LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10165 08.07.2020 Datum des Originals: 08.07.2020/Ausgegeben: 14.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3851 vom 8. Juni 2020 des Abgeordneten Gordan Dudas SPD Drucksache 17/9778 Spendenausfälle bei Kinder- und Jugendhospizen in der Corona-Krise Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Familien mit sterbenskranken Kindern befinden sich in einer unvorstellbar schwierigen Situation . Die Empfindungen der Betroffenen sind kaum in Worte zu fassen. Umso wichtiger ist es, die letzte gemeinsame Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten und die Familien zu begleiten . Kinder- und Jugendhospize bieten Familien mit unheilbar erkrankten Kindern eine wertvolle Hilfe, die Beschäftigten in den Hospizen leisten mit viel Empathie alles Menschenmögliche für die Betroffenen und ihre Familien. Daher verdienen alle Mitarbeiter/-innen unseren vollsten Respekt für diese Arbeit. Die Arbeit eines Kinder- und Jugendhospizes wird nur zu etwa 50% der entstehenden Kosten über die Pflegekassen finanziert, die restlichen 50% (und das sind jedes Jahr pro Einrichtung ca. 1 Mio. Euro) müssen über Spenden finanziert werden. Doch in der aktuellen Corona-Pandemie sind die Spenden wie in vielen anderen Bereichen auch für die Kinder- und Jugendhospize drastisch zurückgegangen. Zuletzt gab es Berichte auch in der Presse, dass etwa das Kinderhospiz in Olpe in Südwestfalen entsprechende Rückgänge bei den Spenden zu verzeichnen hat. Feiern und Veranstaltungen, bei denen Spenden gesammelt werden sollten, fallen meist aus, Spenderinnen und Spender, darunter auch Unternehmen, stellen die Spenden aus finanzieller Not ein. Daher geraten die Kinder- und Jugendhospize mit ihrer wichtigen Arbeit bedingt durch die Pandemie nun ebenfalls in finanzielle Probleme. Zudem erhalten die Kinder- und Jugendhospize unabhängig von der aktuellen Corona-Pandemie je nach Bundesland sehr unterschiedliche Tagessätze, in NRW liegen die Tagessätze etwa für die Kinder- und Jugendhospize Wuppertal, Düsseldorf und Olpe (für gleiche Arbeit) im unteren Drittel und damit erheblich unter denen in anderen Bundesländern. In Stuttgart, Wilhelmshaven oder Hamburg liegen die Tagessätze für die Kinder- und Jugendhospize im Vergleich deutlich höher. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10165 2 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 3851 mit Schreiben vom 8. Juli 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister der Finanzen beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung In Deutschland leben ca. 23.000 Kinder und Jugendliche mit lebensbedrohlichen oder lebenslimitierenden Erkrankungen, oftmals einhergehend mit schwersten Behinderungen und hohem Pflegebedarf. Von ihnen sterben jedes Jahr zwischen 1.500 und 3.000, davon 550 an Krebs. Oftmals handelt es sich um chronisch fortschreitende Erkrankungen, z.B. neurologische, neuromuskuläre oder Stoffwechselerkrankungen, auch angeboren, bei denen ein früher Tod unvermeidlich ist. Wenn Kinder lebensverkürzend erkranken, stellt dies das ganze Familiensystem sowie die Begleitenden vor ganz besondere Herausforderungen. Kinderhospize bieten Begleitung ab der Diagnose der unheilbaren Erkrankung bis zum Lebensende (Finalphase) an. Bei lebensverkürzend erkrankten Kindern kann die Begleitung daher auch Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern. Ein Aufenthalt dient einer hospizlichen Begleitung und einer Stabilisierung in Krisensituationen, gleichzeitig aber auch der ganzen Familie zur Entlastung von Pflege und Alltag. In Nordrhein-Westfalen haben die Landesverbände der Krankenkassen mit fünf Hospizen in Bielefeld, Düsseldorf, Krefeld, Olpe und Wuppertal einen Versorgungsvertrag über die hospizliche Begleitung von Kindern und Jugendlichen auf Grundlage von § 39a SGB V i. V. m. § 72 SGB XI geschlossen. Zudem gibt es eine Kurzzeitpflegeeinrichtung mit hospizlicher Ausrichtung in Gelsenkirchen auf der Grundlage eines Versorgungsvertrags nach § 42 i. V. m. § 72 SGB XI. 1. Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle wirtschaftliche Situation der Kinderund Jugendhospize in Nordrhein-Westfalen? Als Folge der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie (Covid- 19) ist es – wie auch bei anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens – zum Teil zu einem Rückgang der Einnahmen durch den Ausfall von Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen mit ihren Familien und gleichzeitig zu Mehrkosten, z.B. für persönliche Schutzausrüstung gekommen . Deren Ausgleich übernehmen die Krankenkassen nach § 150 Absatz 2 SGB XI (vgl. Antwort zu Frage 2). Neben der Ausstattung und den Leistungen, die von den Krankenkassen übernommen werden , halten die Kinder- und Jugendhospize oftmals auch zusätzliche psychosoziale Angebote (z.B. Elternbegleitung) und räumliche Ausstattungen (z.B. Therapiebad, deutlich größere Liegenschaft als von der Vereinbarung gefördert) vor, die nicht nach § 39a SGB V erstattungsfähig sind. Die Kosten für diese zusätzlichen Leistungen werden von den Hospizen über Spenden finanziert. Sie können im Einzelfall bis zur Hälfte der gesamten Betriebskosten betragen. Der Landesregierung liegen Hinweise vor, dass die Spendeneinnahmen während der Corona- Pandemie zurückgegangen sind, da Veranstaltungen zur Akquise von Spenden aufgrund des Ansteckungsrisikos oder aufgrund von Abstandsregelungen nicht durchgeführt werden konnten . Jedoch wird auch berichtet, dass stationäre und ambulante Hospizdienste in der durch die Covid-19 Pandemie entstandenen besonderen Situation kreativ neue Wege gefunden haben , um das Anwerben von Spenden auch weiterhin, zumindest teilweise, zu ermöglichen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10165 3 (z.B. Masken nähen, digitale Kommunikation, digitale Veranstaltungen, Präsenz in den Medien ). 2. Wird die Landesregierung die Kinder- und Jugendhospize unter den Rettungsschirm nehmen, um ihnen in der finanziellen Notlage zu helfen? Zur Bewältigung der vielfachen Herausforderungen in der Covid-19-Pandemie, gerade mit Blick auf die wirtschaftliche Situation, hat der Bundesgesetzgeber im zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 Kostenerstattungen für außerordentliche Aufwendungen sowie Mindereinnahmen, die nicht anderweitig finanziert werden, für Pflegeeinrichtungen und damit auch für stationäre Hospize vorgesehen (§150 Absatz 2 SGB XI). Die Kosten für die Hospize tragen zu 20% die Pflegekassen und zu 80 % die Krankenkassen. Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen werden zudem gemäß § 150a SGB XI verpflichtet, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Covid-19-Pandemie eine einmalige Sonderleistung zu zahlen (Corona- Prämie). Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen erhalten im Wege der Vorauszahlung von der sozialen Pflegeversicherung den Betrag, den sie für die Auszahlung der genannten Corona- Prämien benötigen, erstattet. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, die Corona-Prämie mit Landesmitteln in der sich aus § 150a Absatz 9 SGB XI genannten Höhe aufzustocken. Der Landtag hat am 24. März 2020 im Nachtragshaushaltsgesetz – sogenanntes NRW-Rettungsschirmgesetz – Ausgabemittel zur Leistung als Soforthilfe, u.a. zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung, für Bereiche beschlossen, die nicht von den Schutzschirmen auf Bundesebene erfasst werden. Erst im weiteren Verlauf der Covid-19-Pandemie wird erkennbar sein, ob ein Bedarf für Maßnahmen der Landesregierung für die stationären Kinder- und Jugendhospize im Rahmen der Soforthilfe besteht. Das zuständige Ministerium hat Kontakt zu den Kinder- und Jugendhospizen aufgenommen, um sich im Rahmen eines geplanten Termins über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf deren wirtschaftliche Lage zu informieren. 