LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10096 03.07.2020 Datum des Originals: 03.07.2020/Ausgegeben: 09.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3843 vom 8. Juni 2020 der Abgeordneten Norwich Rüße und Arndt Klocke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/9634 Was tut die Landesregierung, um den Einsatz des Rohstoffes Holz voranzubringen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Bauen mit Holz ist eine sinnvolle Alternative zu vielen Stahl- und Betonbauten, deren Baustoffe in der Herstellung mit einem hohen Kohlendioxid-Ausstoß verbunden sind. Insbesondere die ökologischen, langlebigen und belastbaren Eigenschaften machen den Rohstoff Holz geradezu ideal für den Einsatz bei jedweder Art von Holzbausystemen. Zwar interessieren sich immer mehr Menschen für das Bauen mit Holz, stoßen dabei aber in der Umsetzung immer wieder auf erhebliche Probleme, so dass letztlich die Entscheidung häufig gegen eine Holzbauweise getroffen wird. Aufgrund der witterungsbedingt dramatischen Situation im Wald und der in diesem Zusammenhang anfallenden Holzmengen, hat die Landesregierung im Dezember 2019 mit Verbänden aus Forst- und Holzwirtschaft, Naturschutz und Berufsvertretungen den „Waldpakt“ verabschiedet . Neben der Betonung der Klimaschutzleistung des Waldes und der Holzverwendung im Rahmen einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung wurden auch baupolitische Initiativen zur Förderung der nachhaltigen Holznutzung vereinbart. Auf diese Weise soll eine Entlastung des Holzmarktes herbeigeführt und somit dem rapiden Wertverlust des Rohstoffes entgegenwirkt werden. Doch die Absichten aus dem Waldpakt benötigen konkrete Projekte, damit der Rohstoff Holz im Baubereich stärker als bisher Berücksichtigung findet. Insbesondere das Bauen mit Holz sollte stärker gefördert und bei zukünftigen Ausschreibungen mehr als bisher einbezogen werden . Konkrete Pläne der Landesregierung, die auf den Zielvereinbarungen des Waldpakts aufbauen , sind bislang nicht bekannt. Andere Länder gehen hier mit gutem Beispiel voran. Das Ministerium für Forstwirtschaft und Natur Luxemburgs ist ein besonders schönes Beispiel dafür , dass der Staat über die eigene Nachfrage enorme Möglichkeiten hat, das Bauen mit Holz zu fördern. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 3843 mit Schreiben vom 3. Juli 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10096 2 Vorbemerkung der Landesregierung Bei der Förderung des Holzbaus im Rahmen des Waldpaktes geht es nicht ursächlich um die kurzfristige Stützung der von einer schweren Krise betroffenen Forstwirtschaft. Vielmehr ist die Zielsetzung des Waldpaktes in die Zukunft gerichtet, damit angewandter Klimaschutz und - anpassung durch den vermehrten Einsatz des CO2-neutralen Rohstoffes Holz besser erreicht wird. Aber es geht auch um die Erhaltung der Biodiversität sowie um die Stärkung der Resilienz der Wälder. Die nachhaltige Forstwirtschaft soll durch den Waldpakt die Waldbesitzenden bei der Bekämpfung der Sturm-, Dürre- und Borkenkäferschäden bei der Entwicklung hin zu klimastabilen Wäldern unterstützen. Die Maßnahmen des Waldpaktes sind allerdings so gestaltet, dass sie eher mittelfristig als kurzfristig zu einer Entlastung des Holzmarkts beitragen werden. Das von den Fragestellern als vorbildlich vorgestellte Holzgebäude des Luxemburgischen Ministeriums für Forstwirtschaft und Natur in Diekirch wurde schon ausweislich der von NRW betriebenen Datenbank „Bauen-mit-Holz.NRW“ bereits im Jahr 2015 errichtet und mit dem Holzbaupreis Eifel, der vom Holzkompetenzzentrum Rheinland, dem Holzbau-Cluster Rheinland -Pfalz und dem Impulszentrum Holz & nachhaltiges Bauen (WFG Ostbelgien) in Kooperation mit dem Kreis Euskirchen und dem Netzwerk Wald und Holz Eifel e.V. ausgelobt wird, im Jahr 2016 ausgezeichnet. 