LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1028 24.10.2017 Datum des Originals: 23.10.2017/Ausgegeben: 27.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 345 vom 21. September 2017 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/714 Wie werden die Rettungswege im Hambacher Forst dauerhaft frei gehalten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 19.09.2017 wurde mit einem aufwendigen Polizeieinsatz die Räumung von Barrikaden aus Gehölz, Stacheldraht, Metallstangen und Geäst auf Rettungswegen im Hambacher Forst begleitet . Vorausgegangen ist dem Räumungseinsatz die Verunglückung einer Baumbesetzerin, die sich bei einem Sturz einen Wirbelbruch zuzog. Die Verletzte konnte wohl nur mit Verspätungen rettungsdienstlich versorgt werden, da die Blockaden den Unfalleinsatz der Rettungskräfte behinderte. Beim Räumungseinsatz am 19.09.2017 wurden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mit Böllern und Einsatzfahrzeuge mit Flaschen beworfen. Dabei sollen auch Bitumen-Gläser Fahrzeuge beschädigt haben. Es sollen fünf Straftäter verhaftet, wovon bei Vieren eine Identität festgestellt worden sein soll. Im Zuge der letzten Proteste von Ende Gelände Ende August 2017 sollen rund 1000 Identitätsfeststellungen vorgenommen worden sein. Jedoch sollen bislang nur 50 bis 60 Straftäter in konkreten Ermittlungsverfahren verfolgt werden. Der Innenminister hat die Kleine Anfrage 345 mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Justizminister beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1028 2 Vorbemerkung der Landesregierung Der Hambacher Forst steht im Eigentum der RWE Power AG. In dem der Öffentlichkeit grundsätzlich noch zugänglichen Bereich liegt die originäre Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW bzw. den kommunalen Gefahrenabwehrbehörden. Ausgenommen hiervon sind die Bereiche, die in der jeweiligen Rodungssaison zum Betriebsgelände umgewidmet und als solche ausgewiesen sind. In diesen Arealen obliegt der RWE Power AG die Verkehrssicherungspflicht. Nachdem es am 30.11.2016 zu Angriffen auf Mitarbeiter der RWE Power AG im Rahmen der Rodungsarbeiten gekommen war, schützt die Polizei die durch das Unternehmen durchgeführte Räumung der Waldwege von Hindernissen und Barrikaden. Darüber hinaus veranlasst die Polizei in eigener Zuständigkeit zur Sicherung der eigenen Funktionsfähigkeit das Freihalten von Einsatz- und Rettungswegen, wenn diese durch Hindernisse nicht mehr befahrbar sind. Des Weiteren unterstützt die Polizei die Ordnungs - und Landschaftsschutzbehörden sowie Gerichtsvollzieher anlassbezogen durch die Gewährung von Amts-/Vollzugshilfe bei deren Aufgaben. 1. Inwieweit ist es mit Blick auf den Verletzungsgrad der Baumbesetzerin zu kritischen Verspätungen im Rettungsdienst, bedingt durch Barrikaden im Hambacher Forst, gekommen? Am späten Abend des 09.09.2017 stürzte eine 18-jährige Angehörige der Waldbesetzerszene aus mehreren Metern Höhe von einem Baumhaus und verletzte sich dabei schwer. Hinweise auf ein Fremdverschulden liegen nach derzeitiger Erkenntnislage nicht vor. Nach Darstellung des Rettungsdienstes befanden sich zum Zeitpunkt der Anfahrt auf den Waldwegen, die zum Unglücksort führten, keine Barrikaden, die das Erreichen der Einsatzstelle zusätzlich zeitlich verzögert hätten. Die Anfahrt war jedoch dadurch erschwert, dass sich die Einsatzstelle inmitten des Waldstücks Hambacher Forst abseits befestigter Wege befunden hat und zum Erreichen des Unglücksortes auch Vertiefungen im Gelände überwunden werden