3. Wie bewertet die Landesregierung die unterschiedlichen Tagessätze für die Kinderund Jugendhospize je nach Bundesland? Nach § 39a Absatz 1 SGB V haben unheilbar erkrankte Kinder/Jugendliche/junge Erwachsene mit einer verkürzten Lebenserwartung von Tagen, Wochen und Monaten bis zum vollendeten 27. Lebensjahr Anspruch auf einen Zuschuss zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativmedizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder in der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann. Die Krankenkasse trägt die zuschussfähigen Kosten unter Anrechnung der Leistungen nach dem SGB XI zu 95 Prozent. In einer Rahmenvereinbarung nach § 39a Absatz 4 Satz 1 SGB V haben der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der stationären Hospize maßgeblichen Spitzenorganisationen bundesweit geltende Standards zum Leistungsumfang und zur Qualität der zuschussfähigen Leistungen u.a. über Orientierungsgrößen zur Personalausstattung und -qualifizierung sowie zu Betriebs- und Investitionskosten für die stationären Kinder- und Jugendhospize festgelegt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10165 4 Anhand dieser Standards werden die Tagesätze zwischen der jeweiligen Einrichtung und den Landesverbänden der Krankenkassen auf Basis der individuell entstehenden Kosten vertraglich vereinbart. Er liegt zwischen rund 500 Euro und 750 Euro in den fünf Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Differenzen der Tagessätze entstehen durch individuell anfallende Kosten für Personal und Mieten sowie Abweichungen von den Kalkulationsgrößen (z.B. Platzzahlen und durchschnittliche jährliche Auslastung). Höhere Kosten zum Unterhalt einer Liegenschaft , z. B. in Ballungszentren wie Hamburg oder Stuttgart, werden daher über einen höheren Tagessatz von den Krankenkassen gefördert. Auch eine über dem Kalkulationswert von 8 Plätzen liegende Platzzahl bedingt einen niedrigeren Tagessatz, da wegen des wirtschaftlicheren Einsatzes des Personals keine lineare Fortschreibung der Orientierungsgrößen mit steigender Platzzahl erfolgt. Unterschiedliche Tagessätze beruhen daher nicht auf unterschiedlichen Vereinbarungen in den Bundesländern, sondern basieren auf den individuellen Bedingungen des jeweiligen Hospizes . 4. Welche Maßnahmen bestehen für das Land, die Kinder- und Jugendhospize zukünftig besser finanziell zu unterstützen? Mit den Hospiz- und Palliativtagen 2017 wurde den hospizlichen Einrichtungen landesweit Material zur Öffentlichkeitsarbeit (Flyer, Plakate) überlassen, um so individuell über die Hospizarbeit aufzuklären und z.B. Veranstaltungen, die zur Akquise von Spenden dienlich sind, anzukündigen und zu bewerben. Zu den Welthospiztagen im Oktober 2020 und im Oktober 2021 soll den Einrichtungen dafür geeignetes Material erneut von der Landesregierung zur Verfügung gestellt werden. Über die Ansprechstellen für Hospizarbeit, Palliativversorgung und Angehörigenbegleitung des Landes Nordrhein-Westfalen (ALPHA NRW) werden den Einrichtungen der Hospiz- und Palliativversorgung Handreichungen, Checklisten, aktuelle Empfehlungen, Beratungen und Hinweise zu den möglichen Strukturen der Versorgung zur Verfügung gestellt. Die hospizliche Versorgung von Kinder und Jugendlichen gehört zu den Schwerpunktthemen. Angehörige der Landesregierung nehmen regelmäßig Termine bei den Veranstaltungen der Kinder- und Jugendhospize wahr, um öffentlichkeitswirksam die Arbeit und ehrenamtlichen Leistungen der Einrichtungen herauszustellen.