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Waldpakts ergriffen, um den Einsatz des Rohstoffes Holz im Baubereich zu steigern? Folgende Maßnahmen der Landesregierung haben Auswirkungen auf den Einsatz des Rohstoffes Holz in der Holzwirtschaft: • Die Beteiligung des Landes an der Überarbeitung des Forstschäden-Ausgleichgesetzes (ForstSchAusglG), das in die Zuständigkeit des Bundes (Art. 74 Nr. 17 und Nr. 11 Grundgesetz - konkurrierende Gesetzgebung) fällt. Ein Eckpunktepapier für eine Novellierung des ForstSchAusglG soll im Laufe des Jahres 2021 vorliegen. • Die Überarbeitung der Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen extremer Wetterereignisse im Privat - und Körperschaftswald in Nordrhein-Westfalen (FöRL Extremwetterfolgen) haben zum Ziel, auch die Holzqualität möglichst lang zu erhalten, damit diese noch von der Holzindustrie stofflich genutzt werden können. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 verwiesen. 2. Wie hat sich der Anteil an Neubauten mit Holz in den letzten fünf Jahren in NRW entwickelt? Bitte auch Neubauten, die sich in Planung befinden, berücksichtigen. Mit dem Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW) bzw. der Landesbauordnung 2018 (BauO NRW 2018) ist ein Schritt unternommen worden, um das Bauen mit Holz in Nordrhein -Westfalen zu erleichtern und zukunftsfähig zu machen. Die BauO NRW 2018 ermöglicht die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffs Holz seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2019 nicht mehr nur bei Gebäuden mit bis zu drei Vollgeschossen (Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3), sondern auch bei Gebäuden mit vier oder fünf Vollgeschossen (Gebäude der Gebäudeklasse 4) und unter den in § 26 Absatz 3 BauO NRW 2018 genannten Voraussetzungen auch bei Gebäuden mit sechs oder sieben Vollgeschossen (Gebäude der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10096 3 Gebäudeklasse 5 mit Ausnahme von Hochhäusern). Nach der Statistik der Baufertigstellungen hat sich der Anteil der Wohngebäude, die durch die BauO NRW 2018 geregelt sind, wie folgt entwickelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die BauO NRW 2018 nur auf die Anzahl der fertiggestellten Wohngebäude im Jahr 2019 auswirken konnte: Fertiggestellte Wohngebäude nach Vollgeschossen und Baustoffen Wohngebäude (ohne Wohnheime) nach Anzahl der Vollgeschosse Wohngebäude mit 1 bis 3 Vollgeschossen Wohngebäude mit 4 oder 5 Vollgeschossen Wohngebäude mit 6 oder 7 Vollgeschossen Verwendeter Baustoff Anteil Holz Anteil Andere Anteil Holz Anteil Andere Anteil Holz Anteil Andere 2015 10,1 % 89,9 % 0,0 % 100,0 % 0,0 % 100,0 % 2016 10,3 % 89,7 % 0,3 % 99,7 % 0,0 % 100,0 % 2017 10,7 % 89,3 % 0,3 % 99,7 % 0,0 % 100,0 % 2018 11,4 % 88,6 % 0,3 % 99,7 % 0,0 % 100,0 % 2019 12,2 % 87,8 % 0,6 % 99,4 % 0,0 % 100,0 % Quelle: IT.NRW Statistisches Landesamt Eine amtliche Statistik der Neubauten, die sich in Planung befinden, existiert nicht. Es wird daher nachfolgend die Statistik der Baugenehmigungen wiedergegeben. Auch hier konnte sich die BauO NRW 2018 nur auf die Anzahl der genehmigten Wohngebäude im Jahr 2019 auswirken : Genehmigte Wohngebäude nach Vollgeschossen