dem zuständigen Mitarbeiter zugeschrieben worden. Nach mehrfacher Überprüfung des Systems auf ein passendes eingetragenes Verfahren sei von dort Anfang Juni 2015 die Erfassung zur Aktenkontrolle und Vorlage an einen Dezernenten verfügt worden. Dieser habe dann das am 09.06.2015 erfasste Verfahren 116 Js 548/15 festgestellt und den Vorgang dazu vorgelegt. Hinweise und Anrufe bei der Staatsanwaltschaft am 11.05.2015, 27.05.2015 und 09.06.2015 ergäben sich aus der Akte nicht. Anrufe bei der Geschäftsleitung oder der Behördenleitung seien nicht bekannt. Mit wem telefoniert und welche Auskünfte erteilt worden seien könnten, ließe sich daher allenfalls spekulativ erörtern. Das Erinnerungsschreiben vom 09.06.2015 - mit eindeutigem Betreff und unmissverständlich als besondere Eilsache gekennzeichnet - sei am selben Tag bei der Staatsanwaltschaft eingegangen und unverzüglich dem zuständigen Abteilungsleiter XI/116 vorgelegt worden. Dieser habe unmittelbar danach die Eintragung des Verfahrens und die Vorlage an den zuständigen Dezernenten verfügt. Die Dezernentin habe nach gebotener Prüfung des Sachverhalts ebenfalls noch am 09.06.2015 die ersten Ermittlungen verfügt und die zuständige Kreispolizeibehörde hiermit beauftragt. Das Aktenzeichen 116 Js 548/15 sei der Anzeigeerstatterin sodann am 10.06.2015 per Fax mitgeteilt worden. 4. Wie stellt sich der aktuelle Sachstand des Verfahrens im Einzelnen dar? Der Leitende Oberstaatsanwalt hat berichtet, nach Durchführung der erforderlichen Zeugenvernehmungen sei auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erlassen und zwischenzeitlich vollstreckt worden. Im Übrigen dauerten die Ermittlungen an. 5. Inwieweit hat der verfassungsrechtlich geschützte Justizgewährleistungsanspruch bei der Staatsanwaltschaft Köln angesichts des o. g. Missstandes noch Geltung? Der Generalstaatsanwältin in Köln bietet der angesprochene Sachverhalt zu Maßnahmen keinen Anlass. Der verfassungsrechtlich geschützte Justizgewährleistungsanspruch hat bei der Staatsanwaltschaft Köln uneingeschränkt Geltung. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/9994