LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10099 06.07.2020 Datum des Originals: 30.06.2020/Ausgegeben: 10.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3738 vom 25. Mai 2020 der Abgeordneten Berivan Aymaz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/9440 Abschiebungen während der Corona-Pandemie Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Pandemie hat viele Länder fest im Griff, viele nationale Gesundheitssysteme stehen am Rande ihrer Belastungsgrenze. Auch der internationale Flugverkehr wurde ausgesetzt. Aus diesem Grunde haben das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und später auch das Bundesinnenministerium bereits Dublin-Überstellungen in andere EU-Länder ausgesetzt. Nach Einschätzung des BAMF sind angesichts der wegen der Corona-Krise geschlossenen Grenzen und Reiseverbote in Europa Dublin-Überstellungen nicht vertretbar12. Auch NRW- Flüchtlingsminister Stamp sagte, dass auch alle anderen Abschiebungen praktisch eingestellt seien und […] „in Abhängigkeit von der Haltung des Zielstaates“ nur in Ausnahmefällen stattfänden . „Mit der Wiederaufnahme von Rückführungen und Rücküberstellungen kann nicht kurzfristig gerechnet werden.“, äußerte sich der NRW-Flüchtlingsminister3. Dennoch setzte die Landesregierung Abschiebungen aus NRW grundsätzlich nicht aus. In welchen Ländern wegen unterbrochenen Flugverbindungen oder Grenzschließungen Einreisebeschränkungen vorliegen und ob Abschiebungen zumindest theoretisch erfolgen oder unmöglich sind, stellt eine Grundübersicht dar, die vom Auswärtigen Amt in Zusammenarbeit mit dem Bundespolizeipräsidium (BPOLP) (Stand: 25.03.2020) erarbeitet worden ist4. Aufgrund der sich täglich ändernden Situation ist jedoch davon auszugehen, dass der Stand vom 25.03.2020 veraltet ist. Laut dieser Liste und gemäß einschlägigen Berichten zufolge scheinen Rückführungen in Zeiten der Corona-Pandemie in besonders vielen Fällen unmöglich oder zumindest stark beeinträchtigt zu sein. Erst kürzlich berichtete die Tagesschau über einen organisatorisch aufwändigen und folglich kostenintensiven Versuch, eine Frau nach Togo abzuschieben5. Bremen 1 https://www.asyl.net/view/detail/News/bamf-setzt-wegen-corona-krise-dublin-ueberstellungen-aus/ 2 https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/corona-abschiebungen-103.html 3 https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/nrw-schafft-platz-fuer-tausende-fluechtlinge_aid- 50162101 4 https://www.frnrw.de/fileadmin/frnrw/media/Corona/2020-03-25_Laenderliste_Beschraenkungen _fuer_Einreise_und_Rueckfuehrung.pdf 5 https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/abschiebungen-corona-101.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10099 2 und Sachsen entschieden sich daher für einen generellen Abschiebestopp, Bayern und Schleswig-Holstein reduzierten ihren Abschiebungsvollzug auf Straftäter6. Darüber hinaus gelten Corona-bedingte Verfügungen, bei deren Einhaltung der Vollzug von Rückführungen nahezu unmöglich ist. Die NRW Landesregierung erließ bspw. am 23. März ein Kontaktverbot, das zunächst grundsätzlich eine Ansammlung von mehr als drei Personen grundsätzlich verbietet, um die Gefahr der Corona-Pandemie für die Bevölkerung zu minimieren , die jedoch mittlerweile etwas gelockert wurde. Diese Bestimmungen sind selbstverständlich auch für Rückführungsprozesse gültig, um den Schutz von Behördenvertretenden und Betroffenen zu jedem Zeitpunkt zu garantieren. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3738 mit Schreiben vom 30. Juni 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Für wie viele Personen waren Abschiebungen über Flughäfen in NRW seit den in Kraft getretenen Corona bedingten Einschränkungen seit Montag dem 23.3. bis jetzt geplant (bitte nach Zielstaaten, geplantem Abschiebungsdatum, und nach erfolgter oder nicht erfolgter Abschiebung aufschlüsseln)? 2. Wie viele geplante Abschiebungen mussten wegen Corona bedingtem organisatorischem Mehraufwand abgesagt werden? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Statistische Daten im Sinne der Fragestellungen liegen der Landesregierung nicht vor und können von ihr auch nicht erhoben werden, da über die Flughäfen in NRW auch Abschiebungen anderer Bundesländer geplant und durchgeführt werden. Corona bedingte Flugstornierungen wurden im Übrigen überwiegend aufgrund der Haltung der Zielstaaten (z.B. Ablehnung von Sammelrückführungen per Charter) oder wegen faktisch fehlender Flugverbindungen erforderlich. 3. Wie viele von Abschiebung betroffenen Personen sind nach RKI-Kriterien einer sogenannten Corona- Risikogruppe zuzuordnen (Bitte nach Risikofaktoren aufschlüsseln )? Statistische Daten im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Die medizinische Beurteilung, ob eine von Abschiebung betroffene Person flug- bzw. reisefähig ist, wird im Vorfeld der Maßnahme ärztlich festgestellt. In diesem Rahmen werden auch ggf. individuell erforderliche Schutzvorkehrungen getroffen. 4. Welche Hygiene- und Schutzmaßnahmen werden am Flughafen und während des Fluges bei einer Abschiebung für Behördenvertretende und Betroffene ergriffen (Bitte aufschlüsseln nach Verfügbarkeit von Masken, Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel , Einhaltung von Abstandsregeln für Behördenvertretende und Betroffene )? 6 (ebd.) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10099 3 Alle Beteiligten werden im Vorfeld der Maßnahme über die Standardregeln zur Verhütung der Ausbreitung des Corona-Virus informiert und angehalten, diese zu befolgen. Sie werden mit Mund-Nasen-Schutz und Einmalhandschuhen ausgestattet. Mittel zur Hand- und Flächendesinfektion werden vorgehalten. Bei allen rückzuführenden Personen erfolgt am Flughafen ein Thermoscreening mit Hilfe eines mobilen Fieberthermometers. Bei unklaren Fällen entscheidet abschließend der Flugarzt bzw. die Flugärztin über eine Beförderung. Zur Abstandswahrung während des Fluges erfolgt jeweils nur eine Teilauslastung der vorhandenen Sitzplatzkapazitäten . 5. Wie viele Personen aus NRW befinden sich derzeit in der Abschiebehaft UfA Büren und in der rheinland-pfälzischen Abschiebehaft in Ingelheim (bitte aufschlüsseln nach Zielländern)? Mit Stand 15.06.2020 sind in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren 21 Personen, davon 20 aus NRW, untergebracht. Die Zielstaaten verteilen sich wie folgt: Zielstaat Personen Afghanistan 1 Albanien 10 Georgien 1 Ghana 1 Indien 1 Libanon 1 Mazedonien 2 Moldawien 1 Nigeria 1 Somalia 1 Türkei 1 Gesamtergebnis 21 Zum gleichen Stichtag befindet sich eine weibliche Untergebrachte aus NRW in der rheinlandpfälzischen Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige (GfA) in Ingelheim. Die Betroffene soll nach Ghana abgeschoben werden.