und Baustoffen Wohngebäude (ohne Wohnheime) nach Anzahl der Vollgeschosse Wohngebäude mit 1 bis 3 Vollgeschossen Wohngebäude mit 4 oder 5 Vollgeschossen Wohngebäude mit 6 oder 7 Vollgeschossen Verwendeter Baustoff Anteil Holz Anteil Andere Anteil Holz Anteil Andere Anteil Holz Anteil Andere 2015 10,5 % 89,5 % 0,5 % 99,5 % 0,0 % 100,0 % 2016 10,6 % 89,4 % 0,0 % 100,0 % 0,0 % 100,0 % 2017 11,8 % 88,2 % 0,0 % 100,0 % 0,0 % 100,0 % 2018 11,8 % 88,2 % 0,7 % 99,3 % 0,0 % 100,0 % 2019 12,4 % 87,6 % 0,5 % 99,5 % 0,0 % 100,0 % Quelle: IT.NRW Statistisches Landesamt Um Holz und das nachhaltige Bauen noch stärker in den Fokus des Bauwesens zu rücken, ist im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung im Dezember 2018 die Expertenkommission „Bauen mit Holz“ eingesetzt worden, die praktische Vorschläge entwickelt, wie das Bauen mit Holz und nachhaltiges Bauen insgesamt gefördert werden können. 3. Welche Gebäude im Eigentum des Landes NRW plant die Landesregierung unter Einsatz des Rohstoffes Holz neu zu bauen bzw. umzubauen? Für die Planung und Bauausführung von Gebäuden für das Land Nordrhein-Westfalen übernimmt der Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) die Funktion des Bauherrn. Im BLB NRW beschäftigt sich das Sonderprojekt zur nachhaltigen Ausrichtung des BLB NRW (SP NA) seit September 2019 intensiv mit dem Thema Holzbau. Eine systematische LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10096 4 Auswertung aller Bauvorhaben anhand der Bauweise ist jedoch nicht möglich. Beispielhaft werden aktuell folgende Projekte in Holzbauweise bearbeitet: Das neue Unterkunftsgebäude/Studentenwohnheim der Fachhochschule für Recht in Bad Münstereifel ist als Pilotprojekt identifiziert worden, das sich wegen seines seriellen Charakters ideal für eine Holzmodulbauweise anbietet. Das Projekt befindet sich z. Zt. in der Ausschreibung zur Gewinnung eines Generalplaners. Die Beauftragung und damit endgültige Festlegung der Ausführung ist im 3. Quartal 2020 geplant. Gleichzeit sollen anhand des Projektes Erfahrungen mit der Verwendung von Recyclingbeton und der Planung im sog. BIM (Building Information Modeling)-Modell erlangt werden. Der BLB NRW begleitet weiterhin im Rahmen des Erlasses des Ministeriums der Finanzen zur BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen)-Zertifizierung den Nachhaltigkeitsprozess für den Neubau des Fischereiökologiezentrums des Landesamtes für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) in Kirchhundem-Albaum. Hier ist eine Ausführung in Holzhybridbauweise geplant. Weitere fachliche Anfrage zur Umsetzung in Holzbauweise bezogen sich u. a. auf Unterkunftsgebäude der Bundeswehr. 4. Beabsichtigt die Landesregierung, ein Förderprogramm für das Bauen mit Holz für den privaten als auch den öffentlichen Bereich aufzulegen? (Antwort bitte begründen ). Im Rahmen der Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung erstmals seit diesem Jahr ein Zusatzdarlehen für das „Bauen mit Holz“ eingeführt (Nr. 2.5.2.9 der Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB)). Das Zusatzdarlehen gilt für den Neubau und die Neuschaffung im Bestand von geförderten Mietwohnungen und Studierendenwohnheimen sowie den Neubau oder den Ersterwerb von selbst genutztem Wohnraum. Das Bauvorhaben muss einen deutlichen Anteil an Holz vorweisen, der über den Anteil bei konventionell in Stein errichteten Gebäuden hinausgeht (z. B. Hybridbauten oder Massivholzgebäude ). Das Darlehen beträgt bis zu 0,80 €/kg Holz, maximal 