mussten. Zur schwierigen Lokalisierung des Unglücksortes trug ebenfalls die beschränkte Sicht in der Dunkelheit bei. Das letzte Teilstück war darüber hinaus durch die Rettungskräfte lediglich fußläufig erreichbar. Zwischen der Feuerwehr der Stadt Kerpen sowie dem Rhein-Erft-Kreis als Träger des Rettungsdienstes bestanden bereits im Vorfeld des Ereignisses grundsätzliche Absprachen mit der RWE Power AG zur Reduzierung von Hilfsfristen. Da ein Befahren der Waldwege – auch unabhängig von möglichen Barrikaden – mit den Straßenfahrgestellen der Rettungswagen nur bedingt bzw. nicht möglich ist, wurde abgestimmt, dass bei Einsätzen im Hambacher Forst bzw. im Tagebauvorfeld parallel ein geländegängiger Rettungswagen der RWE Power AG alarmiert wird, um Patientinnen und Patienten auch in diesem schwierigen Gelände so schnell wie möglich zu Hilfe kommen zu können. Dies ist auch im Rahmen des angesprochenen Einsatzes erfolgt. 2. Wie wird sichergestellt, dass Rettungswege im Hambacher Forst künftig frei bleiben und nicht weiter die Gesundheit oder das Leben von Menschen, die im Wald verunglücken, durch verbarrikadierte Wege gefährdet wird? Barrikaden und sonstige bestehende Hindernisse auf den als Einsatz- und Rettungswegen ertüchtigten Waldwegen werden anlassbezogen und wiederkehrend in unregelmäßigem Tur- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1028 3 nus geräumt. Dabei setzt die Polizei zur Sicherung der eigenen Funktionsfähigkeit auch einzelfallbezogen eigene Räumfahrzeuge ein. Letztmalig wurden die Wege am 19.09.2017 vor Beginn des „Skill-Sharing-Camps“ ertüchtigt. Nach dem beschriebenen Sturzereignis initiierte das zuständige Polizeipräsidium Aachen die Durchführung einer gemeinsamen Besprechung unter anderem mit der RWE Power AG als Grundstückseigentümerin sowie mit den beteiligten Ordnungsbehörden und dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Durch den Kontaktbeamten der Polizei wurde darüber hinaus unmittelbar nach dem Ereignis Kontakt zur Waldbesetzerszene aufgenommen, um dieser die konkreten Gefahren und möglichen Auswirkungen vom Aufbau von Barrikaden zu verdeutlichen. 3. Wie viele der aktuell etwa 22 Baumhäuser im Hambacher Forst sind im Einzugsbereich der nächsten Rodungssaison? Nach Auskunft der Tagebaubetreiberin RWE Power AG befinden sich nach deren Kenntnisstand im Bereich der nächsten Rodungsperiode (01.10.2017 bis 28.02.2018) derzeit ca. 20 von Umweltaktivisten errichtete Baumhäuser. Die anstehende Rodung wurde durch die RWE Power AG ausgesetzt. 4. Wie viele von den vier am 19.09.2017 verhafteten und identifizierten Straftätern sind bereits im Hambacher Forst durch Taten auffällig geworden bzw. sind weiterhin in Haft? Von den vier Tatverdächtigen, die am 19.09.2017 im Rahmen der kriminalpolizeilichen Ermittlungsmaßnahmen identifiziert wurden, sind drei Personen erstmals im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten im Hambacher Forst polizeilich in Erscheinung getreten. Gegen die vierte Person wurde bei der Staatsanwaltschaft Aachen ein Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs im Zusammenhang mit einem Vorfall im Hambacher Forst am 30.10.2014 geführt. Das Verfahren wurde wegen unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten gemäß § 154f der Strafprozessordnung vorläufig eingestellt. Nach Eingang des neuen Ermittlungsvorgangs wird die Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme des Altverfahrens prüfen. Alle Personen wurden nach Durchführung der polizeilichen Maßnahmen aus polizeilicher Obhut entlassen.