LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10166 09.07.2020 Datum des Originals: 08.07.2020/Ausgegeben: 15.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3841 vom 8. Juni 2020 der Abgeordneten Christian Loose und Nic Vogel AfD Drucksache 17/9632 Gefährden Elektrofahrzeuge die gesicherte Stromversorgung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Bundesregierung stellt sich in ihrem Regierungsprogramm „Elektromobilität“ die Aufgabe, zu erwirken, dass bis zum Jahre 2020 eine Million E-PKW auf den deutschen Straßen fahren. Diese Zahl soll bis zum Jahre 2030 auf über sechs Millionen entsprechender Fahrzeuge gesteigert werden.1 Der bisherige Stand der kumulierten Neuzulassungen in Deutschland liegt nach Angabe des Verbands der Autoindustrie bei etwa 308.000 „Elektro“-PKW, von denen allerdings nur 55 Prozent rein batterieelektrische Fahrzeuge sind. Zum Stand 1. Januar 2020 habe der Bestand bei etwa 239.000 Elektro-PKW gelegen.2 Das Kraftfahrtbundesamt machte allerdings keine Angaben zur Differenz zwischen den kumulierten Neuzulassungen von „Elektro“-PKW und ihrem festgestellten Bestand.3 Vor dem Hintergrund einer möglicherweise weiter steigenden Zahl von Elektro- Neuzulassungen steigen die Ansprüche an eine Ladeinfrastruktur für Elektro-PKW. Für das Jahr 2020 hat die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) einen Bedarf von 70.000 öffentlichen Ladepunkten und zudem 7.100 Schnellladesäulen ermittelt.4 Die Bundesnetzagentur führt in ihrer Ladesäulenkarte (Stand 02.03.2020) allerdings nur etwa 13.500 öffentlich zugängliche Ladepunkte auf.5 1 https://www.bmbf.de/files/programm_elektromobilitaet(1).pdf, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. 2 https://www.vda.de/de/themen/innovation-und-technik/elektromobilitaet/elektromobilitaet-indeutschland .html, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. 3 https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/elektroautos-jedes-zweite-autoverschwindet -aus-der-statistik-a-1086598.html, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. 4 http://nationale-plattform-elektromobilitaet.de/themen/ladeinfrastruktur/, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. 5 https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/ Unternehmen_Institutionen/HandelundVertrieb/Ladesaeulenkarte/Ladesaeulenkarte_node.html, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10166 2 Bereits im Juli 2018 warnte Siemens vor einer unüberlegten Integration der E-Mobilität in den Städten6, und im November 2019 teilten Stromnetzbetreiber aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien mit, dass sie den Ladestrom an privaten Ladestationen beschränken werden, damit es zu Spitzenzeiten nicht zur Überlastung der Verteilernetze kommt. 7 Die Inlandsfahrleistung für die Fahrzeuggruppe der E-PKW betrug laut einer Erhebung der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahre 2014 insgesamt etwa 600.000 km, was einer mittleren Fahrleistung von etwa 13.500 km pro PKW entspricht.8 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 3841 mit Schreiben vom 8. Juli 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Der Landesregierung ist es ein Anliegen, sich der Herausforderung des Hochlaufs der Elektromobilität und seiner Auswirkung auf die Stromverteilnetze rechtzeitig und unter Berücksichtigung der weiteren Einflussfaktoren zu stellen. Die erste Verteilnetzstudie NRW aus dem Jahr 2014 hatte sich noch auf die Netzintegration des Ausbaus der Erneuerbaren Energien fokussiert und keine Aussagen zum Hochlauf der Elektromobilität enthalten. Daher hat die Landesregierung eine neue Verteilnetzstudie im April 2020 beauftragt. Das „Gutachten zur Weiterentwicklung der Strom-Verteilnetze in Nordrhein- Westfalen auf Grund einer fortschreitenden Sektorenkopplung und neuer Verbraucher“ wurde an ef.ruhr/TU Dortmund mit EVT/Bergische Universität Wuppertal und IAEW/RWTH Aachen vergeben. Sobald im Jahr 2021 Ergebnisse vorliegen wird der Landtag über diese informiert. Dies vorausgeschickt, werden die Fragen wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Elektro-PKW der EG-Fahrzeugklassen M (Aufgeschlüsselt nach M1, M1G, M2 und M3) sind derzeit in NRW zugelassen? Zum 01.01.2020 waren nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts (KBA) in Nordrhein- Westfalen 25.647 Elektro-PKW zugelassen. Eine Auswertung nach Fahrzeugklassen (M1, M1G, M2, M3) findet beim KBA nicht statt. 6 https://bizz-energy.com/mehr_ladesaeulen_siemens_warnt_vor_stromausfaellen_staedten, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. 7 https://www.focus.de/auto/elektroauto/drohende-ueberlastung-der-stromnetze-ab-2021-koenntestrom -fuer-elektroautos-rationiert-werden_id_11388030.html, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. 8 https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Publikationen/DaFa/2018-2017/2017-04.html, abgerufen am 04.06.2020 um 15:00 Uhr. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10166 3 2. Welcher Gesamtstrombedarf der Elektro-PKW in NRW entsteht bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung (etwa 13.500 km pro PKW)? Bei einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 15,97 kWh/100 km und einer Jahresfahrleistung von 13.500 km je Pkw entsteht für die am 01.01.2020 vom KBA erfassten 25.647 Elektro-PKW in Nordrhein-Westfalen ein Gesamtstrombedarf von 55,29 GWh im Jahr. Zur Einordnung: Der Gesamtstromverbrauch aller Verbrauchergruppen in Nordrhein- Westfalen betrug 2015 rund 140.000 GWh. 3. Wie viele öffentlich zugängliche Ladepunkte, aufgeschlüsselt nach Leistungsklassen in kW, stehen derzeit in NRW zur Verfügung? In Nordrhein-Westfalen gibt es 7.890 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Die Ladepunkte lassen sich in die folgenden Leistungsklassenaufschlüsseln: 1.065 Ladepunkte mit bis zu 3 kW, 764 Ladepunkte mit 11 kW, 5.497 Ladepunkte mit 22 kW, 489 Ladepunkte mit bis zu 50 kW und 75 Ladepunkte mit 120-150 kW (Stand: 03.06.2020). 4. Welche Gesamtladeleistung in GW muss sichergestellt werden, wenn alle vorhandenen Elektro-PKW in NRW gleichzeitig geladen werden würden? Bei einer Ladeleistung von 3,5 kW je Ladepunkt läge die Gesamtladeleistung für 25.647 Elektrofahrzeuge in Nordrhein-Westfalen bei 0,0898 GW. 5. Welche Gesamtladeleistung in GW wäre nötig, wenn alle Benzin- und Diesel-PKW in NRW durch äquivalente Elektro-Fahrzeuge ersetzt und nur 10% dieser Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden würden? Laut KBA waren am 01.01.2020 in Nordrhein-Westfalen 11.768.796 Pkw (Benzin und Diesel) zugelassen. Würden 10 % dieses Fahrzeugbestands gleichzeitig mit einer Ladeleistung von 3,5 kW je Ladepunkt geladen, wäre eine Gesamtladeleistung von 4,12 GW notwendig.