LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10072 30.06.2020 Datum des Originals: 29.06.2020/Ausgegeben: 06.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3767 vom 29. Mai 2020 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/9517 Was unternimmt Ministerpräsident Laschet gegen ein grenznahes belgisches Atommüllendlager? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 20. Mai berichteten die Aachener Nachrichten auf ihrer Titelseite darüber, dass die für Atommüll zuständige, belgische Behörde NERAS seit Mitte April überraschend eine Öffentlichkeitsbeteiligung für ein Atommüll-Endlager für die nuklearen Abfälle der Meiler in Tihange und Doel durchführt. Das Verfahren soll schon am 13. Juni enden, trotz geltender Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der Corona-Virus-Pandemie. Die Untersuchung enthält auch schon Standorte, die geologisch für eine solche Lagerung infrage kommen, darunter sind Gebiete, die sich in direkter Nähe zur niederländischen, luxemburgischen und deutschen Grenze befinden. Das Vorgehen Belgiens hat breite Kritik in den angrenzenden Regionen hervorgerufen. Nicht nur wegen der Durchführung während der Corona-Virus-Pandemie, sondern auch wegen der fehlenden Einbeziehung der Nachbarländer, die gegen EU-Recht verstoße. So hat der Städteregionstag eine Resolution von CDU und GRÜNEN verabschiedet, die diese Kritikpunkte aufgreift und einen Einsatz von Bundes- und Landesregierung gegen das Vorgehen Belgiens fordert. In dem Artikel wird zudem das NRW-Wirtschaftsministerium mit der Aussage zitiert, man sei über den Sachverhalt nicht informiert gewesen. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 3767 mit Schreiben vom 29. Juni 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die in Belgien von der Nationalen Einrichtung für Radioaktive Abfälle und angereicherte Spaltmaterialien (ONDRAF/NIRAS/NERAS) durchgeführte „Strategische Umweltprüfung (SUP) über eine Endbestimmung für hochradioaktive und/oder langlebige Abfälle“ entspricht den Anforderungen der Europäischen Richtlinie 2011/70/Euratom über einen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10072 2 Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle. Konkrete Standorte, ein konkretes Konzept der Endlagerung oder ein konkreter Zeitplan sind explizit nicht Teil der vorliegenden SUP, jedoch werden geologische Formationen in Belgien genannt. Es werden generelle Auswirkungen identifiziert und beschrieben, deren Prüfung als Grundlage der nationalen Politik auf konzeptioneller und allgemeiner Ebene für die langfristig sichere Entsorgung relevant ist. In späteren Phasen der Festlegung der Politik sowie der Vorbereitung einer konkretisierenden Umsetzung werden aufbauend detailliertere Prüfungen für konkrete Standorte erfolgen. 1. Seit wann ist der Landesregierung bekannt, dass in Belgien eine Öffentlichkeitsbeteiligung zur Standortsuche für ein belgisches Atommüllendlager stattfindet? Die Landesregierung wurde von belgischer Seite nicht notifiziert, sondern hat erstmalig am Mittwoch, 13. Mai 2020, auf anderen Wegen Kenntnis von der Öffentlichkeitsbeteiligung erlangt. 2. Über welche Informationen verfügt die Landesregierung grundsätzlich in Bezug auf die Pläne Belgiens zur Frage eines Endlagers für hochradioaktiven Atommüll, insbesondere was einen möglichen Zusammenhang zu den geplanten Laufzeitverlängerungen betrifft? Die Landesregierung hat über die Veröffentlichung der ONDRAF hinausgehend keine weiteren Informationen. Ein Zusammenhang mit möglichen Plänen einer Laufzeitverlängerung ist nicht bekannt. 3. Welche Gespräche oder anderweitigen Kontakte haben seit Bekanntwerden der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Standortsuche für ein belgisches Atommüllendlager zwischen der Landesregierung und belgischen Behörden bzw. Regierungsmitgliedern stattgefunden? 4. Wie bewertet die Landesregierung das Vorgehen Belgiens, die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Standortsuche für ein belgisches Atommüllendlager während der Corona-Virus-Pandemie ohne die Einbeziehung der Nachbarländer durchzuführen? 5. Was wird die Landesregierung zukünftig unternehmen, um eine angemessene Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens an der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Standortsuche für ein belgisches Atommüllendlager gemäß Aarhus- und ESPOO-Konvention sicherzustellen? Die Fragen 3, 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Die Entscheidung über eine Notifizierung deutscher Stellen gemäß Art. 3 des Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (ESPOO-Konvention) liegt im Ermessen der belgischen Behörden. Die Bundesregierung sieht nach vorliegenden Informationen zu diesem Zeitpunkt davon ab, das Belgische Königreich um eine Beteiligung an der Konsultation zu ersuchen. Die Landesregierung ist der Ansicht, dass LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10072 3 auch deutsche Bürgerinnen und Bürger gemäß der ESPOO-Konvention an der Konsultation hätten beteiligt werden müssen. Die ONDRAF/NIRAS/NERAS wurde daher in einer Stellungnahme der Landesregierung um eine Beteiligung an dem Konsultationsprozess und um eine entsprechende Verlängerung der Einwendungsfrist sowie ebenfalls um weitere Beteiligung im fortschreitenden Verfahren und um Informationen über die Ergebnisse der Konsultation gebeten. Die Landesregierung hat in dieser Angelegenheit auf verschiedenen Ebenen Kontakt mit der Belgischen Regierung aufgenommen. So fanden neben einem Austausch auf Arbeitsebene auch Gespräche etwa mit der Geschäftsträgerin a.i. der Belgischen Botschaft sowie dem Büro der Premierministerin Wilmès statt. Weitere Gespräche, u.a. auch zwischen Ministerin Heinen-Esser und ihrer belgischen Amtskollegin, sind geplant.