15.000 Euro je Wohneinheit mit einem Tilgungsnachlass von bis zu 50 %. Alle als Bestandteil der Leistung verwendeten Holzprodukte müssen nach dem Program for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC) oder des Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein oder die für das jeweilige Herkunftsland geltenden Kriterien des PEFC oder des FSC einzeln erfüllen. Eine Gleichwertigkeit anderer Zertifikate muss durch das Bundesamt für Naturschutz bestätigt werden. Im Rahmen des Programmaufrufes zur Städtebauförderung 2021 in Nordrhein-Westfalen wird dargelegt, dass die Finanzhilfen des Bundes und des Landes in allen Programmen insbesondere auch für Maßnahmen des Klimaschutzes, zur Anpassung an den Klimawandel und zur Verbesserung der grünen Infrastruktur (u.a. energetische Gebäudesanierung, Bodenentsiegelung , Flächenrecycling, klimafreundliche Mobilität, Nutzung klimaschonender Baustoffe, Schaffung/Erhalt oder Erweiterung von Grünflächen und Freiräumen, Vernetzung von Grünund Freiflächen, Begrünung von Bauwerksflächen, Erhöhung der Biodiversität) eingesetzt werden können. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte sich für eine entsprechende Öffnung in der Verwaltungsvereinbarung zur Städtebauförderung eingesetzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10096 5 5. Was unternimmt die Landesregierung, um den Bereich der Forschung zur Nutzung von Laubholz im Baugewerbe voranzubringen? Die Gründung des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft des Landesbetriebs Wald und Holz NRW ist auch als Bestandteil des Waldpaktes „Klimaschutz für den Wald - unser Wald für den Klimaschutz“ zu verstehen. Ein Ziel der Umorganisation im Landesbetrieb ist auch die stoffliche Verwendung von Laubholz im Bausektor in der Forschung voranzutreiben, besser zu unterstützen und auszuweiten. Ferner erarbeitet die proHolz.NRW Clusterinitiative des MULNV in einem offenen, partizipativen Prozess unter Beteiligung aller Stakeholder Anforderungen an die Weiterentwicklung des Clusters Forst und Holz. Dies geschieht durch Moderation eines externen Dienstleisters, der die Erwartungen und Anregungen des derzeitigen Diskussionsprozesses aufgreift und in einem Aktionsplan verdichtet. Ergebnisse dieses Prozesses sollen gegen Jahresende vorgestellt werden. Auf einer Veranstaltung von proHolz.NRW wurde die regionale Rohstoffversorgung auch des Laubholzes diskutiert. Derzeitige und künftig neue Verarbeitungswege wurden vorgestellt und Marktmöglichkeiten aufgezeigt. Die Fachhochschule (FH) Aachen errichtet derzeit in Simmerath/Eifel ein Zentrum für die Holzbauforschung . Das Projekt hat ein Gesamtvolumen von 10,6 Mio. € und wird über die Initiative „Forschungsinfrastrukturen“ durch das Land Nordrhein-Westfalen und den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Ziel ist es, die Forschung unter anderem in der Laubholzverwendung weiter auszubauen. Mit dem Förderprogramm „Holz Wissen“, dass sich an Studentinnen und Studenten der Fachrichtungen Architektur, Stadtplanung/Städtebau, Bau- und Holzingenieurwesen, Umweltingenieurwissenschaften , Design, Holztechnik sowie Ressourcenoptimierung, Umwelttechnik und Ressourcenmanagement richtet, soll bereits in der Ausbildung das Wissen über den Werkstoff Holz, seine Einsatzmöglichkeiten sowie praxisgerechte Anwendung am und im Bau vermittelt werden. Die Projektförderung dient vornehmlich der Ausbildung von Einzelnen oder Gruppen von Studierenden zum besseren Verständnis des Bau- und Werkstoffes Holz.