LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10220 20.07.2020 Datum des Originals: 20.07.2020/Ausgegeben: 24.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3917 vom 30. Juni 2020 der Abgeordneten Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/9981 Wie weit geht die Privatschulfreiheit in NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Schulen in freier Trägerschaft sind fester Bestandteil der Schullandschaft in NRW. Entscheidend für die Genehmigung von Schulen in freier Trägerschaft ist es, dass sie öffentlichen Schulen in ihren Lehrzielen, in der Qualität der Abschlüsse und der Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht nachstehen sowie nicht zur Sonderung der Schülerinnen und Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern führen. In Nordrhein-Westfalen gibt es zahlreiche Ersatzschulen, Schulen in freier Trägerschaft, die gemäß ihrer Schulkonzepte auf Ziffernnoten in bestimmten Jahrgängen verzichten und auf andere Formen der Leistungsrückmeldungen setzen. Dazu gehören u.a. ausführliche Lernentwicklungsberichte und Kompetenzraster. Die Entscheidung über die Art und Weise der Beurteilung und Bewertung der Schülerinnen und Schüler gehört zu dem pädagogischdidaktischen Kernbereich einer Schule. Dabei ist jeweils zu gewährleisten, dass Schülerinnen und Schüler bei Abgangszeugnissen, z.B. beim Übergang in andere Schulen und auch bei Abschlusszeugnissen auch Ziffernnoten erhalten. Viele Ersatzschulen nehmen freiwillig an zentralen Abschlussprüfungen teil, um sich bewusst einem Monitoring der Leistungsergebnisse im Vergleich zu staatlichen Schulen zu stellen. Immer wieder gibt es Schwierigkeiten für Schulen in freier Trägerschaft, die Genehmigung zu erhalten, auf Ziffernnoten bis zur Klasse 8 verzichten zu können. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3917 mit Schreiben vom 20. Juli 2020 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Nach § 100 Abs. 4 Schulgesetz NRW (SchulG) haben genehmigte Ersatzschulen das Recht, mit gleicher Wirkung wie öffentliche Schulen Zeugnisse zu erteilen, Abschlüsse zu vergeben und unter Vorsitz einer staatlichen Prüfungsleiterin oder eines staatlichen Prüfungsleiters LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10220 2 Prüfungen abzuhalten. Die diesbezüglichen Vorschriften für öffentliche Schulen gelten auch für die Ersatzschulen unmittelbar, d. h. genehmigte Ersatzschulen sind unzweifelhaft unter anderem in Angelegenheiten der Notengebung öffentlichen Schulen gleichgestellt und im Rahmen des sogenannten Berechtigungswesens an dieselben Regelungen gebunden. Dort, wo im öffentlichen Schulbereich in der jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnung eine Notengebung nicht vorgesehen ist oder aber darauf verzichtet werden kann, gilt dies entsprechend auch für genehmigte Ersatzschulen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass entgegen der Vorbemerkung der Fragestellerin die Teilnahme an zentralen Abschlussprüfungen nicht freiwillig ist. Vielmehr nehmen aufgrund von § 30 Absatz 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I alle Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 der öffentlichen und der als Ersatzschulen genehmigten Hauptschulen Realschulen, Gesamtschulen und Sekundarschulen (pflichtweise) an den Prüfungen teil. Von den in § 100 Abs. 4 SchulG geregelten Rechten und Pflichten genehmigter Ersatzschulen sind lediglich die Ersatzschulen eigener Art im Sinne des § 100 Absatz 6 SchulG ausgenommen. Hierbei handelt es sich um Ersatzschulen, die aus pädagogischen Gründen auf Zeugnisse und Noten verzichten wollen. Der Begriff „besondere pädagogische Reformgedanken" im Sinne des § 100 Abs. 6 SchulG bezieht sich darauf, dass die Ersatzschule aufgrund ihres pädagogischen Konzepts von den für öffentliche Schulen geltenden schullaufbahnrechtlichen Vorschriften abweichen und sich darauf beschränken möchte, die Schülerschaft bis zum Ende des Ausbildungsgangs zu einer mit öffentlichen Schulen gleichwertigen Qualifikation zu führen ohne nach § 100 Abs. 4 SchulG mit hoheitlichen Funktionen beliehen zu werden. Der Erwerb der Schulabschlüsse unterliegt für diese Schulen gesonderten Regelungen. 1. Welche schulrechtlichen und inhaltlichen Vorgaben muss eine Schule erfüllen, damit sie bis zur Klasse 8 auf Ziffernnoten verzichten und alternative Formen der Beurteilung und Leistungsbewertung anwenden darf? 2. Inwieweit darf das Land Nordrhein-Westfalen unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gebotenen Privatschulfreiheit die pädagogische Freiheit der Ersatzschulen einschränken? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammen beantwortet. Will ein Ersatzschulträger aus pädagogischen Gründen auf Zeugnisse und Noten verzichten, ist dies mit dem Status einer beliehenen Ersatzschule nach § 100 Absatz 4 SchulG nicht vereinbar. Schulen in freier Trägerschaft, die besondere pädagogische Reformgedanken verwirklichen, können nach § 100 Absatz 6 SchulG als Ersatzschulen eigener Art genehmigt werden. Mit dem Antrag auf Genehmigung als Ersatzschule eigener Art ist die angestrebte Reformpädagogik einschließlich der damit verbundenen Abweichungen von § 100 Absatz 4 SchulG bezeichneten Vorschriften durch den Schulträger darzulegen. Einer Ersatzschule kann grundsätzlich zugestanden werden, Notenzeugnisse durch Berichtszeugnisse zu ergänzen. Eine Ersetzung von Notenzeugnissen durch Berichtszeugnisse wäre jedoch nur bei einer Ersatzschule eigener Art (§ 100 Abs. 6 SchulG) statthaft. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10220 3 3. Welche Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen verzichten seit wann auf die Vergabe von Ziffernnoten in welchen Jahrgängen? 4. Wie vielen Ersatzschulen ist die Genehmigung auf Verzicht der Vergabe von Ziffernnoten versagt worden? 5. Aus welchen Gründen wurden Ersatzschulen bislang die Genehmigungen zur Vergabe von Ziffernnoten versagt? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 bis 5 zusammen beantwortet. Entsprechende Daten wurden jedenfalls in den vergangenen fünf Jahren von der Landesregierung nicht erhoben. Eine nachträgliche Sonderaufstellung war in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Aufwand nicht durchzuführen.